Öffentliches Recht

Grundrechte

Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG)

Sachlicher Schutzbereich: Allgemein zugängliche Quelle 1

Sachlicher Schutzbereich: Allgemein zugängliche Quelle 1

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Fernsehenthusiast F schaut leidenschaftlich gern die populärwissenschaftliche Sendung "Got2know" G. Die amtierende Bundesregierung möchte ein gewisses Niveau der Fernsehbildung sichern und verbietet deshalb die Ausstrahlung der Show. G stoppt die Ausstrahlung.

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Einordnung des Falls

Sachlicher Schutzbereich: Allgemein zugängliche Quelle 1

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Merkmal "allgemein zugänglich" ist auslegungsbedürftig. Eine Auslegung lässt bereits die faktische Zugangsmöglichkeit genügen. Demnach wäre die Sendung nicht allgemein zugänglich

Ja, in der Tat!

Das Merkmal "allgemein zugängliche Quelle" in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG ist auslegungsbedürftig. Nach einer Ansicht ist hierfür auf die faktische Zugänglichkeit zur Informationsquelle abzustellen. Aufgrund des Verbots und des darauffolgenden Sendestopps besteht kein faktischer Zugang mehr. Die Sendung wäre demnach nicht mehr allgemein zugänglich.
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2. Demgegenüber fordert eine andere Ansicht, dass auf die Zweckbestimmung durch den Urheber abzustellen ist.

Ja!

Nach dieser Ansicht ist eine Informationsquelle allgemein zugänglich, wenn sie durch den Urheber dazu bestimmt ist. Dies wird dem abwehrrechtlichen Charakter der Informationsfreiheit gerecht, der aus Wortlaut und Systematik von Art. 5 Abs. 1 GG folgt. Würde man auf die faktische Zugänglichkeit abstellen, würde ein Anspruch gegen den Staat auf Zugänglichmachen der Informationen erwachsen. Diese Auslegung der Informationsfreiheit als Leistungsrecht ist jedoch aus historischen Gründen abzulehnen. Die Informationsfreiheit sollte die Beschränkung von Informationsquellen durch den Staat (Verbot von Feindsendern) verhindern.

3. Die Auslegung, die auf die faktische Zugänglichkeit abstellt, ist vorzugswürdig.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach der herrschenden Ansicht des BVerfG ist eine Informationsquelle allgemein zugänglich, wenn sie geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, also einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen (BVerfG, Urt. v. 24.01.2001 - 11 BvR 2623/95, 622/99). Abzustellen ist daher nicht auf die faktische Zugänglichkeit, sondern vielmehr auf die Zweckbestimmung durch den Urheber. Die systematischen und historischen Einwände (abwehrrechtlicher Charakter) der zweitgenannten Ansicht überzeugen. Die vom BVerfG vorgenommene Auslegung ist absolut herrschende Meinung. Die Diskussion sollte daher nur bei konkreten Anhaltspunkten im Sachverhalt geführt werden.

4. Vorliegend ist die G-Sendung nach herrschender Ansicht allgemein zugänglich.

Ja, in der Tat!

Eine Informationsquelle ist allgemein zugänglich, wenn sie geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, also einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen . Trotz des Verbots ist die G-Sendug auf eine unbestimmte Anzahl von Zuschauern gerichtet. Dem Fernsehsender kommt es gerade darauf an, möglichst viele Zuschauer zu erreichen. Ein staatliches Verbot hebt daher die allgemeine Zugänglichkeit einer Quelle nicht auf. Andernfalls würde die Informationsfreiheit ausgehöhlt, wenn der Staat das Schutzgut definieren könnte.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BI

Bilbo

29.12.2023, 12:54:43

Es erscheint mir, als wäre nun auf zweierlei Zeitpunkte hinsichtlich der Zugänglichkeit der Show abgestellt worden. Einerseits wird faktische Zugänglichkeit abgelehnt, da die Sendung nicht mehr ausgestrahlt wird (Zeitpunkt *nach* der potenziellen Verletzung des Grundrechts). Andererseits wird dann bei der Meinung des BVerfG, die bejaht wird, wird auf die Zweckbestimmung durch den Urheber abgestellt (Zeitpunkt *vor* der potenziellen Verletzung des Grundrechts). Aber dieser hat die Sendung doch selbst aus dem Programm genommen, mithin ist sie auch seiner (geänderten) Zweckbestimmung nach nicht (mehr) zugänglich. Oder geht es da um die hypothetische Zweckbestimmung bei nicht unterbrochener Ausstrahlung? Vielleicht kann mir hier jemand auf die Sprünge helfen. Danke!

Mephisto

Mephisto

3.1.2024, 12:14:38

Hallo Bilbo, Ich habe auch Störgefühle bei der Subsumtion von Jurafuchs unter die Ansicht der faktischen Zugänglichkeit. M.E. ist diese falsch, was m.E. auf den ungenauen Maßstab zurückzuführen ist. Zunächst ist richtig, dass die Auslegung des Merkmals der allgemeinen Zugänglichkeit umstritten ist. Eine Auslegung kommt zu dem Ergebnis, dass man darauf abstellen könnte, ob eine Quelle faktisch allgemein zugänglich ist, also ZUR ALLGEMEINEN UNTERRICHTUNG GEEIGNET ERSCHEINT, vgl. Epping, Rn.223a, 8. Auflage. Dieser letzte Maßstab, den Jurafuchs nicht berücksichtigt ist m.E. entscheidend. Im vorliegenden Sachverhalt wird beschrieben, dass die Sendung, die F gerne anschaut, „populärwissenschaftlich“ ist. Eine populärwissenschaftliche Sendung erscheint nicht zur allgemeinen Unterrichtung geeignet, weil diese u.a. komplexe Probleme zu sehr vereinfachen, vgl. Populismus. Deshalb wäre die Sendung faktisch nicht allgemein zugänglich. Ich hoffe das meine Recherche und meine Erklärung zutreffend ist. Anderenfalls gebietet es sich, dass Jurafuchs die Aufgabe nochmals überprüft und meine Ausführungen richtig stellt.

Mephisto

Mephisto

3.1.2024, 12:15:20

@[Lukas Mengestu](221887)

BI

Bilbo

4.1.2024, 10:04:19

@[Mephisto](110896) Danke für die Erläuterung deiner Sichtweise zum Thema. Schwammige Maßstäbe sind bedauerlicherweise das täglich Brot der Juristen, aber vielleicht bekommen wir noch eine Antwort, die unsere Bedenken zerstreuen kann. LG


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