Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Haftung aus culpa in contrahendo (Leistungsstörungsrecht)

Fehlerhafte Grundstücksbewertung – Sachwalterhaftung (§ 311 Abs. 3 S. 2 BGB)

Fehlerhafte Grundstücksbewertung – Sachwalterhaftung (§ 311 Abs. 3 S. 2 BGB)

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V beauftragt den Sachverständigen D mit der Bewertung seines Grundstücks. V veranlasst D dazu, im Gutachten einen zu hohen Grundstückswert anzugeben. K schließt mit V daraufhin einen wirksamen Kaufvertrag zu einem überhöhten Preis ab.

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Einordnung des Falls

Fehlerhafte Grundstücksbewertung – Sachwalterhaftung (§ 311 Abs. 3 S. 2 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Da D nicht am Vertrag beteiligt war, scheiden vertragliche und quasi-vertragliche Ansprüche des K gegen D aus.

Nein!

Verträge begründen Verpflichtungen grundsätzlich allein zwischen den am Vertrag beteiligten Parteien (Relativität der Schuldverhältnisse). Für die cic gilt nichts anderes: Dritte werden daraus grundsätzlich weder berechtigt noch verpflichtet. Eine Ausnahme bildet § 311 Abs. 3 BGB, wonach ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 auch zu Personen entstehen kann, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis "entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst."(§ 311 Abs. 3 S. 2 BGB).
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2. Zwischen K und D besteht ein vorvertragliches Schuldverhältnis (§ 311 Abs. 3 BGB).

Genau, so ist das!

Bei dem vorvertraglichen Schuldverhältnis nach § 311 Abs. 3 BGB handelt es sich um eine Eigenhaftung von Vertretern und Verhandlungsgehilfen. Die wichtigsten Fälle sind: (1) die Haftung desjenigen, der ein eigenes unmittelbares, wirtschaftliches Interesse an dem Vertragsabschluss hat (sog. Prokurator in rem suam) und (2) die Sachwalterhaftung. Sachwalter sind solche Personen, die wegen ihrer besonderen Sachkunde in hohem Maße das persönliche Vertrauen des Vertragspartners in Anspruch nehmen und diesem erst dadurch die Gewähr für eine ordnungsgemäße Durchführung riskanter Geschäfte geben. D nahm als Gutachter in besonderem Maße Vertrauen für sich persönlich in Anspruch und hat dadurch eine zusätzliche persönliche Gewähr für den Wert des Grundstücks übernommen. Als Sachwalter ist er in ein vorvertragliches Schuldverhältnis mit K einbezogen.

3. K hat gegen D einen Schadenersatzanspruch aus cic (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 S. 2, 241 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

D hat vorsätzlich falsche Angaben zum Grundstückswert gemacht und somit seine Schutzpflicht schuldhaft verletzt. Der Schaden des K besteht in der Belastung mit einem nicht (in dieser Form) gewollten Kaufvertrag. K ist so zu stellen, wie er stünde, hätte D nicht vorsätzlich ein falsches Gutachten erstellt (=Differenzhypothese). Entweder wäre dann gar kein Kaufvertrag zustande gekommen oder aber es wäre K bei ordnungsmäßiger Aufklärung gelungen, einen für ihn günstigeren Vertrag abzuschließen. Da D keine Vertragspartei ist, kann er den Vertrag nicht aufheben. K kann von D aber zumindest die Wertdifferenz zwischen dem hypothetischen und dem tatsächlichen Kaufpreis verlangen.Die Rechtsprechung greift zur Lösung der Gutachterfälle dagegen auch nach Einführung des § 311 Abs. 3 S. 2 BGB weiter auf den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zurück. Mehr dazu: hier!

4. K hat gegen D deliktische Schadensersatzansprüche.

Ja!

Schadenersatzansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB scheiden aus, da das bloße Vermögen kein absolut geschütztes Recht darstellt. Ein Schadenersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB scheitert an der fehlenden Absicht stoffgleicher Bereicherung. Ein Anspruch aus § 826 BGB kommt aber in Betracht: Darin, dass D dem K vorsätzlich einen zu teuren Grundstückswert nannte, liegt eine sittenwidrige Schädigung. D handelte auch zumindest mit dolus directus 2. Grades (Wissen) hinsichtlich einer Vermögensschädigung des K und damit vorsätzlich. K kann von D Schadenersatz aus § 826 BGB verlangen.

5. K kann den Kaufvertrag mit V wegen arglistiger Täuschung anfechten (§ 123 Abs. 2 BGB)

Genau, so ist das!

K wurde von D arglistig über den tatsächlichen Wert des Grundstücks getäuscht. Er unterlag einem Irrtum, der ihn zum Abschluss dieses Kaufvertrages veranlasst hat. Zwar steht D nicht „im Lager“ des V. Allerdings hatte V Kenntnis von der Täuschung des D, sodass diese dem V zugerechnet wird (§ 123 Abs. 2 BGB). In Kenntnis des wahren Werts des Grundstücks wäre gar kein Kaufvertrag zustande gekommen oder aber es wäre K bei ordnungsmäßiger Aufklärung gelungen, einen für ihn günstigeren Vertrag abzuschließen. K kann seine Willenserklärung, gerichtet auf Abschluss des Kaufvertrages, anfechten.
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