Zivilrecht

Kaufrecht

Nacherfüllung

Ersatz der Einbaukosten der mangelfreien Sache

Ersatz der Einbaukosten der mangelfreien Sache

14. Januar 2025

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Neues Kaufrecht 2022

Senior-Partner P kauft bei Fliesenfachmann F 50 Fliesen, um diese in der Kanzleiküche verlegen zu lassen. Nach dem Verlegen stellt sich heraus, dass die Fliesen Materialfehler aufweisen. F liefert 50 neue Fliesen nach. P reißt die Fliesen persönlich raus, ist aber so viel körperliche Arbeit nicht gewohnt und beauftragt für €500 einen Handwerker mit der Neuverlegung.

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Einordnung des Falls

Ersatz der Einbaukosten der mangelfreien Sache

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ist die Kaufsache bei Gefahrübergang mangelhaft, kann der Käufer Nacherfüllung verlangen (§§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB).

Ja!

Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer nach § 439 BGB Nacherfüllung verlangen (§ 437 Nr. 1 BGB). Er kann dabei als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels (Nachbesserung) oder die Lieferung einer mangelfreien Sache (Nachlieferung) verlangen (§ 439 Abs. 1 BGB). An eine einmal getroffene Wahl ist der Käufer nach hM bis zur Vornahme der Nacherfüllung grundsätzlich nicht gebunden (Grenze: § 242 BGB). Der Käufer muss bei der Geltendmachung des Nacherfüllungsverlangen anbieten, dem Verkäufer am Erfüllungsort eine Untersuchung der erhobenen Mängelrügen zu ermöglichen.
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2. F muss die Verlegungskosten ersetzen, weil P einen Nacherfüllungsanspruch hat (§ 439 Abs. 3 BGB).

Genau, so ist das!

Hat der Käufer eine mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht, so ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer im Rahmen der Nacherfüllung die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen (§ 439 Abs. 3 BGB). Der Anspruch setzt kein Verschulden voraus. Unter die Regelung fällt dabei nicht nur der Einbau von Fliesen, sondern auch vergleichbare Vorgänge wie das Anbringen von Baumaterialien (Dachrinnen, Farben, Lacke etc.). P hat mangelhafte Fliesen anbringen lassen.

3. F hätte stattdessen auch darauf bestehen können, dass er die Fliesen selber verlegt, weil dies für ihn günstiger gewesen wäre.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Verkäufer hat nach allgemeiner Ansicht kein Wahlrecht. Er kann also nicht entscheiden, ob er die Sache selbst einbaut oder die Kosten dafür trägt. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut, der ein solches Wahlrecht nicht vorsieht. Im Übrigen war im Regierungsentwurf zur Kaufrechtsreform noch ein solches Wahlrecht vorgesehen, das jedoch dann ersatzlos gestrichen worden ist.

4. P hätte einen Vorschuss für die Einbaukosten verlangen können (§ 439 Abs. 2 BGB).

Nein!

Der Kostenvorschussanspruch aus § 439 Abs. 2 ist auf die eigentliche Nacherfüllung (§ 439 Abs. 1 BGB) beschränkt. Ein Kostenvorschuss für Ein- und Ausbaukosten ist nur im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufs vorgesehen (§ 475 Abs. 4 BGB). Da P die Fliesen als Unternehmer (§ 14 BGB) für die Kanzleiküche kaufte, liegt kein Verbrauchsgüterkauf vor (§ 474 Abs. 1 S. 1 BGB).§ 475 Abs. 4 BGB n.F. entspricht § 475 Abs. 6 BGB a.F.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

12.11.2021, 19:32:54

Wo ist denn in

§ 439 II BGB

ein Kostenvorschussanspruch herauszulesen?

Tigerwitsch

Tigerwitsch

14.11.2021, 00:52:51

Maßgeblich ist der

Schutzzweck

des sog.

Unentgeltlichkeit

sgebots, wofür insbesondere

§ 439 II BGB

als eigenständige AGL steht. Hintergrund ist, dass nach der

Verbrauchsgüterkauf

richtlinie die Nacherfüllung unentgeltlich erfolgen soll. Um dies zu gewährleisten, hat der Verkäufer im Falle einer unklaren Mängelursache das Kostenrisiko für die Untersuchung zu tragen. Insoweit kann etwa der Käufer einen Transportkostenvorschuss verlangen. Mit anderen Worten soll der Käufer von eventuellen finanziellen Belastungen geschützt werden, die ihn u.U. davon abhalten könnten, von seinem Gewährleistungsrecht Gebrauch zu machen. Entstehende Transportkosten können etwa einen solchen Hinderungsgrund darstellen. Der Verbraucher/Käufer muss daher auch nicht erst umständlich einen Kostenvorschuss gerichtlich durchsetzen, sondern kann sich direkt auf

§ 439 II BGB

berufen: Dafür spricht schließlich, dass die Nacherfüllung in einer bestimmten, angemessenen Frist zu erfolgen hat: Ein langer Rechtsstreit über Kosten liefe dem zuwider. Siehe dazu insbesondere BGH, U. v. 19.07.2017 - AZ.: VIII ZR 278/16.

Tigerwitsch

Tigerwitsch

14.11.2021, 00:59:11

Der BGH (a.a.O.) führt u. a. aus: „Die Kostentragungsregelung des

§ 439 Abs. 2 BGB

begründet in Fällen, in denen eine Nacherfüllung die Verbringung der Kaufsache an einen entfernt liegenden

Nacherfüllungsort

erfordert und bei dem Käufer deshalb Transportkosten zwecks Überführung an diesen Ort anfallen, bei einem

Verbrauchsgüterkauf

nicht nur einen Erstattungsanspruch gegen den Verkäufer; der Käufer kann nach dem

Schutzzweck

der von Art. 3 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 der

Verbrauchsgüterkauf

richtlinie geforderten

Unentgeltlichkeit

der Nacherfüllung vielmehr grundsätzlich schon vorab einen (abrechenbaren) Vorschuss zur Abdeckung dieser Kosten beanspruchen, auch wenn das Vorliegen des geltend gemachten Mangels noch ungeklärt ist. […] Denn die dem Verkäufer auferlegte Verpflichtung, die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands der Kaufsache unentgeltlich zu bewirken, soll – wie auch schon der Gerichtshof in seinem Urteil vom 17.

Apr

il 2008 (C-404/06, aaO Rn.

34

– Quelle) hervorgehoben hat – den Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastungen schützen, die ihn in Ermangelung eines solchen Schutzes davon abhalten könnten, solche Ansprüche geltend zu machen. […] [Die Vorschrift bringt] auch zum Ausdruck, dass dem Verkäufer in Fällen, in denen sich die vom Käufer erhobene Mängelrüge als berechtigt erweist, zugleich das mit der Klärung einer unklaren Mängelursache verbundene Kostenrisiko zugewiesen ist. An diesem Risiko hat der Käufer grundsätzlich keinen Anteil, insbesondere nicht in der Weise, dass er zunächst einmal mit den für die Mängelklärung anfallenden Aufwendungen in Vorlage treten müsste. Denn dies würde nicht nur mit dem über

§ 439 Abs. 2 BGB

umgesetzten

Unentgeltlichkeit

sgebot aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 der

Verbrauchsgüterkauf

richtlinie kollidieren. Ein solches Erfordernis, die Kosten zunächst selbst vorzulegen, ist vielmehr bei Verbrauchsgüterkäufen auch grundsätzlich geeignet, den Käufer angesichts der damit einhergehenden Belastungen und Unsicherheiten über eine spätere Erstattung von einer (effektiven) Geltendmachung seiner Ansprüche abzuhalten. […] Sie sollten der Klägerin vielmehr genauso wie das Risiko erspart bleiben, einen Vorschussanspruch gerichtlich durchsetzen zu müssen. Zudem würde dies – dem Zweck der Vorschusspflicht zuwider – in aller Regel zugleich mit dem in Art. 3 Abs. 3 Satz 3 der

Verbrauchsgüterkauf

richtlinie aufgestellten Gebot einer Nacherfüllung innerhalb einer angemessenen Frist kollidieren, für deren Lauf entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bereits auf die Stellung eines tauglichen Nacherfüllungsbeg

ehre

ns abzustellen wäre.“

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

14.11.2021, 01:07:27

@Tigerwitsch: Vielen Dank für diese ausführliche Antwort! 🙏

N00B

n00b

5.12.2022, 03:16:59

Kann man sagen, dass L Recht hat und "Richterrecht" vorliegt? An anderen Stellen im BGB wird ein Kostenvorschuss explizit geregelt.

Marleen_

Marleen_

12.2.2023, 11:34:46

Handelt es sich hierbei nicht um einen Werkvertrag, sodass der F letztendlich das Wahlrecht der Nacherfüllung innehat?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

13.2.2023, 12:12:12

Hallo Marleen, ausweislich des Sachverhalts verkauft F lediglich die Fliesen, sodass es sich um einen Kaufvertrag handelt. Bestand die geschuldete Leistung auch im Einbau, so müsste man nach dem Schwerpunkt abgrenzen, ob ein Kaufvertrag mit Montageverpflichtung oder ein Werkvertrag vorliegt. Dies ist letztlich immer eine

Einzelfall

entscheidung (vgl. zum Einbau einer Küche: BGH Urt. vom 19. Juli 2018 – VII ZR 19/18 = ZfBR 2018, 775). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Marleen_

Marleen_

13.2.2023, 12:19:36

Ah verstehe, danke :)

MenschlicherBriefkasten

MenschlicherBriefkasten

21.11.2024, 12:24:21

Könnte es dann nicht auch ein

Werklieferungsvertrag

sein?

KLE

kleinerPadawan

6.3.2023, 13:47:38

Kann man als Argument dafür, dass die Kostenvorschusspflicht des

§ 439 II BGB

sich bei Unternehmergeschäften nur auf die Nacherfüllung iSd §439 I BGB bezieht, einfach einen Umkehrschluss aus § 475 IV heranziehen, da dieser dies explizit nur für den

Verbrauchsgüterkauf

vorsieht?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

7.3.2023, 14:46:18

Hallo denismact89, in der Tat kannst Du hier mit der Systematik des Gesetzes argumentieren. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber den Vorschussanspruch explizit nur bei Verbrauchsgüterkäufen normiert hat, folgt umgekehrt, dass im allgemeinen Kaufrecht ein solcher gerade nicht vorgesehen ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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