Erhöhte Sorgfaltspflicht bei vorausfahrendem Fahrschulfahrzeug
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Jurastudium und Referendariat.
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Fahrschülerin F ist auf Fahrstunde mit ihrem Lehrer L, der auch Halter des Wagens ist. In der Ausfahrt eines Kreisverkehrs bremst F den Wagen voll ab, weil sich etwa 4m entfernt Personen der Fahrbahn nähern. S fährt daraufhin auf das Fahrschulauto auf.
Einordnung des Falls
Erhöhte Sorgfaltspflicht bei vorausfahrendem Fahrschulfahrzeug
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Bei einem Unfall im Straßenverkehr kommt nur ein Anspruch gegen den Fahrer des anderen Fahrzeugs in Betracht.
Nein, das trifft nicht zu!
2. Der Vorausfahrende muss beweisen, dass der Hinterherfahrende den nötigen Abstand missachtet hat.
Nein!
3. S hat den erforderlichen Sicherheitsabstand gewahrt.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Für die Anrechnung des Mitverschuldensanteils des S gilt § 254 BGB.
Nein, das trifft nicht zu!
5. Im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 2 i.V.m. § 17 Abs. 1 StVG ist von hälftigem Mitverschulden des S auszugehen.
Nein!
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🦊²
29.11.2022, 09:34:37
Wäre im vorliegende Fall nicht der Fahrlehrer nach § 2 XV 2 StVG der Fahrzeugführer iSd § 18 I StVG?
![Nora Mommsen](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__1g4ube287wphue6xpdn8yy675.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Nora Mommsen
29.11.2022, 15:25:07
Hallo Fuchs², danke für deine Frage. Es gibt vielfältige Rechtsprechung dazu, in welchen Situationen der Fahrlehrer als Fahrzeugführer anzusehen ist. Nach den vom Bundesgerichtshof zdargelegten Erwägungen ist ein Fahrlehrer, der in der konkreten Situation nicht in die Ausbildungsfahrt eingreift, nach allgemeinen Kriterien kein Führer des Kraftfahrzeugs. Führer eines Kraftfahrzeugs ist, wer es unter bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte unter eigener Allein- oder Mitverantwortung in Bewegung setzt oder unter Handhabung seiner technischen Vorrichtung während der Fahrbewegung durch den öffentlichen Verkehrsraum ganz oder wenigstens zum Teil lenkt. Auch die Regelung des § 15 Abs. 2 S. 2 StVG führt nicht dazu, dass der Fahrlehrer, ohne dass weitere Umstände hinzutreten, als Führer des Fahrzeugs im Sinne von § 2 Abs. 2 StVO anzusehen ist. Die gesetzliche Fiktion in § 15 Abs. 2 S. 2 StVG soll nur eine partielle Verlagerung der Verantwortung auf den Fahrlehrer (nämlich beschränkt auf die §§ 18, 21 StVG) bewirken. Somit gilt die Fiktion für § 2 Abs. 2 StVO eben gerade auch nicht. Vertiefend dazu z.B. SVR 2015, 314. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
🦊²
29.11.2022, 18:13:21
Danke für die schnelle Rückmeldung :)
StellaChiara
17.7.2023, 16:17:10
ich verstehe auch nicht, wieso die Fiktion hier nicht gilt, aber in der nächsten Session der Fahrlehrer doch wieder als fahrzeugführer gilt
StellaChiara
18.7.2023, 11:51:05
wenn ich das richtig sehe ging in dem Beschluss des BGH um den Verstoß gegen § 23 Ia StVO und gerade nicht um die Fitkion des § 2 VX 2 StVG
MLena
28.3.2024, 21:31:09
Ich verstehe gerade nicht, wie man darauf kommt, dass bei einem Auffahrunfall die Vermutung besteht, dass der Hintere zu dicht am Vorderen war. Wir prüfen doch § 18 und dann würde das Verschulden der Fahrschülerin nach Abs. 2 doch eigentlich vermutet, so dass sie selbst das Gegenteil beweisen müsste. Was habe ich falsch verstanden? :)
![Lukas_Mengestu](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__x133cq1so0il85q8i03wkixhy.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Lukas_Mengestu
16.4.2024, 17:50:56
Hallo MLena, vielen Dank für Deine Nachfrage! In der Tat liegen die Anspruchsvoraussetzungen des § 18 StVG grundsätzlich vor, insbesondere wird das Verschulden der Fahrzeugführerin vermutet. Über § 18 Abs. 3 StVG findet aber auch bei der Fahrzeugführerhaftung der § 17 StVG Anwendung. Die Haftung des Fahrers ist insofern ausgeschlossen, wenn es sich bei dem Unfall um ein unabwendbares Ereignis gehandelt hat (§ 17 Abs. 3 StVG). Ist dies - wie regelmäßig - nicht der Fall, so ist nach § 17 Abs. 2 i.V.m. § 17 Abs. 1 StVG eine Haftungsquote zu bilden, bei der die beiderseitigen Verursachungsbeiträge miteinander abgewogen werden. Genau an dieser Stelle kommt nun der Anscheinsbeweis zum Tragen, dass bei Auffahrunfällen der Hintermann den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht gewahrt hat. Dies wiegt hier umso schwerer, als das Fahrschulauto deutlich als solches erkennbar war. Insofern liegt ein überwiegendes Verschulden des Auffahrenden vor. Im Ergebnis kann dieser nur 30% seines Schadens gelten machen, während er 70% des Schadens am Fahrschulauto zu tragen hat. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
![Teddy](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__pxzftmmbnyqcyjwkufusg.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Teddy
30.4.2024, 20:55:31
Da die Ermittlung der Haftungsquote nach § 17 StVG namentlich im zweiten Examen regelmäßig einen – leidigen – Schwerpunkt der „Verkehrsunfall-Klausur“ darstellt, wären hier vertiefende Aufgaben echt toll! 🧸
Hilfloser Melancholiker
7.5.2024, 11:47:36
Finde ich auch! Hier gibt es viele relevante (und relativ leicht darstellbare) Anscheinsbeweis-Konstellationen, die man gut zu Fällen machen kann (:
![Nora Mommsen](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__1g4ube287wphue6xpdn8yy675.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Nora Mommsen
11.5.2024, 16:53:05
Hallo ihr beiden, Danke euch für den Inhaltsvorschlag! Den nehmen wir mit auf unsere Liste. Ich möchte euch an dieser Stelle aber schon um etwas Geduld bitten, da wir immer zeitgleich viele Sachen umsetzen. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team