Globalbürgschaft
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Um sich ein neues Schlagzeug zu kaufen, geht S zur G-Bank um einen Kredit über €5.000 aufzunehmen. G verlangt eine Sicherheit. B möchte bürgen und unterzeichnet die von der G übergebene vorformulierte Urkunde mit dem Inhalt: „Der Bürge haftet für alle gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen des Gläubigers gegen den Schuldner aus der Geschäftsbeziehung.“ B fragt sich, ob dies rechtens ist.
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Einordnung des Falls
Globalbürgschaft
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Urkunde widerspricht dem Bestimmtheitserfordernis.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Urkunde ist als Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB zu qualifizieren.
Ja!
3. Die Globalbürgschaft ist als überraschende Klausel einzuordnen. (§ 305c Abs. 1 BGB)
Genau, so ist das!
4. Die Klausel verstößt hinsichtlich der Übernahme der Bürgschaft für alle zukünftigen Forderungen gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
Ja, in der Tat!
5. Die Klausel hinsichtlich der Übernahme der Bürgschaft von bereits entstandenen Forderungen verstößt auch gegen den wesentlichen Grundgedanken des § 767 Abs. 1 S. 3 BGB.
Nein!
6. Die Klausel hinsichtlich der Übernahme der Bürgschaft von bereits entstandenen Forderungen verstößt gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs.1 S. 2 BGB).
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Daniel
15.3.2022, 17:06:48
Mich verwundert, dass die Klausel überraschend sein kann, obwohl es ja DIE prägende Klausel des Vertrages ist, in der die Hauptpflicht geregelt wird. Bei dieser sollte ja davon auszugehen sein, dass sie zur Kenntnis genommen wird. Ich dachte, bei dem Verbot der überraschenden Klauseln geht es darum, dass im "Kleingedruckten" nichts unerwartetes versteckt werden soll.
Victor
15.3.2022, 17:19:48
§ 305c soll nicht nur vor einem Übersehen schützen, sondern auch vor mitunter plakativen Regelungen mit der jemand bri Vertragsschluss nicht zu rechnen braucht. Siehe Lösung. Der Kunde darf darauf vertrauen dürfen, dass sich AGB iRd halten, was bei Würdigung aller Umstände des Vertrages dieser Art zu erwarten ist. Das ist bei der anlassbezogenen Bürgschaft hinsichtlich der
Globalbürgschaftgerade nicht der Fall. Hinsichtlich des Überraschungsmoments reicht das „nicht damit zu rechnen brauchen“.
Lukas_Mengestu
17.3.2022, 12:26:53
Hallo Daniel, Du hast in der Tat recht, dass die bloße Unüblichkeit alleine nicht ausreicht, damit eine
überraschende Klauselvorliegt. Vielmehr muss der Klausel ein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt innewohnen (vgl. Basedow, in: MüKo-BGB, 8.A. 2019, § 305c RdNr. 12). Wie Victor aber schon zurecht einwendet, sind die Hürden bei unüblichen Klauseln hierfür relativ gering. Bei
Globalbürgschaften ist die Rechtsprechung hier recht streng (Nobbe, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5.A. 2017 § 91 RdNr. 95) und nimmt hier grundsätzlich an, dass diese überraschend ist. Offen gelassen hat der BGH dabei, ob dieser Überraschungseffekt durch besondere drucktechnische Hervorhebung beseitigt werden kann (BGH NJW
1994, 2145). Jedenfalls bei einem entsprechenden Hinweis in den Verhandlungen würde der Überraschungseffekt ausscheiden. Da sich hierzu im Sachverhalt keine Hinweise finden, muss man hier aber bei dem Grundsatz bleiben, dass die
Globalbürgschaftüberraschend ist, zumal ja B eigentlich nur für die €5.000 bürgen möchte. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Anastasia
18.8.2023, 22:04:59
Es scheint, dass die Argumente in diesem Fall eher auf dem Wunsch des Gerichts beruhen, den Bürgen unbedingt von allen Verpflichtungen zu befreien. Wenn wir die Willenserklärungen der Parteien auslegen und von der Umfangs- und Entstehungsakzessoriatät der Bürgerschaft ausgehen, müsste der Bürge hier eigentlich doch bis zum 5.000 haften. Diese Summe gehört eigentlich zu essentialia negotii und ist, streng genommen, nicht Teil der vorformulierten AGB. Aber in diesem Fall war es notwendig, die Bank zu bestrafen, damit sie es nie auf die Idee kommt,
Globalbürgschaften zu vereinbaren. Die Frage: Dürfen dann zumindest Kaufleute eine
Globalbürgschaft(ohne eine bestimmbare Hochsumme und ohne Bezug auf eine bestimmte Grundschuld) vereinbaren?
Leo Lee
19.8.2023, 10:57:14
Hallo Anastasia, das ist natürlich eine Frage, die sich so pauschal nicht beantworten lässt, zumal es keine spezifische Entscheidung gibt, die genau deine Frage behandelt hat. Jedoch: I. Bzgl. §
305c BGBlässt sich sagen, dass eine solche
Globalbürgschaftu.U. - weil Kaufleute eben Profis sind - nicht als überraschend einzustufen sein könnte. II. Jedoch unterscheidet § 767 I 3 BGB wiederum nicht zwischen Kaufleuten und "normalen" Leuten; auch im HGB gibt es hierzu keine abweichende Regelungen. Beachte jedoch, dass § 767 I 3 BGB nur die sog. Fremddisposition verbiete, d.h. die nachträglichen Vereinbarungen. zw. dem Gläubiger und dem Schuldner. D.h. nicht in solchen Fällen (wo dann
Globalbürgschaften zulässig sind), wo die Hauptschuld schon aufgrund Gesetzes Schwankungen unterliegt (etwa Unterhaltsverpflichtungen). Mithin lautet die Antwort (typisch Jura): Grundsätzlich nicht, vorbehaltich Ausnahmen! I.Ü. kann ich dir hierzu die Lektüre von MüKo-BGB, 7. Auflage, Hafersack § 767 Rn. 10 f. empfehlen :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo
David.
27.10.2023, 00:48:47
Korrigiert mich wenn ich falsch liege, aber ist die Rechtsfolge nicht gerade, dass die Bürgschaft für die Anlassverbindlichkeit wirksam bleibt und lediglich die Klausel bezüglich der Einbeziehung sonstiger Forderungen nichtig ist? Damit haftet der Bürge doch auf die 5.000€.
Paulah
19.11.2023, 10:55:33
Ich sehe es auch so wie David. Nach § 306 Abs. 1 BGB sind ja nur die AGB nicht zum Vertragsbestandteil geworden. Der Vertrag über die Bürgschaft für 5.000 € bleibt im Übrigen wirksam.
David.
5.11.2023, 15:38:05
Man könnte hier noch mitaufnehmen, dass die
Inhaltskontrollenach § 307 III eröffnet ist, da das gesetzliche Leitbild der Bürgschaft ist, lediglich für eine einzelne Verbindlichkeit einzustehen.
Steinfan
12.4.2024, 19:00:54
Richtig, in den Lösungsskizzen wird auch üblicherweise erwartet, dass man hierzu etwas schreibt, da die Klausel ja eigentlich die Haupt
leistungspflichtenfestlegt; und die sind ja normalerweise der
Inhaltskontrolleentzogen. Zumindest die Klausel „alle künftigen Verbindlichkeiten“ weicht aber von § 767 I 3 BGB ab, weswegen zumindest bzgl. dieser die
Inhaltskontrolleeröffnet ist. Würde mich auch über eine Ergänzung freuen. LG
Paulah
21.11.2023, 18:07:36
Ich verstehe nicht, warum die Klausel nicht dem Bestimmtheitserfordernis widerspricht, aber gegen das Transparenzgebot verstößt, weil die Bestimmung nicht klar und verständlich ist und B aus der Formulierung nicht entnehmen kann, für welche Forderungen er konkret haftet. Wenn die Bestimmung nicht klar und verständlich ist, verstößt sie doch auch gegen das Bestimmtheitserfordernis.
Jopies
18.12.2023, 16:52:05
Bei dem Bestimmtheitserforderniss geht es darum, ob man entnehmen kann, ob eine bestimmte Forderung von der Bürgschaft gedeckt ist. (Bspw. ein Verstoß, wenn diese nur sehr subjektiv oder vage kategorisiert sind („er bürgt für alle extrem gefährdeten Forderungen“)) Solche Fragen stellen sich hier nicht, er haftet einfach für alle. Das Transparenzgebot verlangt, dass jede einzelne der Forderungen auch in dem Formular dargestellt ist.
Falsus Prokuristor
22.5.2024, 18:14:39
Der Bestimmtheitsgrundsatz fordert (im Allgemeinen, das gilt aber auch für die Bürgschaft), dass die Forderung eindeutig bestimmbar sein müssen, eine konkrete Bestimmung ist nicht erforderlich (so ist zum Beispiel die Globalzession als Abtretung zulässig). Die Vorschriften der AGB Kontrolle sollen den Verbraucher allerdings weitergehend schützen, zum Beispiel durch das Transparenzgebot. Aus diesem Grund ist ausnahmsweise statt Bestimmenbarkeit eine konkrete Bestimmung erforderlich.