Grundfall: Examenszeugnis

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T hat vor kurzem in Mainz die Erste Prüfung mit 7 Punkten abgelegt. Da er nun in Hamburg mit dem Referendariat beginnen möchte, ohne lange warten zu müssen, tauscht er auf dem Examenszeugnis die 7 durch eine 14 aus. Das veränderte Zeugnis schickt er dann an das Hanseatische Oberlandesgericht.

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Einordnung des Falls

Grundfall: Examenszeugnis

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Examenszeugnis stellt ein taugliches Tatobjekt im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB dar.

Genau, so ist das!

Taugliches Tatobjekt im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB ist die Urkunde. Dies ist jede verkörperte menschliche Gedankenerklärung (Perpetuierungsfunktion), die zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist (Beweisfunktion) und die ihren Aussteller erkennen lässt (Garantiefunktion). Das Examenszeugnis als Schriftstück stellt ein klassisches Beispiel der Urkunde dar: Es handelt sich um eine verkörperte Gedankenerklärung und bestätigt das erfolgreiche Ablegen der Staatsprüfung durch den jeweiligen Kandidaten und soll die Rechtskenntnisse widerspiegeln. Das Zeugnis lässt das jeweilige Justizprüfungsamt als Aussteller erkennen.
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2. Taugliche Tathandlung der Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 StGB) kann nur das Verfälschen einer echten Urkunde sein.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Deliktsbezeichnung „Urkundenfälschung“ (§ 267 Abs. 1 StGB) umfasst drei Tatbestände: (1) Herstellen einer unechten Urkunde, (2) Verfälschen einer echten Urkunde und (3) Gebrauchen einer unechten oder verfälschten Urkunde.Geschütztes Rechtsgut ist die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs. § 267 StGB ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt.

3. Indem T die Note auf dem Examenszeugnis austauschte, hat er eine echte Urkunde verfälscht (§ 267 Abs. 1 Var. 2 StGB).

Ja!

Eine Urkunde ist echt, wenn sie von demjenigen stammt, der sich aus ihr als Urheber der verkörperten Gedankenerklärung ergibt. Tatobjekt der Verfälschung kann nur eine vorhandene echte Urkunde sein. Unter Verfälschung ist jede nachträgliche Veränderung des gedanklichen Inhalts einer echten Urkunde zu verstehen. Durch die nachträgliche Veränderung muss der Anschein erweckt werden, dass die Urkunde von vornherein den ihr nachträglich beigelegten Inhalt gehabt und dass der Aussteller die urkundliche Erklärung von Anfang an in der jetzt vorliegenden Form abgegeben habe.T hat den Inhalt des echten Zeugnisses nachträglich verändert. Dadurch wird der Anschein erweckt, dass das Landesjustizprüfungsamt ihm ein Zeugnis über 14 Punkte ausgestellt hat.

4. T hat durch das Austauschen der Note auch eine unechte Urkunde hergestellt (§ 267 Abs. 1 Var. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Eine Urkunde ist unecht, wenn sie nicht von demjenigen stammt, der aus ihr als Aussteller hervorgeht (hM., Geistigkeitstheorie). Maßgeblich für die Unechtheit ist die Identitätstäuschung. Eine solche liegt vor, wenn zum Zwecke der Herbeiführung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums über die Person des wirklichen Ausstellers getäuscht wird. Der rechtsgeschäftliche Verkehr wird auf einen Aussteller hingewiesen, der in Wirklichkeit nicht hinter der in der Urkunde verkörperten Erklärung steht.Durch die nachträgliche Veränderung hat T gleichzeitig auch eine unechte Urkunde hergestellt: Die Erklärung “14 Punkte” stammt in Wirklichkeit nicht mehr vom Landesjustizprüfungsamt. Die Herstellung einer unechten Urkunde ist typische Folge der Verfälschungshandlung. Wenn ursprünglich eine echte vorhandene Urkunde bestand, dann tritt die Herstellungsvariante hinter der Verfälschungsvariante zurück.
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