Gift

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A schüttet der Antialkoholikerin B heimlich einen kleinen Schnaps in ihre Cola. B leidet deshalb eine Stunde lang unter leichter Übelkeit.

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Einordnung des Falls

Gift

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem A der B einen Schnaps in ihre Cola schüttet, hat er sie "an der Gesundheit geschädigt" (§ 223 Abs. 1 Var. 2 StGB).

Genau, so ist das!

Eine Gesundheitsschädigung ist das Hervorrufen oder Steigern eines nicht nur unerheblichen krankhaften (= pathologischen) Zustandes. Krankhaft ist der vom Normalzustand der körperlichen Funktionen nachteilig abweichende Zustand. B ist wegen des Schnaps eine Stunde lang übel. A hat somit einen nicht nur unerheblichen vom Normalzustand der körperlichen Funktionen des Opfers nachteilig abweichenden (pathologischen) Zustand hervorgerufen und die B an der Gesundheit geschädigt (§ 223 Abs. 1 Var. 2 StGB).
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2. Alkohol fällt unter den Begriff des "Giftes" (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

Gift meint jeden organischen oder anorganischen Stoff, der durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung die Gesundheit schädigen kann. Alkohol ist ein organischer, chemisch wirkender Stoff, der die Gesundheit schädigen kann und damit ein Gift.

3. Der von A eingeschüttete Schnaps ist ein "gesundheitsschädliches Gift" (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Giftbegriff wird weit verstanden. Zur Einschränkung muss das Gift auch gesundheitsschädlich sein, also unter den konkreten Bedingungen geeignet sein, die Gesundheit erheblich zu schädigen. Erhebliche Verletzungen müssen zwar nicht tatsächlich eingetreten sein. Nach h.M. muss die Substanz aber ihrer Art und dem konkreten Einsatz nach unter Berücksichtigung der Menge sowie der Opferkonstitution geeignet sein, erhebliche Beeinträchtigungen der Gesundheit herbeizuführen. Dabei kommt es maßgeblich auf die Dosierung an. Ein einziger Schnaps ist normalerweise nicht geeignet, die Gesundheit erheblich zu beeinträchtigen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Tigerwitsch

Tigerwitsch

17.2.2021, 22:00:27

Müsste man nicht u.U. den konkreten Einzelfall berücksichtigen? Also falls das Opfer etwa ein Kind ist, wäre ein kleines Glas Schnaps in der Cola wohl deutlich gesundheitsschädlicher als bei einem Erwachsenen. Oder kommt es bei Nr. 1 um die

abstrakte Gefahr

an? (also kleiner Schnaps grds. „okay“)

Marilena

Marilena

17.2.2021, 22:40:42

Danke Dir für die Nachfrage, Tigerwitch! Genau, um die Gesundheitsschädlichkeit des Giftes zu beurteilen, muss man den konkreten Fall betrachten, insbesondere die Menge und die Opferkonstitution. Das haben wir auch im letzten Hinweistext aufgeführt. Bei einem kleinen Kind ist das anders zu beurteilen.

NIC

Nickname

29.1.2023, 13:59:47

Ist es hier nicht etwas widersprüchlich, im Rahmen des Taterfolgs eine

Gesundheitsschädigung

zu bejahen und dann aber bei § 224 I Nr. 1 das Merkmal „Gesundheitsschädlich“ zu verneinen? Oder geht es dabei wirklich nur isoliert um die Einschränkung des Merkmals „Gifts“ aufgrund des erhöhten Strafrahmens?

Constanze.Jauch

Constanze.Jauch

18.4.2023, 12:08:40

Genau. Als Indiz für einen „gesundheitsschädlichen“ Stoff zählt die Dosierung, die Auswirkung auf das jeweilige Opfer. Und wie du es selber schon sagst. Die Einschränkung bedarf es, weil das Kriterium des Giftes weit gefasst ist und eine gewisse Einschränkung aufgrund des Strafrahmens vorhanden sein muss. Sonst wäre der § 224 ABS. 1 Nr. 1 grenzenlos.

DIAA

Diaa

27.8.2023, 15:04:41

Dann würde ich mich bereits in der Frage auf die Dosierung und nicht allg. auf den von A geschütteten Stoff beziehen, denn Schnaps an sich ist ein alkoholisches Getränk und somit vom Begriff des Giftes umfasst.

Alicia Helena

Alicia Helena

24.11.2023, 21:30:30

wie wäre der Fall zu beurteilen, wenn O Alkoholiker wäre? in der Erklärung steht ja, dass auf die konkrete Opferkonstitution Rücksicht zu nehmen ist.

LELEE

Leo Lee

26.11.2023, 08:46:03

Hallo Alicia Helena, das ist eine sehr gute Frage! Da konkret auf die Opferkonsitution abzustellen ist, kommt es bei „Gift“ in der Tat auch auf die Menge im konkreten Fall an D.h., dass es sehr gut vertretbar ist zu sagen, dass bei einem „trainierten“ Trinker oder Alkoholiker ein kleiner Schnaps nicht giftig sein wird. Hierzu kann ich die Lektüre von Fischer StGB 70. Auflage, § 224 Rn. 4 empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

AS

as.mzkw

5.10.2024, 17:10:02

@[Leo Lee](213375) Bei einem „trockenen Alkoholiker“, also einerrvon Alkohol abstinent lebenden Person kann ein „kleiner“ Schnaps durchaus giftig sein, einen Rückfall auslösen und diesen somit durchaus erheblich an der Gesundheit schädigen, sodass § 224 I Nr. 1 Alt. 1 StGB definitiv erfüllt sein könnte. Ggf. stellen sich dann aber im STB Probleme, wenn der Täter keine Kenntnis von der Abhängigkeitserkrankung des Opfers hat, sodass ggf. der Vorsatz hinsichtlich der Qualifikation entfällt, jedenfalls wenn man es als atypischen Kausalverlauf einstuft.

chris.bghs

chris.bghs

6.1.2024, 16:02:22

Wie müsste man den Sachverhalt bewerten, wenn das Tatopfer Alkoholiker auf Entzug ist? Das Tatopfer möchte also rein subjektiv nicht mit Alkohol in Kontakt treten, durch die Handlung des Täters wird es aber wieder an Alkohol herangeführt.

LELEE

Leo Lee

7.1.2024, 10:36:07

Hallo chris.bghs, vielen Dank für diese sehr gute Frage! Weil diese Var. Der gef. Körperverletzung darauf abstellt, dass im KONKRETEN Fall nach der Opferkonstitution eine schädigende Wirkung eintritt, kann man sehr gut vertreten, dass genau dies der Fall sein wird bei einem Alkoholiker (die bleibende Schäden o. schlimmer davontragn können, wenn sie wieder Alkohol zu sich nehmen nach einer längeren Auszeit) :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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