Fehlerhafte Grundstücksbewertung – Sachwalterhaftung (§ 311 Abs. 3 S. 2 BGB)
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V beauftragt den Sachverständigen D mit der Bewertung seines Grundstücks. V veranlasst D dazu, im Gutachten einen zu hohen Grundstückswert anzugeben. K schließt mit V daraufhin einen wirksamen Kaufvertrag zu einem überhöhten Preis ab.
Einordnung des Falls
Fehlerhafte Grundstücksbewertung – Sachwalterhaftung (§ 311 Abs. 3 S. 2 BGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Da D nicht am Vertrag beteiligt war, scheiden vertragliche und quasi-vertragliche Ansprüche des K gegen D aus.
Nein!
2. Zwischen K und D besteht ein vorvertragliches Schuldverhältnis (§ 311 Abs. 3 BGB).
Genau, so ist das!
3. K hat gegen D einen Schadenersatzanspruch aus cic (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 S. 2, 241 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
4. K hat gegen D deliktische Schadensersatzansprüche.
Ja!
5. K kann den Kaufvertrag mit V wegen arglistiger Täuschung anfechten (§ 123 Abs. 2 BGB)
Genau, so ist das!
Fundstellen
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Ihering92
15.4.2020, 13:48:09
Der Sachverhalt enthält keine Angaben darüber, dass D mit K Kontakt hatte
Eda
29.4.2020, 09:21:00
D ist zwar nicht Vertragspartei im schuldverhältnis jedoch nimmt er in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch und beeinflusst dadurch die Vertragsverhandlungen erheblich, weshalb nach 311 III er dieselben Schutzpflichten gegenüber K hat wie V.
gelöscht
21.8.2020, 01:39:11
Man sollte noch ergänzen, dass neben 311 III auch ein Vertrag mit sw zugunsten Dritter zwischen VK und Sachverständiger in Betracht kommt, in dessen Schutzpflichten der Käufer einbezogen werden könnte
Eigentum verpflichtet 🏔️
21.8.2020, 12:50:54
Hallo 18 Punkte Kandidat, danke für die Anmerkung. Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, dessen Herleitung strittig ist (h.M. ergänzende Vertragsauslegung), dessen Existenz aber allgemein anerkannt ist, hat folgende Voraussetzungen: 1. Leistungsnähe des Dritten 2. Gläubigerinteresse 3. Erkennbarkeit von 1. und 2. für den Schuldner 4. Keine eigenen inhaltsgleichen vertraglichen oder quasivertraglichen Ansprüche des Dritten Rechtsfolge ist, dass der Anspruch zum Schaden gezogen wird (genau andersrum bei der Drittschadensliquidation), der Schuldner also einen weiteren Gläubiger bekommt.
Eigentum verpflichtet 🏔️
21.8.2020, 12:54:50
Wer soll deiner Meinung nach aus so einem Vertrag dem Käufer haften, der Verkäufer oder der Gutachter? Ich würde in beiden Fällen bereits die Leistungsnähe ablehnen, der Käufer kommt weder vergleichbar wie der Verkäufer noch wie der Gutachter mit den vertraglichen Gefahren des Gutachtervertrages in Kontakt. Spätestens beim Gläubigerinteresse muss man aber herausfliegen. Denn weder Verkäufer, noch Gutachter haben ein Interesse, dass der Käufer in die vertraglichen Schutzpflichten des Gutachtervertrages einbezogen werden.
gelöscht
21.8.2020, 13:16:58
Der Käufer könnte in den Schutzbereich des Gutachtervertrags zwischen Verkäufer und Gutachter einbezogen sein. Ich würde eine Leistungsnähe durchaus bejahen, da der Käufer genauso auf das Gutachten vertraut wie der Verkäufer. Beim Einbeziehungsinteresse des Verkäufers kommt es dann auf den Einzelfall an, ob durch eine Auslegung der WE des Verkäufers nach objektivem Empfängerhorizont eine Einbeziehung des Käufers gewollt ist. Gerade deshalb sollte man es meiner Meinung nach ergänzen.
Simon
6.10.2020, 21:39:28
Sehe ich auch so. Den Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Ditter (VSD) kann man, wie ich finde, hier durchaus in Betracht ziehen. Allerdings würde ich einen Anspruch aus VSD an dessen Subsidiarität scheitern lassen. Denn der K ist nicht schutzbedürftig: Er hat ja gg G schon einen Anspruch aus §§280 I, 311 III 2, 241 2.
Simon
6.10.2020, 21:41:45
Meine natürlich einen Anspruch gg D aus §§280 I, 311 III 2, 241 II
Ira
3.11.2020, 15:07:05
Hallo „Eigentum verpflichtet“, es ist ein wenig konfus, dass der Hinweis von „18 Punkte Kandidat“ abgelehnt, jedoch keine Stellung zu den vorherigen Kommentaren genommen wird. MMn kann eine Vertragsaufhebung !des notariell beurkundeten Kaufvertrages! nicht zwischen D und K abgewickelt werden, soweit ein VSD nicht einschlägig ist. entweder muss die Lösung angepasst, oder zumindest eine Erläuterung dazu abgegeben werden. Man sollte sich auf die Richtigkeit der Lösungen verlassen dürfen. Dies geht nur, wenn diese hinreichend begründet und für den Nutzer zumindest einigermaßen nachvollziehbar sind.
Tr(u)mpeltier junior
20.12.2020, 20:49:18
Ich würde mich hier ebenfalls den Vorrednern anschließen. In den Fällen der sog. Expertenhaftung zieht die Rechtsprechung, der Jurafuchs jedenfalls sonst immer folgt, die Haftung aus VSD einer Haftung aus 311 Abs 3 regelmäßig vor. Das gläubigerinteresse könnte insoweit bestehen, als nur durch ein Gutachten auf dessen Richtigkeit der Käufer vertrauen kann, der Zweck des Verkäufers erreicht wird. Auch ist der Käufer letztlich am meisten den Folgen eines falschen Gutachtens ausgesetzt, wodurch leistungsnähe besteht. Tatsächlich dürfte es insoweit maßgeblich auf die schutzbedürftigkeit ankommen. Hier lässt sich mE nach vieles vertreten und in der Rechtsprechung werden hierzu teilweise recht widersprüchliche Entscheidungen gefällt.
Tr(u)mpeltier junior
20.12.2020, 20:53:03
Ganz spannend hierzu vom OLG Hamm zwei pferdefällen: https://jura-online.de/blog/2013/11/26/olg-hamm-vertrag-uber-durchfuhrung-einer/ OLG Hamm (Urt. v. 5.9.2013, Az. 21 U 143/12) Bzw OLG Hamm, Urteil vom 29.05.2013 - 12 U 178/12 https://openjur.de/nw/olg_hamm.html
Vulpes
25.1.2022, 09:31:25
Wieso fehlt D die Absicht stoffgleicher (Dritt-)Bereicherung? Das Geld das K zu viel zahlt, ist doch stoffgleich mit dem, dass V zu viel erlangt, oder nicht?
Victor
25.1.2022, 10:02:41
Aber D will sich nicht durch das zu viel gezahlte Geld des K bereichern. Vielmehr will er sich uU durch anderweitige Zahlungen des V für die Gefälligkeit bereichern. Im Hinblick V und K liegt eine stoffgleiche Bereicherung jedoch vor. Also so wäre meine Abgrenzung und mein Verständnis.
Vulpes
25.1.2022, 12:39:30
Der Betrug zugunsten Dritter ist aber doch ebenfalls strafbar (vgl § 263 StGB). Er hat mE also in der Absicht gehandelt den V zu bereichern.
Lukas_Mengestu
25.1.2022, 18:29:08
Hallo ihr beiden, in der Tat genügt für den Betrug auch die Dritt
bereicherungsabsicht. Der entscheidende Knackpunkt ist aber, dass eben Absicht, zielgerichtetes Wollen, und nicht bloß Eventualvorsatz bezüglich der stoffgleichen Bereicherung vorliegen muss. Wie Victor schon eingewandt hat, geht es D in erster Linie um seinen eigenen Vermögensvorteil, den er indes von V bekommt. Bezüglich der Bereicherung des D liegt dagegen keine Absicht vor. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
ehemalige:r Nutzer:in
28.8.2023, 13:01:12
Du meint wohl im letzten Satz den V :) Keine Absicht des D zur Bereicherung des V, oder?
Lukas_Mengestu
28.8.2023, 14:30:13
Hi Aleyna, danke für den Hinweis. Absolut, da ist mir leider ein Buchstabendreher unterlaufen. Beste Grüße, Lukas
Jacob
15.4.2022, 16:24:26
Ich habe mal gehört, dass die Haftung von Gutachtern nicht unter
§ 311 III BGBfällt, da es ansonsten zu nicht-versicherbaren Risiken führen würde. Vielleicht könnt Ihr das nach Prüfung mit aufnehmen :)
Lukas_Mengestu
20.4.2022, 13:58:57
Hallo Jacob, die Rechtsprechung löst die Fälle der Gutachterhaftung in der Tat nicht über die
Sachwalterhaftung, sondern über den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (vgl. zB BGH NJW 2014, 2345). In der Literatur stößt dies nach wie vor auf Kritik (MüKoBGB/Gottwald, 8. Aufl. 2019, BGB § 328 Rn. 167), da die Verfasser der Schuldrechtsreform 2002 durch Einführung des § 313 Abs. 3 S. 2 BGB gerade auch diese Fälle mit umfassen wollten (MüKoBGB/Emmerich, 8. Aufl. 2019, BGB § 311 Rn. 198). Ein Grund für den Rückgriff auf den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist aber in der Tat, dass hierdurch die Möglichkeit offen bleibt, im Einzelnen die Interessen der Beteiligten und insbesondere das Haftungsrisiko des Experten zu berücksichtigen. Wir haben im Fall nun noch einen Hinweis auf den alternativen Lösungsweg der Rechtsprechung ergänzt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Jacob
20.4.2022, 19:35:00
Klasse; danke für die tolle Erläuterung!
QuiGonTim
4.2.2024, 10:39:21
Müsste in dieser Alternative Lösungsweg in einer Klausur angesprochen werden?
QuiGonTim
20.2.2024, 11:28:33
Anscheinend werden die Fälle von Literatur (culpa in contrahendo) und Rechtsprechung (Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter) unterschiedlich gelöst. Wie geht man damit in der Klausur um? Sollte man beides prüfen? Muss man sich für einen Weg entscheiden?
Kiara256
13.6.2024, 11:19:21
Leider funktionieren die Links zu anderen Aufgaben nicht. Die Links zu den Gesetzestexten funktionieren hingegen einwandfrei. Ist das nur mein Problem, oder ist das ein allgemeines Problem?