§ 134 und Umgehungsgeschäfte

4. Juli 2025

17 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Wirtin W betreibt eine Kneipe in Köln. Ihre Gaststättenerlaubnis wird ihr aufgrund ihrer Alkoholsucht entzogen. W ist pfiffig und verkauft die Kneipe an ihren Freund F. F und W vereinbaren, dass W weiterhin Geschäftsführerin bleibt.

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Einordnung des Falls

§ 134 und Umgehungsgeschäfte

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Vereinbarung zwischen W und F stellt ein Umgehungsgeschäft dar.

Ja!

Ein Umgehungsgeschäft ist ein Rechtsgeschäft, das den vom Verbotsgesetz rechtlich missbilligten Erfolg auf einem Weg zu erreichen versucht, den der Wortlaut des Verbotsgesetzes nicht umfasst. W darf aufgrund der Alkoholsucht keine Kneipe betreiben (§ 15 GastG, § 4 GastG). Den Betrieb der Kneipe versucht sie dahingehend aufrecht zu erhalten, dass sie als Geschäftsführerin der Kneipe agiert. § 15 GastG verbietet nicht die Geschäftsführung. Das Verbot nach § 15 GastG und § 4 GastG wird dadurch umgangen.
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2. § 134 BGB umfasst auch Umgehungsgeschäfte.

Genau, so ist das!

Der Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes würde ansonsten nicht hinreichend berücksichtigt werden. Durch Auslegung der Verbotsnorm ist zu klären, ob ein Umgehungsgeschäft nichtig ist. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob sich das Verbotsgesetz nur gegen einen bestimmten Weg zur Erreichung des an sich zulässigen Erfolgs richtet oder ob der Erfolg selbst verboten ist. Im letzteren Fall sind auch Rechtsgeschäfte unwirksam, die den Erfolg auf einem Weg anstreben, den das Verbotsgesetz nicht erfasst. Eine Wirtin, die unter einer Alkoholsucht leidet, soll keine Kneipe betreiben. Dieses Ziel würde durch die Berufung der W als Geschäftsführerin torpediert werden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

QUIG

QuiGonTim

11.7.2022, 12:01:42

Nochmal zum Verständnis: Nichtig ist nur die Vereinbarung, W zur Geschäftsführerin zu machen. Der

Kaufvertrag

über die Kneipe sowie die entsprechende

Übereignung

sind wirksam. Richtig?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

21.7.2022, 18:06:42

Hallo QuiGonTim, genauso ist es! Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Dogu

Dogu

15.8.2024, 23:02:26

Vielleicht könnte das in der Aufgabe ergänzt werden?

FalkTG

FalkTG

23.9.2024, 10:04:07

Wieso ist hier der Vertrag nach § 134 BGB nichtig? Bei der Radar Entscheidung wurde hingegen für die Umgehung auf

§ 138 BGB

abgestellt.

LELEE

Leo Lee

28.9.2024, 05:47:43

Hallo FalkTG, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat wurde bei der Radarentscheidung auf 138 abgestellt und nicht wie hier auf 134. Dies ist allerdings der Tatsache ge

schuld

et, dass der dortige Fall anders gelagert war. Denn da gab es KEIN Gesetz, was nach 134 BGB ein Verbotsgesetz darstellte. Denn die Nutzung des Geräts selbst ist erlaubt, nur ist der ERWERB gesetzlich untersagt. Und weil 134 für die Nutzung nicht griff, musste 138 als "Auffangklausel" herhalten. Hier hingegen gibt es gerade Gesetze, die das

Rechtsgeschäft

verbieten, weshalb wir nicht mehr auf den 138 rekurrieren müssen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

FTE

Findet Nemo Tenetur

6.3.2025, 22:02:13

Anschlussfrage: ist § 138 also grds. subsidiär zu § 134 oder wie verhalten die sich zueinander. Welchen sollte ich idR zuerst prüfen?

CO

cornelius.spans

10.5.2025, 17:44:05

Hi @[Findet

Nemo Tenetur

](254807), zu deiner Frage gibt es sogar eigene Fälle. § 134 BGB ist lex spec. zu § 138 I (!) BGB. Die Prüfungsreihenfolge wäre also dementsprechend: Erst § 134 BGB und dann ggf. als Auffangtatbestand § 138 I BGB. MfG

FTE

Findet Nemo Tenetur

12.5.2025, 14:05:28

Vielen Dank @[cornelius.spans](264551)!

BENED

Benedikt

14.10.2024, 15:00:50

Die Norm, die der Wirten den Betrieb der Gaststätte untersagt, sind doch (nach den vorherigen Ausführungen) kein Verbotsgesetz, sondern nur ein Ordnungsgesetz, oder verstehe ich das falsch? Mir fallen zumindest keine

Rechtsgeschäft

e ein, die deshalb nach 134 BGB nichtig wären. Falls das stimmt: Kann ein

Rechtsgeschäft

zur Umgehung von Ordungsgesetzen ebenfalls nach 134 BGB nichtig sein, oder ist ein Verbotsgesetz notwendig?

STE

Stella2244

21.3.2025, 15:43:24

das Frage ich mich auch

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

18.4.2025, 19:53:25

Hallo @Benedikt, hallo @[Stella2244](227540), in der Tat kann man auch in den die Erlaubnis betreffenden Regeln des GastG

Ordnungsvorschriften

sehen, durch die die Verträge mit den Endkunden (!) nicht unwirksam werden. Denn die Regeln des GastG richten sich nicht gegen privatrechtliche Verträge, sondern sollen eben die "Ordnung" aufrecht erhalten (Staudinger/Fischinger/Hengstberger, BGB, Neubearb 2024, § 134 Rn 326). Ich vermute, die Frage von Benedikt spielt vor diesem Hintergrund ua auf

diesen Fall

hier an: https://applink.jurafuchs.de/jaOLEGrMFSb. Unser Fall hier liegt allerdings schon deshalb anders, weil es nicht um Verträge mit den Kunden geht. Vielmehr geht es den Parteien gerade darum, die (nunmehr) fehlende Erlaubnis der W zu umgehen, indem F nur zum Schein als Gaststätteninhaber eingesetzt wird. Das soll eben ver

boten

und solche Verträge nach wohl allgM nach § 134 BGB nichtig sein. Bei Interesse an den Details: Staudinger/Fischinger/Hengstberger, BGB, Neubearb 2024, § 134 Rn 326 f; BeckOGK-BGB/Vossler, Stand 1.1.2025, § 134 Rn 204 f. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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