Beschlagnahmeverbot § 148 StPO

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Bei der Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten B wird ein Brief seiner Verteidigerin V gefunden. Dieses Schreiben hat V an B zum Zwecke dessen Verteidigung gesandt. Das Schreiben wird beschlagnahmt.

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Einordnung des Falls

Beschlagnahmeverbot § 148 StPO

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Beschlagnahme des Schreibens ist rechtswidrig, wenn ein Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO besteht.

Genau, so ist das!

Die Zulässigkeit der Beschlagnahme von Beweismitteln richtet sich nach §§ 94 ff., 98 StPO. Die Beschlagnahme ist danach nur zulässig, wenn (1) der Gegenstand eine potentielle Beweisbedeutung für die konkrete Untersuchung hat (§ 94 Abs. 1 StPO), (2) die Beschlagnahme verhältnismäßig ist, (3) kein Beschlagnahmeverbot besteht (§ 97 StPO) und (4) eine Anordnung der Beschlagnahme (§ 98 StPO) vorliegt.
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2. Grundsätzlich dürfen schriftliche Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und zeugnisverweigerungsberechtigten Personen nicht beschlagnahmt werden (§ 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO).

Ja, in der Tat!

Nach § 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO unterliegen schriftliche Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und den Personen, die nach § 52 StPO oder § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3b StPO das Zeugnis verweigern dürfen, nicht der Beschlagnahme (=Beschlagnahmeverbot).

3. Da V als Verteidigerin zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist, unterliegt der Brief nach dem Wortlaut des § 97 StPO einem Beschlagnahmeverbot.

Nein!

Ein Beschlagnahmeverbot nach § 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO setzt voraus, dass (1) es sich um eine schriftliche Mitteilung (2)zwischen dem Beschuldigten und einer zur Zeugnisverweigerung berechtigten Person handelt. Nach § 97 Abs. 2 S. 1 StPO ist darüber hinaus zusätzlich b>erforderlich, dass sich der Gegenstand, also die Mitteilung, im Gewahrsam des zur Zeugnisverweigerung Berechtigten befindet, § 97 Abs. 2 S. 1 StPO. Als Verteidigerin ist V zur Zeugnisverweigerung berechtigt (§ 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StPO). Der Brief stellt auch eine schriftliche Mitteilung dar. Allerdings befand sich das Schreiben entgegen der Voraussetzung des § 97 Abs. 2 S. 1 StPO nicht im Gewahrsam des Verteidigers, sondern des Beschuldigten.

4. Dieses Ergebnis widerspricht allerdings dem Grundsatz der ungehinderten Kommunikation zwischen Verteidiger und Beschuldigtem (§ 148 Abs. 1 StPO). Daher ist ausnahmsweise unabhängig von der Gewahrsamsinhaberschaft ein Beschlagnahmeverbot anzunehmen.

Genau, so ist das!

§ 97 Abs. 2 S. 1 StPO wird durch § 148 Abs. 1 StPO modifiziert. § 148 Abs. 1 StPO garantiert die ungehinderte, geheime und unüberwachte Kommunikation sowie Schriftverkehr zwischen Verteidiger und Beschuldigtem. Dieser Schutz darf nicht ausgehebelt werden. Daher sind schriftliche Mitteilungen zwischen Verteidiger und Beschuldigtem auch dann von der Beschlagnahme ausgeschlossen, wenn sie sich im Gewahrsam des Beschuldigten befinden.Ungeachtet dessen, dass sich das Schreiben im Gewahrsam des B befand, besteht somit ein Beschlagnahmeverbot nach §§ 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 148 Abs. 1 StPO. Folglich darf das Schreiben im Prozess nicht als Beweismittel verwertet werden.Merke: Unterlagen, die der Beschuldigte erkennbar zum Zwecke seiner Verteidigung erstellt hat, sind grundsätzlich beschlagnahmefrei.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

HME

Hilfloser Melancholiker

2.11.2023, 10:59:39

Liebes Jurafuchs-Team, warum ergibt sich der Verstoß schon aus §

148 StPO

und nicht erst aus § 160a I 1 StPO? Dort ist ja gerade von Maßnahmen, die sich gegen einen Rechtsanwalt richten, die Rede...

FI

Fischerino

6.12.2023, 12:22:47

§

148 StPO

ist dahingehend vorrangig (BeckOK § 160a Rn. 5)

HME

Hilfloser Melancholiker

10.12.2023, 11:10:50

Danke! (:


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