Trickdiebstahl & Computerbetrug

8. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

A betritt einen Supermarkt mit Selbstbedienungskasse. Er nimmt ein „Playboy“-Magazin (€5) in die Hand und reißt aus der Tageszeitung „WAZ“ (€1,20) den Strichcode heraus. An der Kasse hält er den ausgerissenen Strichcode unter das Lesegerät und bezahlt €1,20. Als er mit dem „Playboy“ den Supermarkt verlassen will, hält ihn Ladendetektiv L auf.

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Einordnung des Falls

Trickdiebstahl & Computerbetrug

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat „neuen Gewahrsam begründet“.

Ja, in der Tat!

Gewahrsam ist die vom Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft. Ob und wessen Gewahrsam besteht, ist nach den Umständen des Einzelfalles und den Anschauungen des Verkehrs oder des täglichen Lebens zu beurteilen. Eine tatsächliche Sachherrschaft liegt vor, solange der Berechtigte auf die Sache unter normalen Umständen einwirken kann und seiner Herrschaft keine Hindernisse entgegenstehen. OLG Hamm: Mit dem Passieren des Kassenbereichs habe T neuen, eigenen Gewahrsam an der Zeitschrift begründet.
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2. A hat „fremden Gewahrsam gebrochen“.

Ja!

OLG Hamm: Mit dem Aufstellen von Selbstbedienungskassen erkläre der Supermarktbetreiber durchaus ein generelles Einverständnis in einen Gewahrsamsübergang. Unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung und der berechtigten Geschäftsinteressen des Verkäufers sei indes zu unterstellen, dass dieser sein Einverständnis nur unter der Bedingung erteilt, dass die Selbstbedienungskasse äußerlich ordnungsgemäß bedient wird. Dazu gehöre das korrekte Einscannen und Bezahlen der tatsächlich zur Selbstbedienungskasse mitgebrachten Ware.Da T eine andere als die zuvor eingescannte und bezahlte Zeitschrift mitgenommen habe, seien die Bedingungen für ein Einverständnis in den Gewahrsamswechsel nicht gegeben. Daneben ist ein Computerbetrug zu prüfen. Mangels Tathandlung ist dieser aber nicht erfüllt. Das "sonstige unbefugte Einwirken" (Var. 4) muss betrugsspezifisch also täuschungsäquivalent geprüft werden. Maßstab ist ein fiktiver Kassierer, prüft wie die Kasse nur ob der aus dem Strichcode eingelesene Preis gezahlt wird. Dies ist der Fall. (§ 263a StGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Ciranje

Ciranje

28.11.2020, 18:03:08

Hier das Gleiche... Warum kein Bruch fremden Gewahrsams bei SB Tanken aber an der SB Kasse?

lucylawless

lucylawless

29.1.2021, 09:37:33

Weil es auf das Einverständnis für den Gewahrsamsübergang geht: Der Tankstellenbetreiber ist damit einverstanden, dass der "Kunde" erst Gewahrsam an dem Benzin erlangt und dann bezahlt. Der Supermarktinhaber hingegen ist nur bei ordnungsgemäßer Bedienung der Kasse mit dem Gewahrsamsübergang einverstanden.

TERE

Teresa

16.3.2021, 21:40:22

Das überzeugt mich ehrlich gesagt nicht, bei mir bleibt das selbe Unverständnis wie bei Ciranje, denn: Auch im Supermarkt wird in anderen Fällen zu Recht gesagt, dass schon durch das Ansichnehmen Gewahrsam begründet wird, lange bevor die Sache bezahlt wird. Ich erkenne keinen Unterschied im Interesse und im vmtl. Einverständnis des Tankstellenbetreibers und des Ladeninhabers. Darauf deutet auch die tatsächliche Praxis an SB-Tankstellen, an denen i.d.R. zuvor per Karte ein bestimmter Betrag freigeschaltet wird und man das Benzin nicht entnehmen kann, ohne die Bezahlung zuvor sicherzustellen.

lucylawless

lucylawless

17.3.2021, 07:23:08

Ja bei dieser Art von Tankstelle ist der Betreiber dann erst ab Aufladung des Betrages mit der Betankung einverstanden. Aber wenn eine solche Vorrichtung fehlt, schon vorher. Dass man durch das Einstecken von kleinen Gegenständen im Supermarkt an diesen Gewahrsam begründet, ist richtig, aber eben ohne Einverständnis des Supermarktinhabers. Oder verstehe ich die Frage irgendwie falsch?

SARA

sarakw

5.4.2021, 10:37:30

Vielleicht hilft euch dieser Erklärungsansatz weiter: Es ist zu beachten, dass man ein

tatbestandsausschließendes Einverständnis

nur an äußere Tatsachen, nicht aber an innere Tatsachen, wie etwa eine Zahlungsbereitschaft, knüpfen kann. Die ordnungsgemäße Bedienung einer Selbstbedienungskasse oder eines Warenautomaten ist eine solche äußere Tatsache. Wurde nicht ordnungsgemäß bedient, so ist sind die Voraussetzungen des tatbestandsausschließenden Einverständnisses nicht erfüllt. Daher liegt ein Bruch fremden Gewahrsams vor. Die Zahlungsbereitschaft beim Tanken ist allerdings eine innere Tatsache und der Verkehrsanschauung daher nicht zugänglich. Ein

tatbestandsausschließendes Einverständnis

mit der Zahlungsbereitschaft des Kunden zu bedingen, ist nicht zulässig. Daher kein

Gewahrsamsbruch

.

TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

26.4.2021, 07:37:38

Danke, sarakw! Habe/hatte das gleiche Problem wie Ciranje und Teresa und finde deine Erklärung hilfreich 😊👍

BigLebowski

BigLebowski

19.5.2024, 22:05:54

So wirklich leuchtet es mir auch weiterhin nicht ein. Schließlich kann ich beim Tanken auch auf ein objektives Merkmal abstellen (Zahlen beim Mitarbeiter/am Schalter) und somit das Einverständnis objektiv bedingen. Genauso könnte ich im

Selbstbedienungsladen

auf eine mangelnde Zahlungsbereitschaft abstellen und damit auf ein subjektives Merkmal, das nicht das Einverständnis bedingen könnte. Es wäre mMn konsequenter, in beiden Fällen auf die objektive Sachlage - Kunde bedient Kasse nicht/zahlt nicht - abzustellen. Der Grund für eine Differenzierung, einmal aufs Subjektive, einmal aufs Objektive abzustellen, erschließt sich mir nicht.

Dogu

Dogu

22.7.2024, 08:42:26

@[BigLebowski](212337) Aber wie soll man denn das Tanken objektiv im Zeitpunkt des Gewahrsamswechsels von einem nachfolgenden Ereignis abhängig machen? Das geht nur für vorherige Ereignisse. Ich muss ja im Zeitpunkt des Gewahrsamswechsels feststellen, ob der Inhaber einverstanden ist oder nicht. Ansonsten würde Diebstahl ja zu einem Vermögensdelikt.

MAR

Martymcfly

8.4.2021, 14:40:42

Müsste man hier vorher noch den § 263a I Nr. 3 prüfen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

14.4.2021, 17:31:28

Hallo Martymcfly, dies dürfte gerade im ersten Examen auf jeden Fall erwartet werden. Dabei kann man auch kurz die übrigen Varianten des § 263a I ansprechen, wobei der Schwerpunkt natürlich auf den verschiedenen Auffassungen bzgl. der unbefugten Verwendung von Daten liegt. Die Auseinandersetzung ist auch deshalb für Prüfer spannend, weil noch die Vorinstanz des OLG Hamm in dem zugrunde liegenden Fall einen Computerbetrug angenommen hatte. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

MIA

miamiu

27.3.2024, 19:08:32

Würde sich der Täter nur nach der

Urkundenfälschung

hier strafbar machen?

LELEE

Leo Lee

29.3.2024, 06:10:13

Hallo miamiu, vielen Dank für die sehr gute Frage! Wenn jemand die Barcodes autauscht und damit die Ware „erhält“ und mit nach Hause nimmt (bzw. nach dem Scannen etc. aufgehalten wird), kommen neben 267 noch zahlreiche Delikte in Betracht (das Thema ist seit ein paar Jahren beliebtes Thema auch in Repetitorien!). Es kommen z.B. auch §§ 242, 263, 263a und 246 in Betracht. Hierzu gibt es bei iurastudent einen sehr guten aufbereiteten Fall vom OLG Hamm aus dem Jahre 2013, den du hier findest: https://www.iurastudent.de/leadingcase/der-playboyheft-fall-olg-hamm-5-rvs-5613 :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

B🐝

Bienenschwarmvereinigung 🐝🐝🐝

18.7.2024, 12:14:40

Wieso wird hier jetzt nichts bezüglich des Ladendetektivs und einem möglichen Einverständnis in den Gewahrsamswechsel gesagt`?

AG

agi

10.10.2024, 17:09:48

Ich glaube dafür gibt der konkrete Sachverhalt einfach zu wenig her . Grds. kommt es darauf an, ob der Ladendetektiv dem vermeintlichen Täter eine „

Diebesfalle

“ stellt, oder nicht. Wird eine „Falle“ gestellt und hofft der Ladendetektiv, dass jemand dies ausnutzt und den Gegenstand einsteckt, liegt ein

tatbestandsausschließendes Einverständnis

vor. Es fehlt mithin am Bruch fremden Gewahrsams, iRd Definition der ,,Wegnahme“. Dem Wortlaut nach, ist der Diebstahl, jedoch kein heimliches Delikt, weswegen grds. der beobachtete Diebstahl strafbar sein kann, sofern dieser nicht auf einer „

Diebesfalle

“ beruht. Eine mM jedoch verneint den

Gewahrsamsbruch

sobald ein Hindernis in Form des Beobachtens vorliegt.


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