Zivilrechtliche Nebengebiete
Rechtsprechung im Arbeitsrecht
Entscheidungen von 2019
Umdeutung einer außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung bei Straftat
Umdeutung einer außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung bei Straftat
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Behördenmitarbeiter A schreibt in seiner Freizeit auf Facebook abfällig über „Moslems“. Staatsanwältin S ermittelt gegen A wegen Volksverhetzung, was A seinem Chef C verschweigt. S informiert C, der A daraufhin außerordentlich kündigt. Der angehörte Personalrat hatte keine Einwände erhoben. A erhebt Kündigungsschutzklage.
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Einordnung des Falls
Umdeutung einer außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung bei Straftat
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Eine fristlose Kündigung bedarf eines „wichtigen Grundes“ (§ 626 Abs. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. C als Arbeitgeber hat darzulegen und zu beweisen, dass eine Beschäftigung des A bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist für ihn unzumutbar war.
Ja!
3. A hat vor Gericht die Feststellung beantragt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Eine etwaige ordentliche Kündigung wird davon nicht umfasst.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Gibt es einen Betriebsrat bzw. eine Personalvertretung, muss vor der Kündigung eine Beteiligung erfolgen.
Ja, in der Tat!
5. Die Anhörung zu einer außerordentlichen Kündigung umfasst grundsätzlich auch eine Anhörung zu einer ordentlichen Kündigung.
Ja!
6. Der Personalrat hatte mitgeteilt, dass er „im Rahmen der Anhörung keine Einwände geltend mache“ habe. Diese Aussage kann unterschiedlich ausgelegt werden.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Blackpanther
10.2.2023, 09:07:03
Vielleicht habe ich etwas übersehen, aber warum war es überhaupt notwendig, in eine ordentliche Kündigung umzudeuten? War die außerordentliche Kündigung auch nur wegen der fehlerhaften Anhörung unwirksam, oder auch aus einem anderen Grund?
Lukas_Mengestu
10.2.2023, 15:41:18
Hallo Blackpanther, vielen Dank für die Nachfrage. Die außerordentliche Kündigung war hier unwirksam, weil der Arbeitgeber hier nicht ausreichend dargelegt hat, dass es ihm unzumutbar ist, A bis zum Ende der Kündigungsfrist zu beschäftigen. Da er lediglich eine Kündigungserklärung abgegeben hat, stellt sich die Frage, ob diese hilfsweise in eine ordentliche Kündigungserklärung umgedeutet werden kann und ob diese wirksam wäre. Im vorliegenden Fall hatte das BAG aber festgestellt, dass die ordentliche Kündigung jedenfalls an der fehlenden Beteiligung des Personalrates scheitere. Seine Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung könne nicht automatisch auch als Zustimmung zur ordentlichen Kündigung gewertet werden. Das lag insbesondere daran, dass die Beteiligungsmöglichkeit des Personalrates in Fällen der außerordentlichen und ordentlichen Kündigung unterschiedlich ausgetstaltet ist. Während ihm bzgl. der außerordentlichen Kündigung lediglich das Recht zustand Bedenken zu äußern (Anhörungsrecht = § 78 Abs. 3 ThürPersVG), so hätte er bei einer ordnungsgemäßen Kündigung mitbestimmen können (§ 78 Abs. 1 ThürPersVG) (RdNr. 30). Aus diesem Grund hätte eine gesonderte Anhörung nicht bloß eine Förmelei dargestellt. EXKURS: Die Interessenlage
bei Betriebsräten ist etwas anders, da Betriebsräten in beiden Fällen nur ein Anhörungsrecht zusteht (§ 102 Abs. 1 BetrVG). Das BAG hat offengelassen, ob es insoweit
bei Betriebsräten auch zukünftig auf eine gesonderte Anhörung bzgl. einer ordentlichen Kündigung verzichten möchte (vgl. RdNr. 28). Bislang hat es den Standpunkt eingenommen, es handele sich dabei lediglich um eine "unnötige Förmelei" (=wer schon die außerordentliche Kündigung absegnet, macht dies erst recht bei einer ordentlichen Kündigung). Ich hoffe, jetzt ist es noch klarer geworden :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
DeliktusMaximus
10.7.2023, 20:47:36
Kann der Arbeitnehmer trotz der Unschuldsvermutung während des laufenden Strafverfahrens außerordentlich gekündigt werden?
Dogu
2.2.2024, 17:15:19
Ich würde sagen ja, da die Unschuldsvermutung im Strafverfahren gilt und hier das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betroffen ist.
CR7
11.6.2024, 13:34:26