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Arbeitsrecht

Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Kündigung bei Bagatelldiebstahl („Fall Emmely“)

Kündigung bei Bagatelldiebstahl („Fall Emmely“)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

Kassiererin Emmely arbeitet bereits seit über 30 Jahren beanstandungsfrei in einem Supermarkt. Dort findet sie zwei Leergutbons im Wert von €0,48 und €0,82. E nimmt die Bons an sich und löst diese bei ihrem nächsten Einkauf ein. Als Supermarktleiter S davon erfährt, kündigt er E fristlos.

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Einordnung des Falls

Kündigung bei Bagatelldiebstahl („Fall Emmely“)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Es liegt hier ein Sachverhalt vor, der „an sich“ objektiv geeignet ist, die fristlose Kündigung zu rechtfertigen (1. Stufe).

Ja, in der Tat!

Bei Straftaten liegt der wichtige Grund in der mit der Tat einhergehenden Störung des Arbeits- und Vertrauensverhältnisses, da der Arbeitnehmer in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt und das in ihn gesetzte Vertrauen missbraucht. Rechtswidrige und vorsätzliche Handlungen des Arbeitnehmers, die sich unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers richten, können auch dann einen wichtigen Grund darstellen, wenn die Pflichtverletzung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder nur zu einem geringfügigen Schaden geführt hat. E hat sich durch Einlösen der Leergutbons gegenüber S einen Vermögensvorteil verschafft, der ihr nicht zustand. Dieser Sachverhalt ist generell geeignet, einen wichtigen Grund darzustellen.
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2. Es liegt im konkreten Fall eine erhebliche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung vor (2. Stufe).

Nein!

Die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist muss unter umfassender Abwägung der Interessen im Einzelfall unzumutbar sein. Dabei ist zu beachten, dass die Kündigung (1) stets letztes Mittel (ultima ratio) und (2) eine angemessene Reaktion sein muss (Verhältnismäßigkeit). Regelmäßig ist eine Abmahnung vorrangig. Sie ist nur ausnahmsweise entbehrlich, wenn schwere Pflichtverletzungen vorliegen oder wenn sie von vornherein nicht geeignet ist, eine Verhaltensänderung zu erreichen. Aufgrund der langen beanstandungsfreien Tätigkeit hat E erhebliches Vertrauenskapital erworben, welches durch den Bagatelldiebstahl nicht aufgebraucht wurde. Auch ist keine so schwerwiegende Pflichtverletzung gegeben, die eine Abmahnung entbehrlich macht, insbesondere weil künftiges anderes Verhalten von E prognostiziert werden kann. S ist es daher durchaus zumutbar, zunächst eine Abmahnung auszusprechen.

3. Ist die fristlose Kündigung wirksam?

Nein, das ist nicht der Fall!

Damit die fristlose Kündigung wirksam ist, ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB erforderlich. Es liegt zwar ein Sachverhalt vor, der generell geeignet ist, einen wichtigen Grund abzugeben (1. Stufe). Jedoch ergibt die umfassende Interessenabwägung (2. Stufe), bei der die Umstände des Einzelfalls, das Ultima-Ratio-Prinzip und das Prognose-Prinzip zu beachten sind, dass dem Arbeitgeber S zumutbar ist, zunächst eine Abmahnung auszusprechen, bevor er die Kündigung erklärt. Mithin ist kein wichtiger Grund (§ 626 Abs. 1 BGB) gegeben, sodass die fristlose Kündigung unwirksam ist.
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