Rettungsfahrt mit tödlichem Ausgang
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
M und F streiten sich über die Erziehung des kleinen K. Der F wird es zu viel und sie versetzt M einen Messerstich. Auf der Fahrt ins Krankenhaus wird der Rettungswagen vom Lastzug der L gerammt und M hierbei tödlich verletzt. L hat den Rettungswagen übersehen, da sie stark alkoholisiert war.
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Einordnung des Falls
Rettungsfahrt mit tödlichem Ausgang
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. M hat eine Verletzung seines Rechtsguts Leben erlitten (§ 823 Abs. 1 BGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. F hat eine kausale Verletzungshandlung begangen.
Genau, so ist das!
3. Der Tod des M ist F auch im Hinblick auf den Schutzzweck des § 823 Abs. 1 BGB zurechenbar.
Nein, das trifft nicht zu!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
JoBl
24.11.2020, 14:12:52
Das Ergebnis halte ich für diskutabel. Es ist jedenfalls nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung, dass jemand nach einer Stichverletzung ins Krankenhaus verbracht wird und der RTW aufgrund der Inanspruchnahme von Sonderrechte in einen Unfall verwickelt wird. Wenn man so die Adäquanz bejaht, kann man beim Schutzzweck unter dem Gesichtspunkt der Abgrenzung von Verantwortungsbereichen wohl auch darauf abstellen, dass hier gerade kein allgemeines Lebensrisiko mehr bestand, sonder ein durch den besonderen Transport erhöhtes Sonderrisiko. Ferner rammt L hier auch nicht mit
Vorsatz.
Lukas_Mengestu
22.6.2021, 01:05:41
Hallo JoBl, vielen Dank für Deine Anmerkung. In der Tat könnte man mit den von Dir angeführten Argumenten eine Zurechnung bejahen. Wir haben den Fall insofern nun dahingehend abgewandelt, dass die Fahrerin des Lastzuges stark alkoholisiert ist. Dies führt dazu, dass der Unfall im Wesentlichen durch das Fehlverhalten der L bedingt ist und weniger Ausdruck des durch den besonderen Transport erhöhten Sonderrisiko. Dann bleibt es aber bei dem ursprünglichen Ergebnis, dass die Zurechnung ausscheidet. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
roya
20.6.2021, 01:52:36
Ich finde das verwirrend formuliert, der Tod des M ist schon durch 823 ABS. 1 gedeckt, nur nicht über die Handlung der F, da keine Kausalität vorliegt.
Ferdinand
21.6.2021, 11:21:23
Die Handlung der F ist für den Todeserfolg kausal geworden: Der Stich kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele (Äquivalenztheorie) und es liegt auch nicht außerhalb der Lebenserfahrung, dass jemand mit einer Stichverletzung ins Krankenhaus gefahren wird und sich auf dieser Fahrt ein Unfall ereignet (Adäquanztheorie). Von der Kausalität ist der
Zurechnungszusammenhangzu unterscheiden. Dieser entfällt, wenn der tatsächlich eingetretene Erfolg nicht mehr vom
Schutzzweck der Normumfasst ist. § 823 I BGB schützt in Bezug auf einen „ersten Schädiger“ nicht davor, dass eine weitere unabhängige Ursache gesetzt wird, die den Erfolg letztendlich herbeiführt. Daher ist der haftungsbegründende Tatbestand nicht erfüllt, wenn der Erfolg letztendlich auf dem allgemeinem Lebensrisiko basiert. Meines Erachtens wäre der
Zurechnungszusammenhangvorliegend aber dennoch zu bejahen. Zwar gibt der SV hierzu keine Auskunft, allerdings ist aufgrund der Schwere der Verletzung davon auszugehen, dass der Krankenwagen mit Sonderrechten fuhr. Diese Risikoerhöhung entstammt aber gerade nicht dem allgemeinen Risiko, in einen Unfall zu geraten. Anders läge es, wenn der LKW-Fahrer den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hätte oder der Krankenwagen ohne Sonderrechte (sog. „Normale Fahrt) unterwegs war.
Lukas_Mengestu
22.6.2021, 01:11:34
Hallo Roya, herzlich willkommen zunächst bei Jurafuchs und vielen Dank für Deinen Hinweis. Wir haben die Frage im Hinblick auf den Schutzzweck nunmehr ein wenig präzisiert, sodass sie weniger missverständlich ist. Vielen Dank auch Dir Ferdinand für die ausführliche Antwort und den Hinweis auf eine mögliche Bejahung des
Zurechnungszusammenhangs. Wir haben nunmehr den Fall etwas abgewandelt, sodass der Unfall nun maßgeblich auf der Alkoholisierung der L beruht und nicht etwa aufgrund des erhöhten Transportrisikos durch die Inanspruchnahme etwaiger Sonderrechte. Dadurch bleibt es dabei, dass sich hier nur das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht (Adäquanz) bzw. eben kein spezifisches vom Schutzzweck des § 823 BGB umfasstes Risiko (
Schutzzweckzusammenhang). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
GF
26.4.2023, 16:34:10
Der
Schutzzweck der Normschließt aber die Kausalität aus. Zwar ist nach der Äquivalenztheorie eine Kausalität gegeben, sie wird aber vom
Schutzzweck der Normausgeschlossen, Wandt 11. Aufl 2022, § 16 Rn. 143. Daher finde ich es nicht überzeugend allgemein nach der Kausalität zu fragen, diese dann unter Hinweis auf die Äquivalenztheorie zu bejahen und in der nächsten Frage dann doch die Kausalität entfallen zu lassen mit dem
Schutzzweck der Norm. Besser wäre es dann nur nach dem Vorliegen eines Äquivalenzzusammenhangs zu fragen.
CR7
2.7.2024, 09:24:07
liebes team, könnt ihr bitte die gleichlaufende strafrechtsaufgabe am ende verlinken? 🙏🏻 dann kann man das gleich im strafrecht wiederholen
CR7
2.7.2024, 09:26:53
https://applink.jurafuchs.de/y8bbrTXJTKb
Foxxy
25.7.2024, 16:27:23
Hallo, vielen Dank für Deinen Vorschlag! Wir haben ihn notiert und werden in einer der nächsten Redaktionssitzungen prüfen, inwiefern wir hierzu noch weitere Aufgaben mit aufnehmen können. Beste Grüße, Foxxy, für das Jurafuchs-Team