Kann auch ein alter Wohnungsschlüssel falsch sein? - Jurafuchs


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs Illustration: T ist dabei, mit einem alten versteckten Schlüssel in eine Wohnung einzudringen.
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Klassisches Klausurproblem

Um Os DS-Konsole zu stehlen, hebelt T die Eingangstür des Mehrfamilienhauses auf, in dem O wohnt. Anschließend verschafft sie sich mittels eines vom Vormieter versteckten Schlüssels Zugang zu Os Mietwohnung und nimmt die Konsole mit. O hatte keine Kenntnis von der Existenz dieses Schlüssels.

Einordnung des Falls

Der BGH stellt in dieser Entscheidung klar, dass es bei der Beurteilung der Echtheit eines Schlüssels i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 StGB um die Widmung des Schlüssels zum Öffnen des Schlosses geht. Im Fall ging es um einen alten Schlüssel zur Wohnung, den der Täter noch von der Vormieterin hatte. Dieser sei aber nicht von der jetzigen Mieterin zur ordnungsgemäßen Öffnung ihres Wohnungstürschlosses bestimmt und somit „falsch“. Allein maßgeblich ist dabei die Widmung der durch den Mietvertrag berechtigten Mieterin, nicht etwa auch die des Vermieters.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat T sich des Diebstahls strafbar gemacht, indem sie die Konsole mitnahm (§ 242 Abs. 1 StGB)?

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Genau, so ist das!

Der Tatbestand des Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB) setzt objektiv (1) die Wegnahme einer (2) fremden beweglichen Sache und subjektiv (3) Vorsatz und (4) die Absicht rechtswidriger Zueignung voraus. T hat die Konsole des O und damit eine fremde bewegliche Sache weggenommen, d.h. den Gewahrsam des O gebrochen und eigenen Gewahrsam begründet. T handelte vorsätzlich und mit Zueignungsabsicht. Es bestehen keine Rechtfertigungsgründe und sie handelte schuldhaft. Wenn alle Tatbestandsmerkmale so unproblematisch vorliegen, kannst du dich mit Ausführungen sehr kurz halten oder direkt in Verbindung mit eine Qualifikation prüfen

2. Hat T sich des schweren Wohnungseinbruchsdiebstahls strafbar gemacht, indem sie die Tür des Mehrfamilienhauses aufhebelte (§ 244 Abs.1 Nr. 3, Abs. 4 StGB)?

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Nein, das trifft nicht zu!

Die Qualifikation des § 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 StGB setzt zunächst voraus, dass der Täter in eine Wohnung eindringt. Zu einer Wohnung gehören grundsätzlich alle Räumlichkeiten, die Menschen zumindest vorübergehend als Unterkunft dienen. Nebenräume sind nur dann vom Schutzbereich umfasst, wenn sie mit dem eigentlichen Wohnraum unmittelbar verbunden und daher so integriert sind, dass insgesamt eine in sich geschlossene Wohneinheit vorliegt. Durch das Aufhebeln der Eingangstür gelangte T nicht in den privaten Wohnbereich des O. Vielmehr musste sie dafür noch dessen Wohnungstür öffnen. Es liegt keine in sich geschlossene Wohneinheit vor.

3. Ist sie in dessen Wohnung eingebrochen (§ 244 Abs.1 Nr. 3 Var. 1, Abs. 4 StGB), indem T die Wohnungstür des O aufschloss?

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Nein!

Zu einer Wohnung gehören grundsätzlich alle Räumlichkeiten, die Menschen zumindest vorübergehend als Unterkunft dienen. Einbrechen bezeichnet das gewaltsame Öffnen von Umschließungen, die ein tatsächliches Hindernis bilden. Erforderlich ist hierbei eine nicht ganz unerhebliche Kraftentfaltung oder ein entsprechender Werkzeugeinsatz. T drang in Os private Unterkunft ein. Allerdings öffnete T die Wohnungstür des O mittels eines passenden Schlüssels und damit nicht gewaltsam.

4. Könnte T mittels eines falschen Schlüssels in die Wohnung eingedrungen sein (§ 244 Abs.1 Nr.3 Var.3, Abs.4 StGB)?

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Genau, so ist das!

Ein Schlüssel ist falsch, wenn ihm zum Tatzeitpunkt die Widmung des Berechtigten zum Öffnen des Schlosses fehlt. Abzugrenzen vom Gebrauch eines falschen Schlüssels ist der Missbrauch eines richtigen Schlüssels. Ein richtiger Schlüssel wird missbraucht, wenn er unbefugt verwendet wird. T benutzte den vom Vormieter versteckten Schlüssel. Maßgeblich ist, ob dieser zum Tatzeitpunkt zum Öffnen der Wohnungstür der O gewidmet war.

5. Ist allein die Eigentümerin der Mietwohnung zur Entwidmung des Schlüssel berechtigt?

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Nein, das trifft nicht zu!

Ein Schlüssel ist falsch, wenn die Berechtigte ihn nicht dazu gewidmet hat, die Tür zu öffnen. Berechtigte ist, wem die Verfügungsgewalt über die Wohnung zusteht. Bei einem bestehenden Mietverhältnis steht die Verfügungsgewalt der Mieterin zu, sodass es auf deren Widmung ankommt. Zum Tatzeitpunkt steht O als Mieter die Verfügungsgewalt über seine Wohnung zu. Für die Frage der Entwidmung ist allein sein Wille ausschlaggebend.

6. Hat O den Schlüssel entwidmet?

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Ja!

Der BGH fordert zur Entwidmung des Schlüssels eine Willenserklärung des Berechtigten. Eine konkludente Erklärung ist hierfür ausreichend. Ohne das Wissen der Berechtigten existierende Schlüssel sind entwidmet, weil die Berechtigte davon ausgehen kann, zu Beginn ihrer Berechtigung alle Schlüssel erhalten zu haben. O wusste nicht von der Existenz des versteckten Schlüssels. Als Mieter kann er davon ausgehen zu Beginn des Mietverhältnisses alle Wohnungsschlüssel erhalten zu haben. O hat konkludent festgelegt, dass nur die ihm ausgehändigten Schlüssel zur Öffnung der Tür gewidmet sind.In der Literatur wird teilweise auf die äußeren Umstände und die Tatsachenkenntnis des Berechtigten abgestellt. Auch danach wäre der Schlüssel hier entwidmet.

7. Hat T sich des schweren Wohnungseinbruchsdiebstahls strafbar gemacht (§ 244 Abs.1 Nr. 3, Abs. 4 StGB)?

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Genau, so ist das!

§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB regelt den Qualifikationstatbestand des Wohnungseinbruchsdiebstahls. Die Täterin muss mittels einer in § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB genannten Tathandlung in eine Wohnung gelangen. Handelt es sich um eine dauerhaft genutzte Privatwohnung, so ist auch § 244 Abs.4 StGB verwirklicht, der den Wohnungseinbruchsdiebstahl zu einem Verbrechen erhebt. T entnahm die Konsole aus der dauerhaft benutzen Privatwohnung des O, in welche sie mittels eines falschen Schlüssels gelangte. Sie handelte vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft. Bei der Qualifikation des Wohnungseinbruchsdiebstahl handelt es sich um einen Spezialfall des Regelbeispiels in § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB.

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