Umdeutung einer außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung bei Straftat


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Behördenmitarbeiter A schreibt in seiner Freizeit auf Facebook abfällig über „Moslems“. Staatsanwältin S ermittelt gegen A wegen Volksverhetzung, was A seinem Chef C verschweigt. S informiert C, der A daraufhin außerordentlich kündigt. Der angehörte Personalrat hatte keine Einwände erhoben. A erhebt Kündigungsschutzklage.

Einordnung des Falls

Umdeutung einer außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung bei Straftat

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine fristlose Kündigung bedarf eines „wichtigen Grundes“ (§ 626 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu warten. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und eine Interessenabwägung durchzuführen.

2. C als Arbeitgeber hat darzulegen und zu beweisen, dass eine Beschäftigung des A bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist für ihn unzumutbar war.

Ja!

Dieser Aspekt gehört zum wichtigen Grund iSd § 626 Abs. 1 BGB, den der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess darlegen und beweisen muss. Vorliegend hat der Arbeitgeber nichts dazu vorgetragen und das Gericht deshalb keinen wichtigen Grund erkannt. In Betracht kommt eine Umdeutung der außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung gemäß § 140 BGB.

3. A hat vor Gericht die Feststellung beantragt, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Eine etwaige ordentliche Kündigung wird davon nicht umfasst.

Nein, das ist nicht der Fall!

BAG: Dieser Klageantrag umfasse das Begehren festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder aufgrund der ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung noch aufgrund ihrer Umdeutung in eine ordentliche Kündigung beendet worden ist. Der Kündigungsschutzantrag gemäß § 4 S. 1 KSchG beziehe regelmäßig auch eine nach Umdeutung anzunehmende ordentliche Kündigung mit ein. Etwas Anderes könne nur gelten, wenn dafür besondere Anhaltspunkte vorliegen (RdNr. 20f). Hier ist anzunehmen, dass A auch gegen eine etwaige ordentliche Kündigung vorgehen möchte.

4. Gibt es einen Betriebsrat bzw. eine Personalvertretung, muss vor der Kündigung eine Beteiligung erfolgen.

Ja, in der Tat!

Eine Kündigung ist gemäß § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam, wenn der Betriebsrat eines privatwirtschaftlichen Unternehmens nicht im Vorhinein angehört worden ist. Gibt es -so wie hier- im öffentlichen Dienst einen Personalrat, ergibt sich die Unwirksamkeit wegen fehlender Beteiligung aus §§ 86 S. 4 iVm 85 Abs. 3 BPersVG.

5. Die Anhörung zu einer außerordentlichen Kündigung umfasst grundsätzlich auch eine Anhörung zu einer ordentlichen Kündigung.

Ja!

BAG: Bringe der Personalrat gegen die außerordentliche Kündigung keine Einwände vor, sei nach derzeitiger Rechtsprechung eine gesonderte Beteiligung des Personalrats regelmäßig eine „unnötige Förmelei“, weil eine ordentliche Kündigung ein milderes Mittel darstellt (RdNr. 27). Der Senat deutet an, dass er daran nicht mehr uneingeschränkt festhalten wird (RdNr. 28).

6. Der Personalrat hatte mitgeteilt, dass er „im Rahmen der Anhörung keine Einwände geltend mache“ habe. Diese Aussage kann unterschiedlich ausgelegt werden.

Genau, so ist das!

Der Personalrat gab damit eine atypische Erklärung ab. Es bestehen Zweifel, ob in der Stellungnahme der außerordentlichen Kündigung ausdrücklich und vorbehaltlos zugestimmt wird. Die Voraussetzungen der Umdeutung in eine wirksame ordentliche Kündigung liegen mangels ordnungsgemäßer Beteiligung hinsichtlich einer ordentlichen Kündigung somit nicht vor (RdNr. 29). Die Klage des A ist erfolgreich.

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