Ausschluss nach § 817 S. 2 BGB: Schwarzarbeiterfall


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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K beauftragt den H damit, größere Handwerksarbeiten „schwarz“ durchzuführen, das heißt H führt weder Steuern noch Sozialversicherungsbeiträge ab („Ohne-Rechnung-Abrede“). H weiß zwar, dass er hiermit gegen das Verbot der Schwarzarbeit verstößt, denkt aber gleichwohl, der Vertrag mit K sei wirksam. Als H nach Fertigstellung seinen Lohn fordert, verweigert K die Zahlung.

Einordnung des Falls

Ausschluss nach § 817 S. 2 BGB: Schwarzarbeiterfall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. H hat gegen K einen Anspruch auf Zahlung aus dem Werkvertrag (§ 631 Abs. 1 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

H und K haben sich zwar geeinigt, aber der Vertrag könnte gem. § 134 BGB nichtig sein. Das wäre dann der Fall, wenn der Vertrag gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Gesetze im Sinne von § 134 BGB sind alle Rechtsnormen, die nach ihrem Sinn und Zweck die Vornahme des Rechtsgeschäfts wegen seines Inhalts bzw. bezweckten Erfolges untersagen. Der Verstoß des H gegen § 370 AO genügt nicht, da diese sich gegen die nicht ordnungsgemäße Steuerentrichtung wendet, solange die Steuerhinterziehung nicht Hauptzweck des Vertrages ist (str.). Allerdings ist der Vertrag gem. § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG nichtig, welcher sich gegen den Inhalt des Vertrages richtet, da nur so sein Zweck, die Verhinderung von Schwarzarbeit, verhindert werden kann. Es handelt sich somit um ein Verbotsgesetz.

2. K hat „etwas erlangt" (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

„Etwas“ im Sinne von § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ist jede vorteilhafte Rechtsposition. Der Vorteil muss tatsächlich in das Vermögen des Schuldners übergegangen sein. Man kann vier Kategorien unterscheiden: (1) Rechte (z.B. Eigentum), (2) vorteilhafte Rechtsstellungen (z.B. Besitz), (3) Befreiung von Verbindlichkeiten, (4) erlangte Nutzungen an fremden Sachen oder Rechten. K hat die Handwerksleistungen des H als solche erlangt.

3. K hat die Handwerksleistung „durch Leistung“ des H erlangt (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Ja!

Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Die Zweckbestimmung der Leistung ist eine geschäftsähnliche Handlung. Das Vorliegen einer Leistung ist aus der objektiven Empfängersicht (§§ 133, 157 BGB) zu beurteilen. H wollte hier seine vermeintliche Verpflichtung aus dem Werkvertrag erfüllen. Er hat dazu zweck- und zielgerichtet das Vermögen des K gemehrt.

4. H hat die Leistung an K „ohne rechtlichen Grund“ (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) erbracht.

Genau, so ist das!

Das Merkmal "ohne rechtlichen Grund" entscheidet darüber, ob der Bereicherte die Bereicherung behalten darf. Es gibt keine einheitliche Definition der Rechtsgrundlosigkeit, die für alle Leistungskondiktionen gelten würde. Es sind zu unterscheiden: (1) Leistung zur Befreiung von einer Verbindlichkeit (condictio indebiti), (2) Rechtsgrund bestand, ist aber ex nunc entfallen (condictio ob causam finitam), (3) Leistung verfolgt einen Zweck, der über Befreiung von einer Verbindlichkeit hinausgeht (condictio ob rem) und (4) Gesetzes- oder Sittenverstoß des Leistungsempfängers (condiction ob turpem vel iniustam causam). Zu (1): Bei der condictio indebiti fehlt der Rechtsgrund, wenn der mit der bewussten Vermögensmehrung verfolgte Zweck verfehlt worden ist. H wollte seine Schuld aus dem Werkvertrag erfüllen. Dieser Zweck wurde verfehlt, weil K einen Werklohnanspruch nicht hatte.

5. Die Voraussetzungen des Ausschlussgrunds des § 817 S. 2 BGB liegen vor (Gesetzesverstoß).

Ja, in der Tat!

H als Leistender hat gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßen. Hiernach soll nicht nur die Steuerhinterziehung verhindert werden, sondern auch Wettbewerbsverzerrung eingeschränkt und gesetzestreue Konkurrenten geschützt werden. Bereits die Erbringung der Leistung verstößt gegen die Norm. Zudem ist in Form des bewussten Gesetzesverstoßes des H auch die subjektive Anforderung erfüllt. In seiner früheren Rechtsprechung hatte der BGH die Anwendung von § 817 S. 2 BGB noch mit Verweis auf § 242 BGB abgelehnt und dem Schwarzarbeiter Wertersatz zugesprochen (vgl. BGH NJW 1990, 2542). Davon ist er nun gänzlich abgerückt. Bei Sittenverstößen genügt für § 817 S. 2 die Kenntnis der relevanten Umstände; mindestens aber ist aus dieser Kenntnis der (unwiderlegliche) Schluss zu ziehen, der Leistende müsse sich des Sittenverstoßes bewusst gewesen sein. Die Rechtsprechung sieht die subjektiven Anforderungen des § 817 S. 2 BGB als erfüllt an, wenn der Leistende sich der Einsicht in die Sittenwidrigkeit leichtfertig verschließe.

6. Der Wertersatzanspruch ist ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen des § 817 S. 2 BGB vorliegen.

Ja!

Nach § 817 S. 2 BGB ist die Leistungskondiktion ausgeschlossen, wenn dem Empfänger und dem Leistenden ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder guten Sitten zur Last fällt. Derjenige, der verbots- oder sittenwidrig handelt, soll sich bei der Rückforderung nicht auf das eigene sittenwidrige Verhalten berufen können. Entgegen des Wortlauts des § 817 S. 2 BGB genügt es nach hM, wenn nur dem Leistenden ein solcher Verstoß zur Last fällt. Der Leistende dürfte nicht dadurch besser stehen, dass der Empfänger sich nicht sittenwidrig verhalten hat.

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ROB

Robitobbi

5.1.2021, 15:30:29

Es würde sich doch anbieten, hier noch auf die früher von der Rspr. vertretene Korrektur über 242 einzugehen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

29.11.2021, 15:07:29

Danke Robitobbi, das haben wir nun als Vertiefung mit aufgenommen :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

JO

jomolino

24.1.2022, 15:53:09

Und vielleicht noch als Hinweis dazu ergänzen, dass nach heutiger Ansicht der Nachteil des Werkunternehmers dadurch ausgeglichen ist, dass der Besteller ja gerade auch keine Gewährleistungsrechte hat.

AN

Antonia:

2.12.2021, 09:16:29

Müsste hier nicht § 817 S.1 BGB als speziellere Kondiktion vor § 812 I 1 1. Alt. BGB geprüft werden, wenn man genau sein will?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

2.12.2021, 11:39:35

Hallo Antonia, vielen Dank für Deine Frage. Das genaue Verhältnis zwischen § 817 S. 1 BGB und § 812 Abs. 1 S. 1 BGB ist recht umstritten. Ein Vorrang wird § 817 S. 1 BGB aber von der hM nicht eingeräumt und teilweise wird sogar bestritten, dass für die Normierung des § 817 S. 1 BGB überhaupt ein sinnvoller Anwendungsbereich besteht(vgl. Schwab, in: MüKo-BGB, 8.A. 2020, § 817 RdNr. 4, 5 BGB mwN). So solle § 817 S. 1 BGB nur dann zum tragen kommen, wenn der Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB wegen §§ 814, 815 BGB ausgeschlossen sei oder die Sitten- oder Gesetzeswidrigkeit nicht zur Nichtigkeit des Kausalgeschäfts führt. (vgl. Wendehorst, in: BeckOK BGB, 60.Ed. 1.11.2021, § 817 RdNr. 6 mwN; Stadler, in: Jauernig-BGB, 18.A.2021, § 817 RdNr. 1 ff). Ein Vorrang des § 817 S. 1 BGB gegenüber § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB wird insoweit überwiegend abgelehnt, sodass man in den Fällen in denen die Voraussetzungen der

condictio indebiti

(§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) vorliegen, den Anspruch direkt darauf stützen kann. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

🔥1312

🔥1312🔥

9.3.2023, 08:33:30

Würde hier aber dann § 812 I 2 Alt. 2 greifen so wie in dem Fall mit dem Vertrag über das Grundstück, bei dem ein niedriger Preis notariell beurkundet wurde um Geld zu sparen?

RAP

Raphaeljura

13.9.2023, 05:36:17

Ist schon eine spannende Sache. Wenn man davon ausgeht, dass solche Schwarzarbeiten verbreitet sind, dann kann der Auftraggeber nach Beendigung des Werks sich immer einen schlanken Fuß machen. Insofern liegt das Risiko überwiegend beim Arbeitenden. Wobei natürlich dem Auftraggeber auch keine etwaige Schadensersatzansprüche zustehen.

Richter Alexander Hold

Richter Alexander Hold

20.11.2023, 18:38:52

Deswegen verlangen Schwarzarbeiter meist Vorkasse, habe ich gehört…

HAGE

hagenhubl

6.5.2024, 12:48:40

Aber dann trägt der Auftraggeber das Risiko, dass der Schwarzarbeiter das Geld kassiert und dann nicht arbeitet. Dem BGH ist mit der Entscheidung ein Glücksgriff gelungen. Der Vorleistende muss auf die Ganovenehrlichkeit des anderen Teils vertrauen und muss sonst umsonst leisten. Besser kann man die Schwarzarbeit nicht bekämpfen. Das war sogar mein erster Gedanke als ich als Ersti von dem Problem das erste Mal hörte. Auch mein Repetitor für das erste Examen begrüßte die Entscheidung.


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