Zivilrecht

Deliktsrecht

§ 823 Abs. 1 BGB

Kein Handeln bei Reflex – Verletzungshandlung bei § 823 Abs. 1 BGB

Kein Handeln bei Reflex – Verletzungshandlung bei § 823 Abs. 1 BGB

10. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A und B feiern in einem Bierzelt. Dabei stehen beide auf einer Bierbank. A verliert das Gleichgewicht und greift dabei reflexartig nach B. Daraufhin stürzen beide zu Boden. B wird verletzt.

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Einordnung des Falls

Kein Handeln bei Reflex – Verletzungshandlung bei § 823 Abs. 1 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat eine Verletzungshandlung begangen (§ 823 Abs. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Verletzungshandlung kann jedes Tun, Dulden oder Unterlassen sein, das durch beherrschbares menschliches Verhalten gesteuert werden kann. Wird der Schaden hingegen durch einen unwillkürlichen körperlichen Reflex oder durch eine physische Zwangslage (vis absoluta) in Gang gesetzt, so liegt kein steuerbares Verhalten des Schädigers vor. Der deliktsrechtlich vermittelte Anreiz zu sorgfältigem Verhalten liefe bei reflexartigem Verhalten ins Leere. A greift beim Herunterfallen reflexartig nach B.
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2. Ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB setzt eine Verletzungshandlung des Schädigers voraus.

Ja!

Für einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB ist erforderlich (1) eine Rechtsgutsverletzung beim Anspruchssteller, (2) die durch eine Verletzungshandlung des Anspruchsgegners, (3) kausal, (4) rechtswidrig und (5) schuldhaft verursacht wurde, wodurch (6) ein kausaler Schaden entstanden ist. Eine vertragliche Beziehung ist nicht erforderlich. Deliktische Ansprüche aus § 823ff. BGB sind neben gegebenenfalls bestehenden vertraglichen Schadensersatzansprüchen weiterhin anwendbar.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Saendrou

Saendrou

19.12.2020, 19:46:24

Die Formulierung, das 823 eine "

Verletzungshandlung

" voraussetzt finde ich hier unglücklich, denn auch ein Unterlassen kann eine Haftung nach 823 begründen. Außerdem wir anschließend im Erklärtext nicht mehr auf diese

Verletzungshandlung

eingegangen sondern nur noch von einem Verhalten gesprochen, das würde ich noch präzisieren damit man auch einen besseren Lerneeffekt hat. Danke und weiter so!

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

12.11.2021, 18:29:28

Vielen Dank für den Hinweis, Saendrou. Wir haben den Antworttext nunmehr angeglichen :-). Da der Begriff "

Verletzungshandlung

" auch in der juristischen Ausbildungsliteratur als Oberbegriff für Tun und Unterlassen gebräuchlich ist (vgl. Brox/Walker, Schuldrecht BT, § 44 RdNr. 3) und in der zweiten Frage auch nochmal erläutert wird, dass sowohl Tun, als auch Unterlassen darunter zu subsumieren ist, verwenden wir den Begriff "

Verletzungshandlung

" als Oberbegriff weiter. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

DO

Dominic

15.7.2023, 16:03:07

Die Erläuterung zum Unterlassen wird aktuell nicht direkt bei dieser Frage, sondern bei der anderen Frage aus dieser Einheit angezeigt. Vielleicht sollte sie direkt bei der Frage, ob die Verletzung eine

Verletzungshandlung

voraussetzt, angezeigt werden

ri

ri

23.7.2021, 17:53:16

Wenn ich mich richtig erinnere, wird im Strafrecht unterschieden zwischen Reflexen (zB Kniereflex) und antrainierten Reflexen zB Herumreißen des Steuers. Kann man diese Differenzierung auf das Zivilrecht übertragen oder nicht? Ich hätte einen „reflexartigen“ Griff als antrainierte Spontanhandlung eingestuft.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

22.12.2021, 13:14:03

Hallo ri, in der Tat unterscheidet der BGH im Zivilrecht weniger nach Reflexen und antrainierten Reflexen, als vielmehr nach dem Erscheinungsbild. Dieses ist maßgeblich für die Verteilung der Beweislast und damit letztlich für den Prozessausgang. So soll der Geschädigte beweisen müssen, dass der Schädiger eigenständig gehandelt hat, wenn bereits nach dem äußeren Erscheinungsbild ein eigenständiges Verhalten des Täters in Frage steht (vgl. BGH NJW 1987, 121). Da ihm dies regelmäßig nicht gelingen wird, ist der Anspruch abzuweisen. Anders soll dies dagegen sein, wenn von außen nicht erkennbar ist, dass der Handelnde nicht Herr seiner Sinne ist (zB Bewusstlosigkeit des Autofahrers, BGH NJW 1987, 121). In dem Fall mit dem Herumreißen des Steuers läge also auch zivilrechtlich wohl die Beweislast beim Schädiger, weswegen im ergebnis wohl eine Handlung zu bejahen ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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