Zivilrecht
Schuldrecht Allgemeiner Teil
Gläubiger- / Schuldnerwechsel
Voraussetzungen der Abtretung – Forderungsinhaberschaft des Zedenten
Voraussetzungen der Abtretung – Forderungsinhaberschaft des Zedenten
19. Mai 2025
16 Kommentare
4,8 ★ (15.192 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Schuldner S schuldet Gläubigerin G und Kredithai K jeweils €100. Da S noch eine Forderung in Höhe von €100 gegen Mieterin M zusteht, tritt er diese wirksam an G ab. Auch K will sein Geld. Deswegen tritt S die Forderung gegen M nochmals an K ab. Von der Abtretung an G erzählt er K nichts.
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Einordnung des Falls
Voraussetzungen der Abtretung – Forderungsinhaberschaft des Zedenten
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Haben K und S einen wirksamen Abtretungsvertrag geschlossen (§ 398 S. 1 BGB)?
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Besteht die Forderung gegen M?
Genau, so ist das!
3. War S bei Einigung mit K über die Abtretung noch Inhaber der Forderung gegen M?
Nein, das trifft nicht zu!
4. Da K von der vorherigen Abtretung an G nichts wusste, hat er die Kaufpreisforderung gegen M gutgläubig erworben.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Eichhörnchen I
5.4.2022, 12:51:03
Ich stehe etwas auf dem Schlauch 😵💫 Eingangs wird nach der Wirksamkeit des Abtretungsvertrages (Paragraf 398 Abs. 1) gefragt und dies bejaht um im weiteren festzustellen, dass S überhaupt nicht mehr Inhaber der Forderung war (weil schon wirksam an G abgetreten). Wie kann der Abtretungsvertrag zwischen K und S dann wirksam sein? Es ist ja nicht nach der Wirksamkeit des
Kausalgeschäftes (Forderungskauf, Paragraf 453 Abs. 1 S. 1 Alt. 1) gefragt?

Eichhörnchen I
5.4.2022, 14:00:17
Ok, glaube hab es nun verstanden 😅 Abtretungsvertrag ist nur ein Bestandteil neben den anderen Voraussetzungen der Abtretung (zB Forderungsinhaberschaft). Vertrag als (bloße) Einigung nur unwirksam zB bei Geschäftsunfähigkeit.
Lorenz
30.10.2024, 15:02:06
Finde es aber auch unglücklich, von einem Abtretungsvertrag zu sprechen. Ja, es liegt eine Einigung vor, aber Abtretungsvertrag habe ich noch nie gehört. Der Prüfungspunkt heißt ja auch Einigung und nicht Abtretungsvertrag.
Lt. Maverick
4.5.2025, 15:26:16
Man muss hier zwischen dem Verpflichtungs- und
Verfügungsgeschäftunterscheiden. Das Verpflichtungsgeschäft wäre im vorliegenden Fall das
Rechtsgeschäftaus dem die Gläubiger (G und K) jeweils ihren Anspruch iHv 100€ gegen S ableiten. Die Abtretung könnte dann z.B. an
Erfüllungstatt (§ 364 I BGB) erfolgen. Würde jetzt bspw. K einen
Anspruch auf Abtretungaus dem
Kausalgeschäfterheben, dann würde gemäß §
§ 311a, 275 I BGB der Anspruch subjektiv unmöglich sein, indem bereits G Inhaber der Forderung geworden ist und diese wohl kaum an S zurückabtreten würde. Auch eine Unwirksamkeit des
schuldrechtlichen
Kausalgeschäfts ist unbeachtlich. Denn jetzt kommt das Trennungs- und Abstraktionsprinzip zum Tragen: Das
Verfügungsgeschäftselbst ist die Abtretung. Dieses muss man sich wie das
Verfügungsgeschäftim Sachenrecht vorstellen. Unabhängig davon, ob ein Anspruch auf die Forderung besteht bzw. das Verpflichtungsgeschäft selbst unwirksam ist, kann grundsätzlich das
Verfügungsgeschäftfür sich allein wirksam sein. Der Abtretungsvertrag, also die Einigung über den Übergang der Forderung, ist problemlos möglich. Schließlich kann auch ein Nichtberechtigter im Sachenrecht wirksam eine
dingliche Einigungserklärung abgeben. Auch besteht die Forderung (der Gläubigerwechsel ändert nichts am Bestehen oder der Wirksamkeit der Forderung) und diese ist auch hinreichend bestimmt. Das Problem stellt sich jetzt auf Ebene der Berechtigung. S ist Nichtberechtigter, denn Forderungsinhaber ist nunmehr G nach wirksamer Abtretung.

CR7
25.2.2023, 16:06:49

Nora Mommsen
26.2.2023, 12:41:50
Hallo A.F., das ist eine gute Frage, die grundlegend dafür ist den gutgläubigen Erwerb auch im Sachenrecht zu verstehen. Der
Rechtsscheinhängt beim Erwerb von beweglichen Sachen am Besitz. Wer also Besitz an der Sache hat, darf unter gewissen Umständen berechtigterweise als Eigentümer gehalten werden vom gutgläubigen Erwerber. Bei Immobilien stützt sich der gute Glaube auf das Grundbuch. Denn das Grundbuch kann auch falsch sein, d.h. wer im Grundbuch steht es aber nicht ist, darf vom Erwerber berechtigterweise für den Eigentümer gehalten werden. Bei Forderungen gibt es weder ein öffentliches Register noch ein ähnliches Verhältnis wie beim Besitz, daher kann kein Rechtschein entstehen. Eine Ausnahme gibt es, diese regelt § 405 BGB. Wenn über eine Forderung eine Urkunde ausgestellt wird, kann diese einen Rechtschein begründen. Dies ist dann ähnlich zu werten, wie der Besitz an einer Sache. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Marcel13
16.11.2024, 14:50:10
Danke für die Frage und super Antwort @[Nora Mommsen](178057)! Ich habe von einer Antwort mehr über den gutgläubigen Erwerb gelernt als in einem Semester Vorlesung an der Uni. Du hast die systematischen Zusammenhänge wunderbar erklärt.

dilo mittendrin
21.1.2025, 17:40:36
Finde ich auch @[Marcel13](8452)! Ein Moment der Erleuchtung
Bienenschwarmvereinigung 🐝🐝🐝
14.7.2024, 16:01:40
Was kann K dann tun? Also hat er Ansprüche oder Rechte gegen G`?

Sebastian Schmitt
30.9.2024, 10:41:35
Hallo @[Bienenschwarmvereinigung 🐝🐝🐝](190386), wieso sollte K Ansprüche gegen G haben? G hat doch nichts falsch gemacht und K und G haben keinerlei geschäftlichen oder anderweitigen Kontakt gehabt, wissen im Zweifelsfall nicht einmal, dass es den jeweils anderen gibt. K muss sich vielmehr an seinen
Schuldner S wenden, weil S dem K nach wie vor 100 €
schuldet. Die zur
Erfüllungvereinbarte Abtretung der Forderung, die S gegen M hat, lief, wie gezeigt, gerade ins Leere. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team