Zivilrecht
Schuldrecht Allgemeiner Teil
Haftung aus culpa in contrahendo (Leistungsstörungsrecht)
Fehlerhafte Grundstücksbewertung – Sachwalterhaftung (§ 311 Abs. 3 S. 2 BGB)
Fehlerhafte Grundstücksbewertung – Sachwalterhaftung (§ 311 Abs. 3 S. 2 BGB)
10. Februar 2025
38 Kommentare
4,7 ★ (41.147 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V beauftragt den Sachverständigen D mit der Bewertung seines Grundstücks. V veranlasst D dazu, im Gutachten einen zu hohen Grundstückswert anzugeben. K schließt mit V daraufhin einen wirksamen Kaufvertrag zu einem überhöhten Preis ab.
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Einordnung des Falls
Fehlerhafte Grundstücksbewertung – Sachwalterhaftung (§ 311 Abs. 3 S. 2 BGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Da D nicht am Vertrag beteiligt war, scheiden (nach h.L.) vertragliche und quasi-vertragliche Ansprüche des K gegen D aus.
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Zwischen K und D besteht ein vorvertragliches Schuldverhältnis (§ 311 Abs. 3 BGB).
Genau, so ist das!
3. K hat gegen D einen Schadenersatzanspruch aus cic (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 S. 2, 241 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
4. K hat gegen D deliktische Schadensersatzansprüche.
Ja!
5. K kann den Kaufvertrag mit V wegen arglistiger Täuschung anfechten (§ 123 Abs. 2 BGB)
Genau, so ist das!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Ihering92
15.4.2020, 13:48:09
Der Sachverhalt enthält keine Angaben darüber, dass D mit K Kontakt hatte
Eda
29.4.2020, 09:21:00
D ist zwar nicht Vertragspartei im
schuldverhältnisjedoch nimmt er in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch und beeinflusst dadurch die Vertragsverhandlungen erheblich, weshalb nach 311 III er dieselben
Schutzpflichtengegenüber K hat wie V.
benjaminmeister
25.1.2025, 17:17:12
Ergänzend zu @[Eda](269017): Es muss kein persönlich-menschlicher Kontakt zwischen D und K bestehen. „Kontakt" bestand aber darüber, dass der V dem K das Gutachten des D vorgelegt hat.
gelöscht
21.8.2020, 01:39:11
Man sollte noch ergänzen, dass neben 311 III auch ein Vertrag mit sw zugunsten Dritter zwischen VK und Sachverständiger in Betracht kommt, in dessen
Schutzpflichtender Käufer einbezogen werden könnte

Eigentum verpflichtet 🏔️
21.8.2020, 12:50:54
Hallo 18 Punkte Kandidat, danke für die Anmerkung. Der
Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, dessen Herleitung strittig ist (h.M.
ergänzende Vertragsauslegung), dessen Existenz aber allgemein anerkannt ist, hat folgende Voraussetzungen: 1.
Leistungsnähedes Dritten 2. Gläubigerinteresse 3.
Erkennbarkeitvon 1. und 2. für den
Schuldner 4. Keine eigenen inhaltsgleichen vertraglichen oder quasivertraglichen Ansprüche des Dritten Rechtsfolge ist, dass der Anspruch zum Schaden gezogen wird (genau andersrum bei der
Drittschadensliquidation), der
Schuldner also einen weiteren Gläubiger bekommt.

Eigentum verpflichtet 🏔️
21.8.2020, 12:54:50
Wer soll deiner Meinung nach aus so einem Vertrag dem Käufer haften, der Verkäufer oder der Gutachter? Ich würde in beiden Fällen bereits die
Leistungsnäheablehnen, der Käufer kommt weder vergleichbar wie der Verkäufer noch wie der Gutachter mit den vertraglichen Gefahren des Gutachtervertrages in Kontakt. Spätestens beim Gläubigerinteresse muss man aber herausfliegen. Denn weder Verkäufer, noch Gutachter haben ein Interesse, dass der Käufer in die vertraglichen
Schutzpflichtendes Gutachtervertrages einbezogen werden.
gelöscht
21.8.2020, 13:16:58
Der Käufer könnte in den Schutzbereich des Gutachtervertrags zwischen Verkäufer und Gutachter einbezogen sein. Ich würde eine
Leistungsnähedurchaus bejahen, da der Käufer genauso auf das Gutachten vertraut wie der Verkäufer. Beim Einbeziehungsinteresse des Verkäufers kommt es dann auf den
Einzelfallan, ob durch eine Auslegung der WE des Verkäufers nach objektivem
Empfängerhorizonteine Einbeziehung des Käufers gewollt ist. Gerade deshalb sollte man es meiner Meinung nach ergänzen.

Simon
6.10.2020, 21:39:28
Sehe ich auch so. Den Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Ditter (VSD) kann man, wie ich finde, hier durchaus in Betracht ziehen. Allerdings würde ich einen Anspruch aus VSD an dessen Subsidiarität scheitern lassen. Denn der K ist nicht schutzbedürftig: Er hat ja gg G schon einen Anspruch aus §§280 I, 311 III 2, 241 2.

Simon
6.10.2020, 21:41:45
Meine natürlich einen Anspruch gg D aus §§280 I, 311 III 2, 241 II

Ira
3.11.2020, 15:07:05
Hallo „Eigentum verpflichtet“, es ist ein wenig konfus, dass der Hinweis von „18 Punkte Kandidat“ abgelehnt, jedoch keine Stellung zu den vorherigen Kommentaren genommen wird. MMn kann eine Vertragsaufhebung !des notariell beurkundeten Kaufvertrages! nicht zwischen D und K abgewickelt werden, soweit ein VSD nicht einschlägig ist. entweder muss die Lösung angepasst, oder zumindest eine Erläuterung dazu abgegeben werden. Man sollte sich auf die Richtigkeit der Lösungen verlassen dürfen. Dies geht nur, wenn diese hinreichend begründet und für den Nutzer zumindest einigermaßen nachvollziehbar sind.
Tr(u)mpeltier junior
20.12.2020, 20:49:18
Ich würde mich hier ebenfalls den Vorrednern anschließen. In den Fällen der sog.
Expertenhaftungzieht die Rechtsprechung, der
Jurafuchsjedenfalls sonst immer folgt, die Haftung aus VSD einer Haftung aus 311 Abs 3 regelmäßig vor. Das gläubigerinteresse könnte insoweit bestehen, als nur durch ein Gutachten auf dessen Richtigkeit der Käufer vertrauen kann, der Zweck des Verkäufers erreicht wird. Auch ist der Käufer letztlich am meisten den Folgen eines falschen Gutachtens ausgesetzt, wodurch
leistungsnähebesteht. Tatsächlich dürfte es insoweit maßgeblich auf die schutzbedürftigkeit ankommen. Hier lässt sich mE nach vieles vertreten und in der Rechtsprechung werden hierzu teilweise recht widersprüchliche Entscheidungen gefällt.
Tr(u)mpeltier junior
20.12.2020, 20:53:03
Ganz spannend hierzu vom OLG Hamm zwei pferdefällen: https://jura-online.de/blog/2013/11/26/olg-hamm-vertrag-uber-durchfuhrung-einer/ OLG Hamm (Urt. v. 5.9.2013, Az. 21 U 143/12) Bzw OLG Hamm, Urteil vom 29.05.2013 - 12 U 178/12 https://
openjur.de/nw/olg_hamm.html

Vulpes
25.1.2022, 09:31:25
Wieso fehlt D die Absicht stoffgleicher (Dritt-)Bereicherung? Das
Gelddas K zu viel zahlt, ist doch stoffgleich mit dem, dass V zu viel erlangt, oder nicht?
Victor
25.1.2022, 10:02:41
Aber D will sich nicht durch das zu viel gezahlte
Gelddes K bereichern. Vielmehr will er sich uU durch anderweitige Zahlungen des V für die
Gefälligkeitbereichern. Im Hinblick V und K liegt eine
stoffgleiche Bereicherungjedoch vor. Also so wäre meine Abgrenzung und mein Verständnis.

Vulpes
25.1.2022, 12:39:30
Der Betrug zugunsten Dritter ist aber doch ebenfalls strafbar (vgl § 263 StGB). Er hat mE also in der Absicht gehandelt den V zu bereichern.

Lukas_Mengestu
25.1.2022, 18:29:08
Hallo ihr beiden, in der Tat genügt für den Betrug auch die Dritt
bereicherungsabsicht. Der entscheidende Knackpunkt ist aber, dass eben Absicht, zielgerichtetes Wollen, und nicht bloß
Eventualvorsatzbezüglich der stoffgleichen Bereicherung vorliegen muss. Wie Victor schon eingewandt hat, geht es D in erster Linie um seinen eigenen Vermögensvorteil, den er indes von V bekommt. Bezüglich der Bereicherung des D liegt dagegen keine Absicht vor. Beste Grüße, Lukas - für das
Jurafuchs-Team
ehemalige:r Nutzer:in
28.8.2023, 13:01:12
Du meint wohl im letzten Satz den V :) Keine Absicht des D zur Bereicherung des V, oder?

Lukas_Mengestu
28.8.2023, 14:30:13
Hi Aleyna, danke für den Hinweis. Absolut, da ist mir leider ein Buchstabendreher unterlaufen. Beste Grüße, Lukas
Jacob
15.4.2022, 16:24:26
Ich habe mal gehört, dass die Haftung von Gutachtern nicht unter §
311 III BGBfällt, da es ansonsten zu nicht-versicherbaren Risiken führen würde. Vielleicht könnt Ihr das nach Prüfung mit aufnehmen :)

Lukas_Mengestu
20.4.2022, 13:58:57
Hallo Jacob, die Rechtsprechung löst die Fälle der Gutachterhaftung in der Tat nicht über die
Sachwalterhaftung, sondern über den
Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter(vgl. zB BGH NJW 2014, 2345). In der Literatur stößt dies nach wie vor auf Kritik (MüKoBGB/Gottwald, 8. Aufl. 2019, BGB § 328 Rn. 167), da die Verfasser der
Schuldrechtsreform 2002 durch Einführung des § 313 Abs. 3 S. 2 BGB gerade auch diese Fälle mit umfassen wollten (MüKoBGB/Emmerich, 8. Aufl. 2019, BGB § 311 Rn. 198). Ein Grund für den Rückgriff auf den
Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritterist aber in der Tat, dass hierdurch die Möglichkeit offen bleibt, im Einzelnen die Interessen der Beteiligten und insbesondere das Haftungsrisiko des Experten zu berücksichtigen. Wir haben im Fall nun noch einen Hinweis auf den alternativen Lösungsweg der Rechtsprechung ergänzt. Beste Grüße, Lukas - für das
Jurafuchs-Team
Jacob
20.4.2022, 19:35:00
Klasse; danke für die tolle Erläuterung!
QuiGonTim
4.2.2024, 10:39:21
Müsste in dieser Alternative Lösungsweg in einer Klausur angesprochen werden?
QuiGonTim
20.2.2024, 11:28:33
Anscheinend werden die Fälle von Literatur (
culpa in contrahendo) und Rechtsprechung (
Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter) unterschiedlich gelöst. Wie geht man damit in der Klausur um? Sollte man beides prüfen? Muss man sich für einen Weg entscheiden?
Claire
14.8.2024, 15:23:53
Würde mich auch interessieren

Sebastian Schmitt
3.1.2025, 17:52:43
Hallo @[QuiGonTim](133054), hallo @Claire, in der Tat werden die hier vorgestellten Fälle der Gutachterhaftung nicht einheitlich gelöst (Einzelheiten zB bei MüKoBGB/Emmerich, 9. Aufl 2022, § 311 Rn 216 ff). Dabei schließen sich die Lösung über den
Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter(VzD, so die Rspr) und die Lösung über ein
vorvertragliches Schuldverhältnis(§ 311 III 2 BGB, so die wohl hL) gegenseitig aus. Denn wenn man dem Geschädigten eigene vorvertragliche Ansprüche aus cic zugesteht, dürfte es am Punkt "Schutzbedürftigkeit" iRd Grundsätze über den VzD fehlen (BeckOGK-BGB/Mäsch, Stand 1.10.2024, § 328 Rn 188). Zur nicht ganz einfachen Frage, wie man damit in der Klausur am besten umgeht: Sinnvoll ist sicherlich eine klare und argumentativ saubere Positionierung und Abgrenzung (zb iR eines Punkts "Anwendbarkeit" oder ähnliches), damit man zeigt, das Problem zu kennen und damit umgehen zu können. Welcher Position man folgt, ist dann (wie so häufig) nicht so entscheidend. Einfach "beides" zu prüfen halte ich angesichts der eben angesprochenen Exklusivität der beiden Ansprüche für riskant, zumal das von einer guten Lösungsskizze aus demselben Grund (jedenfalls vertieft) kaum vorgesehen sein wird und man sich noch zusätzlich in Zeitnot bringt. Den jeweils anderen Anspruch spricht man ja bei der Abgrenzung ohnehin an, dort kann man mE auch am besten kurz etwas zur gegenseitigen Exklusivität sagen, bevor man dann denjenigen Anspruch im Detail prüft, für den man sich entschieden hat. Viele Grüße, Sebastian - für das
Jurafuchs-Team
benjaminmeister
25.1.2025, 17:19:35
@[Sebastian Schmitt](263562) da
Jurafuchsüberwiegend Fälle nach der Rechtsprechung löst: Könntet ihr hitte in den Fragen noch knapp klarstellen, dass hier ein Weg der Literatur geprüft/aufgezeigt wird?

Sebastian Schmitt
27.1.2025, 18:31:54
Hallo @[benjaminmeister](216712), das ergibt sich ja im Wesentlichen schon aus unserem Vertiefungshinweis zur dritten Frage. Wir haben aber jetzt bei der ersten Frage zusätzlich angedeutet, dass wir im Weiteren einer Ansicht der Lit folgen. Viele Grüße, Sebastian - für das
Jurafuchs-Team

Kiara256
13.6.2024, 11:19:21
Leider funktionieren die Links zu anderen Aufgaben nicht. Die Links zu den Gesetzestexten funktionieren hingegen einwandfrei. Ist das nur mein Problem, oder ist das ein allgemeines Problem?
Lukas
26.8.2024, 18:04:24
Der Link funktioniert für mich leider auch nicht :(