Öffentliches Recht
Grundrechte
Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG)
Sachlicher Schutzbereich: Allgemein zugängliche Quelle 1
Sachlicher Schutzbereich: Allgemein zugängliche Quelle 1
24. Januar 2025
10 Kommentare
4,8 ★ (10.999 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Fernsehenthusiast F schaut leidenschaftlich gern die populärwissenschaftliche Sendung "Got2know" (G). Die amtierende Bundesregierung möchte ein gewisses Niveau der Fernsehbildung sichern und verbietet deshalb die Ausstrahlung der Show. Die Ausstrahlung der Sendung G wird daher von den Verantwortlichen gestoppt.
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Einordnung des Falls
Sachlicher Schutzbereich: Allgemein zugängliche Quelle 1
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Das Merkmal "allgemein zugänglich" ist auslegungsbedürftig. Würde man hierfür allein auf die faktische Zugangsmöglichkeit abstellen, wäre die Sendung schon nicht (mehr) nicht allgemein zugänglich.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Demgegenüber stellt die ganz h.M. auf die Zweckbestimmung durch den Urheber ab.
Ja!
3. Die Auslegung, die auf die faktische Zugänglichkeit abstellt, ist vorzugswürdig.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Vorliegend ist die G-Sendung nach herrschender Ansicht allgemein zugänglich.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Bilbo
29.12.2023, 12:54:43
Es erscheint mir, als wäre nun auf zweierlei Zeitpunkte hinsichtlich der Zugänglichkeit der Show abgestellt worden. Einerseits wird faktische Zugänglichkeit abgelehnt, da die Sendung nicht mehr ausgestrahlt wird (Zeitpunkt *nach* der potenziellen Verletzung des Grundrechts). Andererseits wird dann bei der Meinung des BVerfG, die bejaht wird, wird auf die Zweckbestimmung durch den Urheber abgestellt (Zeitpunkt *vor* der potenziellen Verletzung des Grundrechts). Aber dieser hat die Sendung doch selbst aus dem Programm genommen, mithin ist sie auch seiner (geänderten) Zweckbestimmung nach nicht (mehr) zugänglich. Oder geht es da um die hypothetische Zweckbestimmung bei nicht unterbrochener Ausstrahlung? Vielleicht kann mir hier jemand auf die Sprünge helfen. Danke!
Mephisto
3.1.2024, 12:14:38
Hallo Bilbo, Ich habe auch Störgefühle bei der Subsumtion von Jurafuchs unter die Ansicht der faktischen Zugänglichkeit. M.E. ist diese falsch, was m.E. auf den ungenauen Maßstab zurückzuführen ist. Zunächst ist richtig, dass die Auslegung des Merkmals der allgemeinen Zugänglichkeit umstritten ist. Eine Auslegung kommt zu dem Ergebnis, dass man darauf abstellen könnte, ob eine Quelle faktisch allgemein zugänglich ist, also ZUR ALLGEMEINEN UNTERRICHTUNG GEEIGNET ERSCHEINT, vgl. Epping, Rn.223a, 8. Auflage. Dieser letzte Maßstab, den Jurafuchs nicht berücksichtigt ist m.E. entscheidend. Im vorliegenden Sachverhalt wird beschrieben, dass die Sendung, die F gerne anschaut, „populärwissenschaftlich“ ist. Eine populärwissenschaftliche Sendung erscheint nicht zur allgemeinen Unterrichtung geeignet, weil diese u.a. komplexe Probleme zu sehr vereinfachen, vgl. Populismus. Deshalb wäre die Sendung faktisch nicht allgemein zugänglich. Ich hoffe das meine Recherche und meine Erklärung zutreffend ist. Anderenfalls gebietet es sich, dass Jurafuchs die Aufgabe nochmals überprüft und meine Ausführungen richtig stellt.
Mephisto
3.1.2024, 12:15:20
Bilbo
4.1.2024, 10:04:19
@[Mephisto](110896) Danke für die Erläuterung deiner Sichtweise zum Thema. Schwammige Maßstäbe sind bedauerlicherweise das täglich Brot der Juristen, aber vielleicht bekommen wir noch eine Antwort, die unsere Bedenken zerstreuen kann. LG
Sebastian Schmitt
27.12.2024, 15:29:32
Hallo @Bilbo, ich würde das Problem hinsichtlich des Zeitpunkts nicht so streng sehen, weil der Zeitpunkt hier kein sonderlich geeignetes Kriterium zur Abgrenzung ist. Bei unserer rechtlichen Prüfung des Falls befinden wir uns im Zeitpunkt nach dem staatlichen Verbot. Die absolute Mindermeinung stellt allein auf die faktische Zugangsmöglichkeit ab, schaut also, ob es sich selbst nach der staatlichen Maßnahme überhaupt noch um eine allgemein zugängliche Quelle iSd Art 5 I 1 GG handelt. Die ganz hM fragt dagegen nach der Eignung und Zweckbestimmung der Sendung durch den Berechtigten. Würden wir hier annehmen, dass ein Abstellen der Sendung auf staatlichen Druck/Verbot hin die Zweckbestimmung dahingehend ändert, dass keiner mehr die Sendung zur Kenntnis nehmen soll, könnten wir jedenfalls in Fällen des vollständigen Verbots auch einfach der Meinung zur faktischen Zugänglichkeit folgen. So ist es aber nicht gemeint. Der Berechtigte beugt sich zwar dem staatlichen Druck und stellt die Sendung deshalb ein. Das ändert aber nichts an der (wenn Du es Dir so leichter merken kannst: "ursprünglichen" oder "hypothetischen") Zweckbestimmung der Sendung. v Münch/Kunig/Wendt, GG, 7. Aufl 2021, Art 5 Rn 50 formuliert es so: "Daraus, dass neben der Eröffnung des Zugangs durch den Bestimmungsberechtigten nur die technische, dh die tatsächliche Eignung zur Information der Allgemeinheit gegeben sein muss, ergibt sich, dass der Staat nicht durch rechtliche Regelungen oder Maßnahmen über die allgemeine Zugänglichkeit einer privaten Informationsquelle entscheiden und ihr die Zugänglichkeit nehmen könnte. Käme es insoweit nicht auf die tatsächliche Lage an, könnten durch eine vorweggenommene Verengung des Begriffs „allgemein zugängliche Quellen“ die Schranken des Art. 5 Abs. 2 unterlaufen werden. Der Staat gewönne hinsichtlich privater Informationsquellen die souveräne Bestimmung über den Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2, was die Informationsfreiheit gegenstandslos machen würde. Dementsprechend hat das BVerfG festgestellt, dass Zeitungen und andere Massenkommunikationsmittel ihre Eigenschaft als allgemein zugängliche Quelle auch dann nicht verlieren, „wenn durch staatliche Maßnahmen wie Einziehungen, Importverbote oder -beschränkungen die Möglichkeit des allgemeinen Zugangs beeinträchtigt wird“." Auf den von Dir, @[Mephisto ](198941), eingebrachten Epping habe ich aktuell keinen Zugriff, kann zur konkreten Stelle und zum Kontext der Formulierung also leider kaum etwas sagen (wer hier den entsprechenden Absatz als kurzes wörtliches Zitat posten möchte, gerne!). Ich vermute (!) aber, dass dort mit der „Eignung zur allgemeinen Unterrichtung“ (falls der Wortlaut tatsächlich so ist) iE kaum etwas anderes gemeint ist als mit der „Eignung der Informationsverschaffung“ iSd Definition des BVerfG. Dass eine populärwissenschaftliche Sendung populistisch (im negativen Sinn des Wortes) ist, halte ich zunächst mal für eine gewagte These. Sie ist höchstens insofern „populistisch“, als sie dem Wunsch der Bevölkerung entspricht, komplexe wissenschaftliche Zusammenhänge allgemeinverständlich darzustellen – das ist aber nichts per se Negatives. Eine übermäßige (!) Vereinfachung ist damit jedenfalls nicht zwingend verbunden. Selbst eine zu sehr vereinfachende und tatsächlich „populistische“ Sendung wäre aber jedenfalls nach wie vor „allgemein zugänglich“, weil sie sich an einen individuell nicht bestimmbaren Personenkreis richtet. Wertungen der inhaltlichen Güte oder Qualität der Sendung spielen dafür grds keine Rolle. Wir haben jetzt zumindest durch einige kleinere Umformulierungen in der Aufgabe versucht, das alles noch etwas klarer zu machen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
DeliktusMaximus
19.11.2024, 00:38:46
Hebelt die Meinung, die auf einen faktischen Zugang abstellt, nicht die Informationsfreiheit aus? Wenn der Schutzbereich nicht eröffnet wird, indem der Staat eine Sendung/Zeitung/Internetseite verbietet und damit der Öffentlichkeit entzieht, bleibt doch für die Informationsfreiheit keine Anwednung mehr.
hannabuma
3.12.2024, 00:26:45
Genau, das ist soweit ich weiß auch das Totschlagargument gegen die Abstellung auf die tatsächliche Zugangsmöglichkeit. Der Staat hätte ansonsten die Möglichkeit durch Verbote den Schutzbereich der Informationsfreiheit einzuengen.