Mietminderung wegen Baulärms
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
M ist Mieter einer Wohnung der V. Im März starten Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück. Wegen Baulärms verklagt M die V im Mai auf Rückzahlung überzahlten Mietzinses für März und April, sowie auf Feststellung, dass die Miete fortan gemindert ist, bis die Bauarbeiten enden.
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Einordnung des Falls
Mietminderung wegen Baulärms
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 12 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. M hat an der Feststellung, dass die Miete fortan gemindert ist, ein Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Auch im Mai und Juni zahlt M den ungeminderten Mietzins. Muss er hierfür nun vorrangig Leistungsklage auf dessen anteilige Rückzahlung erheben?
Nein!
3. M könnte gegen V einen Anspruch auf anteilige Rückzahlung des Mietzinses haben (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB). Müsste M gegenüber V hierfür die Mietminderung erklärt haben (§ 536 Abs. 1 S. 2 BGB)?
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Eine Mietsache ist mangelhaft, soweit sie von einer Beschaffenheitsvereinbarung abweicht (§ 536 Abs. 1 S. 1 BGB). Kann die Abwesenheit von Baulärm Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung sein?
Ja, in der Tat!
5. Eine Beschaffenheitsvereinbarung können die Vertragsparteien auch konkludent schließen. Genügt dafür, dass der Vermieter erkennt, welche Vorstellungen der Mieter von der Mietsache hat?
Nein!
6. Die Mietsache ist mangelhaft (§ 536 Abs. 1 S. 1 BGB), weil M und V konkludent eine Beschaffenheitsvereinbarung (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB) über die Abwesenheit von Baulärm getroffen haben (§§ 133, 157 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
7. Fehlt eine Beschaffenheitsvereinbarung, so ist die vertragliche Soll-Beschaffenheit der Mietsache (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB) durch ergänzende Vertragsauslegung zu ermitteln (§ 157 BGB).
Ja, in der Tat!
8. Soweit im Rahmen des § 535 Abs. 1 S. 2 BGB bei Fehlen einer subjektiven Beschaffenheitsvereinbarung eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen ist, gilt ein objektiver Mangelbegriff.
Nein!
9. Dem hypothetischen Parteiwillen von M und V entspricht es, dass V die Mietsache dauerhaft von erhöhten Immissionsbelastungen Dritter freihält (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
10. Muss M darlegen und beweisen, dass V gegen den Emittenten Abwendungs- oder Entschädigungsansprüche hat (§§ 906, 1004 BGB)?
Nein, das trifft nicht zu!
11. Stellt diese Verteilung der Darlegungs- und Beweislast eine Ausnahme vom Grundsatz des § 536 Abs. 1 S. 3 BGB dar?
Nein!
12. Ob die Miete gemindert und daher die Klage des M begründet ist (§ 536 Abs. 1 S. 1 BGB), lässt sich vorliegend nicht abschließend beurteilen.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Philipp Paasch
11.10.2022, 23:20:03
Wisst ihr, wie die Sache weiter ging?
Lukas_Mengestu
26.10.2022, 19:39:30
Hallo Philipp, online ist noch keine nachfolgende Entscheidung abrufbar. Bei Interesse kannst Du aber natürlich das LG Berlin einmal nach dem Verfahrensstand fragen :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Simon
17.10.2024, 23:41:52
Falls noch jemanden das Update interessiert: LG Berlin II, BeckRS 2024, 2949. Das LG bejaht wohl eine wesentliche Beeinträchtigung i.S.d. § 906 I 1 BGB, wenngleich es nur von einer "mehr als unerheblichen Beeinträchtigung" spricht. Dazu das LG: "Der von der Klägerin geschilderte und von den Zeugen bestätigte Staub sowie vor allem der Lärm [...] bedingte zur Überzeugung der Kammer, dass die Klägerin die Wohnung während des Baubetriebs tagsüber nicht lüften und sich während dieser Zeiten auf dem Balkon nicht mehr zu Erholungszwecken aufhalten konnte. [...] Die Zeugen haben übereinstimmend und gut nachvollziehbar geschildert, dass Telefonate oder persönliche Gespräche innerhalb ihrer jeweiligen Wohnungen nur erschwert möglich waren und eine gegenseitige Verständigung lautes Rufen erforderte." Allerdings ging das Gericht davon aus, dass es sich um eine ortsübliche Benutzung des Baugrundstücks handelt, die nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen zu verhindern war (§ 906 II 1): Eine Neubebauung des Grundstücks alle 50 Jahre stelle eine solche ortsübliche Nutzung dar, zumal die Nachtzeiten und einschlägigen Immissionsrichtwerte beim Bau eingehalten wurden. Ein nach § 906 II 2 ausgleichsplichtiges Sonderopfer läge nicht vor. Damit wurde iErg. ein Mangel abgelehnt, allerdings hat das LG die Revision zum BGH zugelassen.
fuchs_
19.10.2024, 14:10:20
Vielen Dank @[Simon](131793). Aus Sicht von Mietern echt irre, dass ein Mangel abgelehnt wurde, wenn derartige Einschränkungen vorlagen, wie im Urteil selbst beschrieben. Andererseits irgendwie verständlich, dass der Vermieter auch nichts dafür kann, wenn das Grundstück mit der Baustelle nicht in seinem Eigentum steht. Ich frage mich, ob man dann wenigstens Ansprüche gegen denjenigen hat, der das Nachbargrundstück bebaut, wenn der Lärm und Staub wirklich derartig ist?