Zivilrecht

Kaufrecht

Nacherfüllung

§ 439 Abs. 4 BGB – Relative Unverhältnismäßigkeit

§ 439 Abs. 4 BGB – Relative Unverhältnismäßigkeit

13. Februar 2025

12 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem
Neues Kaufrecht 2022

Anwältin A kauft bei Handyhändler H für ihre selbstständige berufliche Tätigkeit ein neues iPad Pro für €1.500. Als nach einem Monat einer der Lautstärkeregler abfällt, verlangt sie von H Lieferung eines neuen iPads (Kosten: €500). H verweigert dies und will lieber das iPad reparieren (Kosten: €5).

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Einordnung des Falls

§ 439 Abs. 4 BGB – Relative Unverhältnismäßigkeit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ist die Kaufsache bei Gefahrübergang mangelhaft, kann der Käufer Nacherfüllung verlangen (§§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB).

Ja!

Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer nach § 439 BGB Nacherfüllung verlangen (§ 437 Nr. 1 BGB). Er kann dabei als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels (Nachbesserung) oder die Lieferung einer mangelfreien Sache (Nachlieferung) verlangen (§ 439 Abs. 1 BGB). An eine einmal getroffene Wahl ist der Käufer nach hM bis zur Vornahme der Nacherfüllung grundsätzlich nicht gebunden (Grenze: § 242 BGB). Der Käufer muss bei der Geltendmachung des Nacherfüllungsverlangens anbieten, dem Verkäufer am Erfüllungsort eine Untersuchung der erhobenen Mängelrügen zu ermöglichen (seit 1.1.2022 in § 439 Abs. 5 BGB kodifiziert).
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2. Der Verkäufer könnte die Nachlieferung verweigern, wenn diese nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich wäre (§ 439 Abs. 4 BGB).

Genau, so ist das!

Der Verkäufer kann über die Fälle der §§ 275 Abs. 2, 3 BGB hinaus die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung verweigern, wenn sie nur unter unverhältnismäßigen Kosten möglich ist (§ 439 Abs. 4 S. 1 BGB). Ebenso wie bei § 275 Abs. 2 und 3 und handelt es sich um eine Einrede, auf die sich der Verkäufer berufen kann, aber nicht muss. § 439 Abs. 4 erfasst zwei Varianten: (1) Unverhältnismäßigkeit der gewählten Nacherfüllungsart im Vergleich mit der anderen Art der Nacherfüllung, wodurch der Verkäufer nur die andere Art vornehmen muss (relative Unverhältnismäßigkeit) und (2) Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung insgesamt im Vergleich mit dem Interesse des Käufers an der Nacherfüllung, wodurch die Nacherfüllung insgesamt verweigert werden kann (absolute Unverhältnismäßigkeit).

3. Die Nachlieferung ist hier relativ unverhältnismäßig.

Ja, in der Tat!

Ob relative Unverhältnismäßigkeit vorliegt, ist aufgrund eines Vergleichs der beiden Arten der Nacherfüllung festzustellen. Dabei ist abzuwägen zwischen dem Interesse des Verkäufers an der Minimierung seiner Kosten und dem Interesse des Käufers, gerade die gewählte (und nicht die andere) Art der Nacherfüllung zu erhalten. Zentrales Abwägungselement sind die Kosten, die die beiden Formen der Nacherfüllung dem Verkäufer verursachen. Relativ unverhältnismäßig kann immer nur eine der beiden Arten der Nacherfüllung sein, nämlich diejenige, die dem Verkäufer höhere Kosten verursacht als die andere. Ist eine Art der Nacherfüllung wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen, stellt sich die Frage der relativen Unverhältnismäßigkeit nicht. Hier sind die Kosten einer Nachlieferung um ein Vielfaches höher, sodass V diese wegen relativer Unverhältnismäßigkeit verweigern kann.
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