Trickdiebstahl & Computerbetrug
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A betritt einen Supermarkt mit Selbstbedienungskasse. Er nimmt ein „Playboy“-Magazin (€5) in die Hand und reißt aus der Tageszeitung „WAZ“ (€1,20) den Strichcode heraus. An der Kasse hält er den ausgerissenen Strichcode unter das Lesegerät und bezahlt €1,20. Als er mit dem „Playboy“ den Supermarkt verlassen will, hält ihn Ladendetektiv L auf.
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Einordnung des Falls
Trickdiebstahl & Computerbetrug
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A hat „neuen Gewahrsam begründet“.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. A hat „fremden Gewahrsam gebrochen“.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Ciranje
28.11.2020, 18:03:08
Hier das Gleiche... Warum kein Bruch fremden Gewahrsams bei SB Tanken aber an der SB Kasse?
lucylawless
29.1.2021, 09:37:33
Weil es auf das Einverständnis für den Gewahrsamsübergang geht: Der Tankstellenbetreiber ist damit einverstanden, dass der "Kunde" erst Gewahrsam an dem Benzin erlangt und dann bezahlt. Der Supermarktinhaber hingegen ist nur bei ordnungsgemäßer Bedienung der Kasse mit dem Gewahrsamsübergang einverstanden.
Teresa
16.3.2021, 21:40:22
Das überzeugt mich ehrlich gesagt nicht, bei mir bleibt das selbe Unverständnis wie bei Ciranje, denn: Auch im Supermarkt wird in anderen Fällen zu Recht gesagt, dass schon durch das Ansichnehmen Gewahrsam begründet wird, lange bevor die Sache bezahlt wird. Ich erkenne keinen Unterschied im Interesse und im vmtl. Einverständnis des Tankstellenbetreibers und des Ladeninhabers. Darauf deutet auch die tatsächliche Praxis an SB-Tankstellen, an denen i.d.R. zuvor per Karte ein bestimmter Betrag freigeschaltet wird und man das Benzin nicht entnehmen kann, ohne die Bezahlung zuvor sicherzustellen.
lucylawless
17.3.2021, 07:23:08
Ja bei dieser Art von Tankstelle ist der Betreiber dann erst ab Aufladung des Betrages mit der Betankung einverstanden. Aber wenn eine solche Vorrichtung fehlt, schon vorher. Dass man durch das Einstecken von kleinen Gegenständen im Supermarkt an diesen Gewahrsam begründet, ist richtig, aber eben ohne Einverständnis des Supermarktinhabers. Oder verstehe ich die Frage irgendwie falsch?
sarakw
5.4.2021, 10:37:30
Vielleicht hilft euch dieser Erklärungsansatz weiter: Es ist zu beachten, dass man ein
tatbestandsausschließendes Einverständnisnur an äußere Tatsachen, nicht aber an innere Tatsachen, wie etwa eine Zahlungsbereitschaft, knüpfen kann. Die ordnungsgemäße Bedienung einer Selbstbedienungskasse oder eines Warenautomaten ist eine solche äußere Tatsache. Wurde nicht ordnungsgemäß bedient, so ist sind die Voraussetzungen des tatbestandsausschließenden Einverständnisses nicht erfüllt. Daher liegt ein Bruch fremden Gewahrsams vor. Die Zahlungsbereitschaft beim Tanken ist allerdings eine innere Tatsache und der Verkehrsanschauung daher nicht zugänglich. Ein
tatbestandsausschließendes Einverständnismit der Zahlungsbereitschaft des Kunden zu bedingen, ist nicht zulässig. Daher kein
Gewahrsamsbruch.
TeamRahad 🧞
26.4.2021, 07:37:38
Danke, sarakw! Habe/hatte das gleiche Problem wie Ciranje und Teresa und finde deine Erklärung hilfreich 😊👍
BigLebowski
19.5.2024, 22:05:54
So wirklich leuchtet es mir auch weiterhin nicht ein. Schließlich kann ich beim Tanken auch auf ein objektives Merkmal abstellen (Zahlen beim Mitarbeiter/am Schalter) und somit das Einverständnis objektiv bedingen. Genauso könnte ich im
Selbstbedienungsladenauf eine mangelnde Zahlungsbereitschaft abstellen und damit auf ein subjektives Merkmal, das nicht das Einverständnis bedingen könnte. Es wäre mMn konsequenter, in beiden Fällen auf die objektive Sachlage - Kunde bedient Kasse nicht/zahlt nicht - abzustellen. Der Grund für eine Differenzierung, einmal aufs Subjektive, einmal aufs Objektive abzustellen, erschließt sich mir nicht.
Dogu
22.7.2024, 08:42:26
@[BigLebowski](212337) Aber wie soll man denn das Tanken objektiv im Zeitpunkt des Gewahrsamswechsels von einem nachfolgenden Ereignis abhängig machen? Das geht nur für vorherige Ereignisse. Ich muss ja im Zeitpunkt des Gewahrsamswechsels feststellen, ob der Inhaber einverstanden ist oder nicht. Ansonsten würde Diebstahl ja zu einem Vermögensdelikt.
Martymcfly
8.4.2021, 14:40:42
Müsste man hier vorher noch den § 263a I Nr. 3 prüfen?
Lukas_Mengestu
14.4.2021, 17:31:28
Hallo Martymcfly, dies dürfte gerade im ersten Examen auf jeden Fall erwartet werden. Dabei kann man auch kurz die übrigen Varianten des § 263a I ansprechen, wobei der Schwerpunkt natürlich auf den verschiedenen Auffassungen bzgl. der unbefugten Verwendung von Daten liegt. Die Auseinandersetzung ist auch deshalb für Prüfer spannend, weil noch die Vorinstanz des OLG Hamm in dem zugrunde liegenden Fall einen Computerbetrug angenommen hatte. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
miamiu
27.3.2024, 19:08:32
Würde sich der Täter nur nach der Urkundenfälschung hier strafbar machen?
Leo Lee
29.3.2024, 06:10:13
Hallo miamiu, vielen Dank für die sehr gute Frage! Wenn jemand die Barcodes autauscht und damit die Ware „erhält“ und mit nach Hause nimmt (bzw. nach dem Scannen etc. aufgehalten wird), kommen neben 267 noch zahlreiche Delikte in Betracht (das Thema ist seit ein paar Jahren beliebtes Thema auch in Repetitorien!). Es kommen z.B. auch §§ 242, 263, 263a und 246 in Betracht. Hierzu gibt es bei iurastudent einen sehr guten aufbereiteten Fall vom OLG Hamm aus dem Jahre 2013, den du hier findest: https://www.iurastudent.de/leadingcase/der-playboyheft-fall-olg-hamm-5-rvs-5613 :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Bienenschwarmvereinigung 🐝🐝🐝
18.7.2024, 12:14:40
Wieso wird hier jetzt nichts bezüglich des Ladendetektivs und einem möglichen Einverständnis in den Gewahrsamswechsel gesagt`?
agi
10.10.2024, 17:09:48
Ich glaube dafür gibt der konkrete Sachverhalt einfach zu wenig her . Grds. kommt es darauf an, ob der Ladendetektiv dem vermeintlichen Täter eine „
Diebesfalle“ stellt, oder nicht. Wird eine „Falle“ gestellt und hofft der Ladendetektiv, dass jemand dies ausnutzt und den Gegenstand einsteckt, liegt ein
tatbestandsausschließendes Einverständnisvor. Es fehlt mithin am Bruch fremden Gewahrsams, iRd Definition der ,,Wegnahme“. Dem Wortlaut nach, ist der Diebstahl, jedoch kein heimliches Delikt, weswegen grds. der beobachtete Diebstahl strafbar sein kann, sofern dieser nicht auf einer „
Diebesfalle“ beruht. Eine mM jedoch verneint den
Gewahrsamsbruchsobald ein Hindernis in Form des Beobachtens vorliegt.