Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Ermessen und Verhältnismäßigkeit

Sonderfall: Verpflichtungsurteil bei Ermessensreduzierung auf Null

Sonderfall: Verpflichtungsurteil bei Ermessensreduzierung auf Null

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Fürs Straßenfest stellt A den erforderlichen Antrag auf Sondernutzungserlaubnis (= Ermessensentscheidung) für ihren Stand bei der Behörde B. B hat bereits allen anderen Teilnehmenden die Erlaubnis erteilt. A erhält einen Ablehnungsbescheid, nur weil Sachbearbeiter S persönliche Probleme mit ihr hat.

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Einordnung des Falls

Sonderfall: Verpflichtungsurteil bei Ermessensreduzierung auf Null

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A will klagen. Statthaft ist die Anfechtungsklage.

Nein, das trifft nicht zu!

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren. Die Anfechtungsklage ist statthaft, wenn der Kläger die Aufhebung eines Verwaltungsakt begehrt (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO). Die Verpflichtungsklage ist statthaft, wenn der Kläger den Erlass eines Verwaltungsakts begehrt. Zwar ist der Ablehnungsbescheid ein belastender Verwaltungsakt, gegen den A mit der Anfechtungsklage vorgehen könnte. Allerdings begehrt sie letztlich den Erlass einer Erlaubnis (= Verwaltungsakt). Dies kann sie am effektivsten dadurch erreichen, dass sie die Verpflichtungsklage gerichtet auf den Erlass der Erlaubnis (bzw. ermessensfehlerfreie Entscheidung) erhebt.
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2. Grundsätzlich kann das Gericht die Behörde bei Ermessensentscheidungen nur dazu verpflichten, eine Neubescheidung vorzunehmen.

Ja!

Sieht eine Ermächtigungsgrundlage kein Ermessen der Behörde vor, so kann das Gericht die Behörde zu einer ganz konkreten Entscheidung verpflichten (Verpflichtungsurteil, § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Ermessensentscheidungen sind dagegen nur auf das Vorliegen von Ermessensfehlern überprüfbar. Das Gericht kann die Behörde zur ermessensfehlerfreien Neubescheidung verpflichten (Bescheidungsurteil, § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO). Die Sache ist dann nämlich nicht spruchreif im Sinne von § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO. Grundsätzlich könnte das Gericht B nur zur Neubescheidung verpflichten, sofern diese ermessensfehlerhaft gehandelt hat.

3. Das Gericht erlässt auch dann nur ein Bescheidungsurteil, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Liegt ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null vor, bedeutet dies, dass die Behörde nur eine Handlungsmöglichkeit hat, nach der sie nicht ermessensfehlerhaft handelt. In diesem Fall greift das Gericht nicht unzulässig in den Handlungsspielraum der Behörde ein, denn die Behörde hat ja tatsächlich gar keinen Handlungsspielraum. Sie kann nur „die eine“ rechtmäßige Entscheidung treffen. Das Gericht kann deswegen ausnahmsweise die Behörde zu dieser Entscheidung verpflichten. Die Sache ist spruchreif im Sinne von § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO. Wenn hier eine Ermessensreduzierung auf Null vorläge, könnte das Gericht B dazu verpflichten, A die Erlaubnis zu erteilen.

4. Eine Ermessensreduzierung auf Null ergibt sich hier aus Art. 3 Abs. 1 GG. Das Gericht wird ein Verpflichtungsurteil erlassen.

Ja, in der Tat!

Gründe für eine Ermessensreduzierung auf Null ergeben sich vor allem aus den Anforderungen der Grundrechte. So etwa aus Art. 3 Abs. 1 GG. Danach ist eine Ungleichbehandlung nur gerechtfertigt, wenn sie aufgrund sachlicher Kriterien ergeht. Insbesondere in den Fällen, in denen die Verwaltung bereits bestimmte Entscheidungen zugunsten Anderer getroffen hat, muss sie sachlich begründen können, wieso diese Begünstigung gegenüber einer weiteren Person nicht ergehen kann (Selbstbindung der Verwaltung). Hier gibt es keine sachlichen Anhaltspunkte für die Ablehnung von As Antrag. Vielmehr erfolgt diese nur aus persönlichen Gründen des S. A hat einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Johannes Nebe

Johannes Nebe

1.8.2022, 08:52:41

Wenn ein

Verwaltungsakt

(VA) aufgehoben werden soll, frage ich mich häufig, wann die Anfechtungsklage (Betonung der Beseitigung des unerwünschten VA) statthaft ist und wann die Verpflichtungsklage (Betonung des Wunsches nach anderem VA). Wie kann man das klar trennen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

1.8.2022, 10:07:27

Hallo Johannes, maßgeblich ist grundsätzlich das Begehr des Klägers. In diesem Fall hier will er eine Leistung der Behörde erlangen. Diese wurde ihm mittels VA verweigert. Allein die Beseitigung dieses VA bringt ihn indes nicht näher an die begehrte Leistung, weshalb hier die Verpflichtungsklage in Form der sogenannten Versagungsgegenklage einschlägig ist (=Aufhebung des gegenläufigen VA + Erhalt eines positiven VA). Will sich die Bürgerin dagegen lediglich gegen sie gerichtete, belastende Maßnahme wehren (zB Platzverweis), so genügt es, hiergegen mit der Anfechtungsklage vorzugehen. Denn bereits durch die Aufhebung des VA wird das Begehren der Bürgerin vollumfänglich erfüllt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

RAP

Raphaeljura

5.7.2023, 02:50:19

Spruchreif bedeutet

Ermessensreduzierung auf Null

oder gebundene Entscheidung?

SN

Sniter

6.9.2023, 12:57:54

Das kann man sich mE genau so merken. Es gibt daneben aber natürlich auch weiterführende Definitionen in diversen Lehrbüchern und Skripten.


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