+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Kaufmann K wohnt in Andernach und betreibt in Koblenz einen Laden für Fitnessgeräte. B aus Trier kauft dort ein Laufband für € 6.000. Im Kaufvertrag steht: „Für Streitigkeiten aus dem Vertrag ist das Amtsgericht Andernach zuständig“. B zahlt den Kaufpreis trotz Mahnung nicht. K möchte Klage erheben.

Einordnung des Falls

Prorogation 2

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der allgemeine Gerichtsstand für eine Klage K gegen B liegt am Wohnsitz des B in Trier.

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Ja, in der Tat!

Die örtliche Zuständigkeit der Gerichte ergibt sich aus den §§ 12ff. ZPO. Grundsätzlich ist die Klage am allgemeinen (Wohn-)Sitz des Beklagten zu erheben (§§ 12, 13 ZPO).Demnach wäre ein Gericht in Trier örtlich zuständig.

2. Ein Gericht in Andernach ist örtlich zuständig, wenn K und B eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung (Prorogation) zugunsten von Andernach getroffen haben.

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Ja!

Grundsätzlich verbietet § 38 ZPO Gerichtsstandsvereinbarungen. Sie sind nur zulässig, wenn (1) einer der folgenden Fälle vorliegt: (a) beide Parteien sind Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen, oder (b) eine Partei hat keinen Sitz im Inland, oder (c) die Parteien haben die Gerichtsstandsvereinbarung nach Entstehen des Streits getroffen, oder (d) die beklagte Partei hat ihren Wohnsitz nach Vertragsschluss aus Deutschland verlegt oder ihr gewöhnlicher Aufenthaltsort ist bei Klageerhebung unbekannt. Weitere Voraussetzungen: (2) Bezug auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis (3) kein Streit i.S.d. § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO (4) kein ausschließlicher Gerichtsstand.

3. K und B sind „Kaufleute“ (§ 38 ZPO).

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Nein, das ist nicht der Fall!

K ist Kaufmann im Sinne des § 1 Abs. 1 HGB, B aber eine natürliche Person. Dies verhindert eine Gerichtsstandsvereinbarung (auch Prorogation genannt) nach § 38 Abs. 1 ZPO.Grund hierfür ist, dass Kaufleute meistens geschäftsgewandter und rechtserfahrener als ihre Kunden sind und eine geringere Schutzbedürftigkeit als diese aufweisen.

4. K und B haben die Gerichtsstandsvereinbarung nach Entstehung der Streitigkeit getroffen (§ 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

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Nein, das trifft nicht zu!

Eine Vereinbarung über den Gerichtsstand ist im nichtkaufmännischen Bereich ohne Auslandsbezug nur nach Entstehen der Streitigkeit wirksam („Verbraucherprorogation“, § 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).K und B haben die Vereinbarung bereits im Kaufvertrag getroffen.

5. Eine der Parteien hat ihren allgemeinen Gerichtsstand im Ausland (§ 38 Abs. 2 S. 1 ZPO).

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Nein!

Der allgemeine Gerichtsstand einer Person liegt an ihrem allgemeinen (Wohn-)Sitz, §§ 12, 13 ZPO. K und B haben ihren Wohnsitz im Inland.

6. Für die Klage des K gegen B sind die Gerichte in Trier örtlich zuständig (§§ 12, 13 ZPO).

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Genau, so ist das!

Die Gerichtsstandsvereinbarung zwischen K und B ist unwirksam (§§ 38, 40 ZPO). K wird B an seinem allgemeinen Gerichtsstand in Trier verklagen.

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Leo

Leo

2.9.2021, 14:18:22

Warum wird hier nicht der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsort erwähnt nach § 29 I ZPO ?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

2.11.2021, 19:58:34

Hallo Leo, in der Aufgabe wollten wir uns schwerpunktmäßig auf den Gerichtsstand der Prorogation konzentrieren. Du hast aber völlig recht, dass es für die Klagereinreichung in Koblenz der Prorogation nicht bedarf, da hier der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsortes liegt. Wir haben die Vereinbarung insoweit nach Andernach verlegt. Danke Dir! Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Julia Maxi

Julia Maxi

22.3.2022, 14:11:49

Hey, leider passt deshalb jetzt der Vertrag im Bild (Gerichtsstand Koblenz) nicht mehr zum Vertrag in der Aufgabe (Gerichtsstand Andernach) 🙈

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

23.3.2022, 10:47:12

Lieben Dank für den Hinweis, Julia. Das werden wir korrigieren! Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

S.

s.t.

7.9.2021, 12:17:05

Müsste hier nicht 38 III Nr.2 zitiert werden ?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

30.11.2021, 12:30:55

Hallo s.t., § 38 Abs. 3 Nr. 2 ZPO betrifft Fälle mit Auslandsbezug. Hier ist die Gerichtsstandsvereinbarung zulässig, sofern sie nur für den Fall geschlossen wird, dass der Wohnsitz/gewöhnliche Aufenthaltsort ins Ausland verlegt wird bzw. bei Klageerhebung nicht (mehr) bekannt ist. Diese Varianten liegen aber vorliegend nicht vor. Vielmehr geht es in der Frage um die Variante, dass nach Enstehung der Streitigkeit erst eine Gerichtsstandsvereinbarung abgeschlossen wird. Dies unterfällt aber § 38 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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