Strafrecht AT | Vorsatz | Das Wissen um die Tatbestandsverwirklichung, § 16 Abs. 1 S. 1 StGB (Sprengung eines Hauses)


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Sprengmeister S soll das leer stehende Kaufhaus in der Neuen Großen Bergstraße in Hamburg-Altona in die Luft sprengen. Als er damit loslegt, weiß er nicht, dass in der Nacht fünf politische Aktivisten das Gebäude "besetzt" haben, um gegen die Sprengung zu protestieren.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S hat den Tod der fünf Aktivisten durch die Sprengung des Gebäudes vorsätzlich herbeigeführt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Täter hat Vorsatz, wenn er mit dem Willen zur Verwirklichung des Tatbestands (voluntatives Element) in Kenntnis aller objektiven Tatumstände (kognitives Element) handelt. Nicht vorsätzlich handelt, wer „bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört“ (§ 16 Abs. 1 S. 1 StGB).S hatte keine Kenntnis davon, dass er bei der Sprengung Menschen töten würde. Er unterlag somit einem Tatbestandsirrtum (§ 16 Abs. 1 S. 1 StGB). Er hatte keinen Vorsatz bzgl. eines Totschlags (§ 212 StGB).

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Alexandra

Alexandra

27.6.2021, 11:10:44

Nur mal interessehalber: Wäre man bei der Prüfung nicht schon in der obj. Zurechnung rausgeflogen? Ist die kontrollierte Sprengung durch Profis nicht nützlich und ein erlaubtes Risiko?

VIC

Victor

29.6.2021, 15:59:43

Nein sehe ich nicht so. Eine kontrollierte Sprengung die zur Tötung von Menschen führt ist sehr wohl objektiv zurechenbar und kann strafrechtlich auch nur schwer gerechtfertigt sein. Es handelt sich hierbei um eine gefährliche Handlung, die das allgemeine Lebensrisiko übersteigt und erhebliches Gefahrenpotenzial birgt. Außerdem hätte eine Kontrolle stattfinden müssen. Außerdem betrachtet auf die Tötung ist die Sprengung nicht nützlich und erlaubtes Risiko. Bzgl. einer Sachbeschädigung vielleicht noch gerade so. Würde aber im Vergleich zum ärztlichen Eingriff auch eher über die Rechtfertigung gehen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

29.6.2021, 22:35:06

Hallo Alexandra, in der Tat eine interessante Frage. Du hast insofern natürlich recht, als wir im Rahmen der objektiven Zurechnung verschiedene Fallgruppen kennen, durch die wir den weiten Kausalitätszusammenhang etwas einzuhegen versuchen. Die Fallgruppe des "erlaubten Risikos" ist dabei indes sehr eng zu ziehen und umfasst zB die

Teilnahme am Straßenverkehr

. Es geht hier im Kern darum die allgemeine Handlungsfreiheit nicht über Gebühr durch das Strafrecht einzuschränken und insoweit gewisse Spielräume offen zu lassen. Wie Victor hier aber zurecht einwirft, ginge es in diesem Fall aufgrund des Gefahrenpotentials zu weit, schon im Rahmen der objektiven Zurechnung mit dem Argument des "erlaubten Risikos" die Zurechnung zu verneinen. Zudem stellt sich hier grundsätzlich auch noch die Frage, ob nicht auch eine fahrlässige Tötung in Betracht kommt. Hierfür bräuchte es vorliegend aber noch weiterer Anhaltspunkte im Sachverhalt (zB welche Sicherheitsmaßnahmen ergriffen wurden, um ein unbefugtes Betreten zu verhindern). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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