Belehrungsfehler bei vorläufiger Festnahme

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Beschuldigter B wird vorläufig von Polizeibeamtin P festgenommen. Auf der Fahrt zur Polizeiwache, wo B vernommen werden sollte, macht B ungefragt und ohne vorherige Belehrung über sein Schweigerecht selbstbelastende Angaben.

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Einordnung des Falls

Belehrungsfehler bei vorläufiger Festnahme

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Beschuldigte ist vor jeder polizeilichen Vernehmung über sein Schweigerecht zu belehren.

Genau, so ist das!

Der Beschuldigte ist vor jeder polizeilichen Vernehmung umfassend, insbesondere über sein Schweigerecht, zu belehren (§§ 163a Abs. 4, 136 Abs.1 StPO).
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2. Musste P den B vor Beginn der Fahrt nach §§ 163a Abs. 4, 136 Abs.1 StPO belehren?

Nein, das trifft nicht zu!

Erforderlich für die Pflicht zur Belehrung gemäß §§ 163a Abs. 4, 136 Abs. 1 StPO ist, dass die zu belehrende Person (1) Beschuldigter ist und es sich (2) um eine Vernehmung handelt. Die Angaben des B sind nicht durch ein amtliches Auskunftsverlangen und somit nicht durch eine Vernehmung ausgelöst worden. Es bestand daher keine Belehrungspflicht nach §§ 163a Abs.4, 136 Abs.1 StPO. P ist allerdings gehalten, den B in seinem Redefluss zu unterbrechen. Würde P dem B während der gesamten Fahrt zuhören, wäre die Grenze für eine bloße Spontanäußerung überschritten, mit der Folge, dass eine Belehrungspflicht entstünde.

3. B hätte aber bereits bei der vorläufigen Festnahme auf sein Schweigerecht hingewiesen werden müssen.

Ja!

Im Falle der Festnahme durch die Staatsanwaltschaft oder durch Polizeibeamte gilt eine gesonderte Belehrungspflicht (§§ 127 Abs. 4, 114b StPO). Ein vorläufig festgenommener Beschuldigter ist unverzüglich über seine Rechte zu belehren (§§ 127 Abs. 4, 114b Abs. 1 S. 1 StPO). Insbesondere ist er auf sein Schweigerecht hinzuweisen (§ 114b Abs. 2 S. 1 Nr.2 StPO). B hätte bereits bei der vorläufigen Festnahme über seine Rechte, insbesondere sein Schweigerecht, belehrt werden müssen, §§ 127 Abs. 4, 114b Abs. 1 S.1, Abs. 2 Nr. 2 StPO. Merke: Wenn die vorläufige Festnahme nicht mit einer sofortigen Vernehmung und damit einer Belehrung nach §§ 163a, 136 StPO verbunden ist, ist immer zu prüfen, ob eine vollständige, sofortige Belehrung nach §§ 127 Abs. 4, 114b Abs.1, Abs. 2 S. 1 StPO erfolgt ist.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ALE

Aleks_is_Y

21.2.2024, 11:56:08

Wie wirkt sich die unterbliebene Belehrung bei der vorläufigen

Festnahme

auf die spätere

Spontanäußerung

aus? Ist diese verwertbar oder nicht?

glaenzejenseitsvonnullundachtzehn

glaenzejenseitsvonnullundachtzehn

11.3.2024, 13:06:00

Das habe ich mich auch gefragt..

Nora Mommsen

Nora Mommsen

19.3.2024, 13:36:12

Hallo ihr beide, ob ein Verstoß gegen §§ 127 IV, 114b StPO zu einem Beweisverwertungsverbot führt, wird durch die

Abwägungslehre

ermittelt: Für ein Verwertungsverbot sprechen wie immer das Ausreizen der Grenze des Beurteilungsspielraums (bewusste Umgehung der Belehrungspflicht), dagegen ganz spezifisch, dass die Situation der vorläufigen

Festnahme

nicht mit einer Vernehmungssituation zu vergleichen ist, sondern eher der Situation bei

Spontanäußerung

en oder einer informatorischen Befragung gleicht. Letztendlich ist es wie immer im Fall der Abwägung eine Einzelfallentscheidung. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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