+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Unternehmer U soll für A ein Projekt durchführen. U fragt die Bank B, ob das Projekt finanziell abgesichert ist, was B bestätigt. Die Verhandlungen waren aber noch nicht abgeschlossen. Nach Aufnahme der Arbeiten verweigert B dem A dennoch den Kredit. U erleidet einen hohen Vermögensschaden.

Einordnung des Falls

Entstehung III: Ähnliche geschäftliche Kontakte, ohne Vertrag

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. U steht gegen B ein vertraglicher Schadenersatzanspruch aus einem Auskunftsvertrag zu (§§ 631, 280 Abs. 1 BGB).

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Nein, das trifft nicht zu!

U könnte gegen B einen Anspruch auf Schadenersatz aus einem Vertrag haben. U und B könnten konkludent einen Auskunftsvertrag geschlossen haben. Bei einem Auskunftsvertrag handelt es sich um einen Werkvertrag (§ 631 BGB). Geschuldet ist ein konkreter Erfolg – nämlich die Erteilung der Auskunft. Ein entsprechender Rechtsbindungswille, sich vertraglich zu binden, ist den Äußerungen von U und B aber nicht zu entnehmen.

2. Aufgrund der Falschauskunft hat U gegen B einen vorvertraglichen Schadenersatzanspruch (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 3, 241 Abs. 2 BGB).

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Ja!

Zwischen U und B besteht ein vorvertragliches Schuldverhältnis. Die Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB umfassen die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der anderen Partei und umfassen auch das Vermögen als solches. Mit der falschen Auskunft hat B eine Schutzpflicht im Hinblick auf die Vermögensinteressen des U verletzt. Dies tat B zumindest fahrlässig (§ 276 Abs. 2 BGB) im Hinblick auf die noch laufenden Verhandlungen. Somit muss B dem U seinen kausalen Vermögensschaden ersetzen (§ 251 Abs. 1 BGB).

3. U steht gegen B ein deliktischer Schadenersatzanspruch zu (§ 823 Abs. 1 BGB).

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Nein, das ist nicht der Fall!

Dazu müsste B (1) ein absolut geschütztes Recht des U (2) schuldhaft, (3) kausal und (4) rechtswidrig verletzt haben, wodurch U ein (5) kausaler Schaden entstanden sein müsste. Hier wurde nur das Vermögen des U als solches beschädigt, welches kein absolut geschütztes Recht darstellt.

4. Zwischen U und B besteht ein vorvertragliches Schuldverhältnis (§ 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB).

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Ja, in der Tat!

Ein vorvertragliches Schuldverhältnis entsteht durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen (Nr. 1), die Anbahnung eines Vertrags, (Nr. 2) oder ähnliche geschäftliche Kontakte (Nr. 3). Zwischen B und U hat weder eine Vertragsverhandlung, noch eine Vertragsanbahnung stattgefunden. Bei ähnlichen geschäftlichen Kontakten handelt es sich um einen Auffangtatbestand, bei dem bereits vor Vertragsanbahnung die Einwirkung auf Rechtsgüter der anderen Partei möglich wird. Als Mindestmaß wird geschäftliches Handeln vorausgesetzt. Bankauskünfte sind nach h.M. stets erfasst. Ein vorvertragliches Schuldverhältnis liegt vor.

Jurafuchs kostenlos testen


TH

the_david__b

13.6.2020, 15:29:48

Ein Hinweis auf das ais Art. 14 I GG entwickelte Rahmenrecht des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb wäre beim Anspruch aus 823 I nett

JU

Juranus

17.12.2020, 13:51:01

Kann man natürlich erwähnen, es spielt aber meiner Meinung nach hier absolut keine Rolle.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.7.2021, 17:11:32

Hallo the_david_b, vielen Dank zunächst für Deinen Hinweis. In der Tat kommen bei § 823 Abs. 1 BGB nicht nur die explizit aufgelisteten Rechtsgüter in Betracht, sondern grundsätzlich auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb. Da in der vorliegenden Konstellation indes tatsächlich der notwendige betriebsbezogene Eingriff im Hinblick auf die von der Rechtsprechung geprägten Fallgruppen eher fernliegt und um Missverständnisse zu vermeiden, haben wir hier auf einen entsprechenden Hinweis in der Aufgabe verzichtet. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

TH

the_david__b

20.7.2021, 17:38:35

Da ist er wieder, der schmale Grad zwischen gut gesehn und abwegig. Ich verstehe deinen Standpunkt. :)

Feri

Feri

15.9.2020, 00:33:55

naja die Hohe Hürde des „betriebsbezogenen Eingriffs“ ist hier aufgrund einer bloß falschen Auskunft bei Weitem unterschritten.

ZA

Zavviny

19.9.2020, 14:56:16

Hier würde 311 III BGB besser passen!

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.7.2021, 17:20:23

Hi Zavviny, das Verhältnis zwischen § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB und § 311 Abs. 3 BGB ist in der Tat nicht immer ganz einfach. Und tatsächlich wird die Gutachterhaftung häufig auf § 311 Abs. 3 S. 2 BGB gestützt. Im Zuge der Kodifizierung der entsprechenden Norm wurde der Fall einer Bankauskunft indes explizit als Beispiel für einen ähnlichen geschäftlichen Kontakt iSd § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB angeführt (vgl. Canaris, JZ 2001, 499, 520). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

QU

QuiGonTim

24.7.2022, 20:44:56

Wie ist der Begriff “Vermögen als solches zu verstehen”? Wie wird er vom Eigentum und anderen durch § 823 BGB geschützten Rechten abgegrenzt?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

11.8.2022, 17:23:53

Hallo QuiGonTim, § 823 BGB schützt konkrete Rechtsgüter (zB Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit) oder bestimmte Rechte (zB Eigentum, Besitz). Das Eigentum bzw. der Besitz stellen als absolute Rechte dabei nur ein Teil des geschützten Vermögens dar. Das Vermögen umfasst dagegen alle geldwerten Vorteile, wie zB Gewinnerwartungen. Das Vermögen ist insofern aber nicht als sonstiges Recht iSv § 823 Abs. 1 BGB zu verstehen und untersteht grds. nicht dem Schutz des Deliktsrechts (MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 823 Rn. 423). Deliktischen Schutz erfährt es nur nach § 823 Abs. 2 BGB oder nach § 826 BGB. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


© Jurafuchs 2023