Abwandlung

16. April 2025

11 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Das Kind K fährt unter Aufsicht seiner Mutter M und seines Vaters V mit seinem neuen Fahrrad. K stürzt und schürft sich das Knie auf. Die Wunde ist tief und verursacht starke Schmerzen. M will K helfen, wird aber von V abgehalten, der meint, K müsste abgehärtet werden.

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Einordnung des Falls

Abwandlung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem V die M davon abhält, K zu helfen, hat er K körperlich misshandelt (§ 223 Abs. 1 Var. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Eine körperliche Misshandlung kann auch durch Unterlassen begangen werden, wenn die Voraussetzungen des § 13 StGB erfüllt sind, d.h. der Täter eine Garantenstellung gegenüber dem Opfer hat. Der Täter ist dann strafbar wegen Körperverletzung durch Unterlassen (§§ 223 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB). V ist gegenüber seinem Kind Garant (§§ 1626, 1629 BGB). K hatte eine stark schmerzende Wunde, seine körperliche Unversehrtheit ist nicht nur unerheblich beeinträchtigt (körperliche Misshandlung). Nicht nur hat V dem K nicht geholfen, also garantenpflichtwidrig unterlassen, sondern sogar M daran gehindert, sich um K zu kümmern. Seine Handlung stellt somit sogar eine aktive körperliche Misshandlung dar (§ 223 Abs. 1 Var. 1 StGB).
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2. Indem V die M davon abhält, K zu helfen, hat er K an der Gesundheit geschädigt (§ 223 Abs. 1 Var. 2 StGB).

Ja, in der Tat!

Eine Gesundheitsschädigung ist das Hervorrufen oder Steigern eines nicht nur unerheblichen krankhaften (= pathologischen) Zustandes. Krankhaft ist der vom Normalzustand der körperlichen Funktionen nachteilig abweichende Zustand. Die Schürfwunde ist ein pathologischer Zustand. V hat diesen Zustand zumindest aufrechterhalten, indem er die Wundversorgung garantenpflichtwidrig unterlassen und die M daran gehindert hat, K zu helfen. Das Unterlassen der Wundversorgung wird mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass sich die Wunde entzündet – in diesem Fall wäre auch an ein Steigern des pathologischen Zustands zu denken.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Juraddicted

Juraddicted

16.9.2024, 16:10:44

Ist das „Unterlassen der Wundversorgung durch die Mutter“ auch ein Unterlassen des Vaters oder ein

aktives Tun

? 🙈 danke 😊

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

16.9.2024, 16:41:17

Hey @[Juraddicted](96780), hier wird an ein

aktives Tun

des Vaters, nämlich das Abhalten der Mutter von der Wundversorgung, abgestellt, nicht auf das Unterlassen der Mutter. Der Vater selbst wäre auch verpflichtet gewesen, zu helfen, womit also gleichzeitig auch eine Strafbarkeit wegen des Unterlassens der Versorgung durch den Vaters in Betracht käme. Der

Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit

liegt hier aber wohl darin, dass der Vater aktiv die zum helfen bereite Mutter von ihrer Hilfe abhält. Somit ist Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit vor allem das aktive Tun. Das „Unterlassen“ der Mutter begründet keine Strafbarkeit der Mutter, da diese zwar eine Garantenpflicht gegenüber dem Sohn hat, diese aber im konkreten Fall nicht wahrnehmen kann, weil es für sie physisch unmöglich ist. Ich hoffe, ich konnte dir damit weiterhelfen. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team

Juraddicted

Juraddicted

16.9.2024, 17:18:36

Vielen lieben Dank für Deine schnelle und ausführliche Antwort! Damit hat sich das für mich sehr verständlich geklärt 😊 Liebe Grüße!

AME

Amelie7

30.10.2024, 14:14:44

Ich hätte aus der Aufgabe jetzt nicht herausgelesen, dass die Hilfe für die Mutter physisch unmöglich ist, sondern eher so, dass V sie umgestimmt hat?

GALA

galapagosgarry

4.1.2025, 19:31:09

@[Amelie7](262107) Die Illustration gehört zur Aufgabe. Aus dieser wird klar ersichtlich, dass der Vater die Mutter körperlich aufgehalten hat.

HAR

HarvineSpecter

22.3.2025, 11:35:55

kann ich hier auch, wie bei sog. Retterfällen abgrenzen?: hat bereits eine sichere Rettungsmöglichkeit, das Opfer erreicht, so stellt das Abhalten hiervon ein

Aktives Tun

dar, während ein Unterlassen vorliegt, wenn sich der Täter Rettungsmittel vorbehält, sie also dem Retter nicht zur Verfügung stellt.

G0d0fMischief

G0d0fMischief

22.11.2024, 09:23:44

Könnte der V hier ggfs. aufgrund von § 1626 BGB gerechtfertigt sein, wenn man damit argumentiert, dass es ihm vorliegend um die geistige und seelische Entwicklung seines Kindes ging? Die Thematik ist denke ich besonders schwierig, da gerade autoritäre Erziehungsmethoden zunehmend in Kritik stehen. Jedoch finde ich es hier im Hinblick auf den Familienfrieden schwierig. Zumal dem V ja ein

Vorsatz

vorgeworfen werden kann und

Schuldausschließungsgründe

nicht ersichtlich sind.

GALA

galapagosgarry

4.1.2025, 19:33:52

Kein Erziehungsstil rechtfertigt, sein Kind vorsätzlich in starken Schmerzen zu lassen. Um den Familienfrieden oder ähnliches geht es in der Aufgabe nicht.

Niklas3461

Niklas3461

24.3.2025, 15:37:11

Moinsen, Kinder haben ein Recht auf Gewaltfreie Erziehung § 1631 II BGB.


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