Ausdrückliche Drohung: „Unterschreibe, sonst verprügele ich dich“


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Gangster G verlangt von Opfer O die Zahlung von €5.000. Um „rechtlich auf der sicheren Seite“ zu sein, soll O einen Vertrag zum Kauf eines Bleistifts unterzeichnen. G legt O den Vertrag vor und sagt: „Unterschreib, sonst verprügel’ ich dich!“

Einordnung des Falls

Ausdrückliche Drohung: „Unterschreibe, sonst verprügele ich dich“

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. G hat O eine „Drohung“ ausgesprochen (§ 123 Abs. 1 BGB)

Ja, in der Tat!

Drohung ist das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf dessen Eintritt oder Nichteintritt der Drohende Einfluss zu haben vorgibt. Ein Übel ist jeder Nachteil, gleich ob materieller oder ideeller Art. Auf die Schwere des Übels kommt es grundsätzlich nicht an. Bei der Bewertung des Nachteils muss auf die Sicht des Bedrohten abgestellt werden. Die Drohung muss nicht ausdrücklich ausgesprochen werden. Es kommt auf die Auslegung der Aussage bzw. des Verhaltens an. G hat O ausdrücklich ein künftiges Übel (Prügel) in Aussicht gestellt. Er hat auch vorgegeben, darauf Einfluss zu haben.

2. Die Drohung des G war „widerrechtlich“ (§ 123 Abs. 1 BGB).

Ja!

Eine Drohung ist widerrechtlich, wenn sie im Widerspruch mit der Rechtsordnung steht. Die Widerrechtlichkeit kann sich aus dem angestrebten Zweck, dem eingesetzten Mittel, oder der Zweck-Mittel-Relation ergeben. G möchte O zur Not mit körperlicher Gewalt (eingesetztes Mittel) zur Unterzeichnung eines Vertrages bewegen, der G zur Einziehung von €5.000 ohne wirkliche Gegenleistung berechtigt (angestrebter Zweck). Der Einsatz von körperlicher Gewalt steht im Widerspruch mit der Rechtsordnung (z.B. Straftatbestand der Körperverletzung, § 223 StGB). Die Drohung ist widerrechtlich.

3. G hat den O zur Abgabe der Willenserklärung „bestimmt“ (§ 123 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Wie bei den Irrtümern nach §§ 119, 120 BGB muss auch im Rahmen der widerrechtlichen Drohung (§ 123 Abs. 1 BGB) ein Kausalzusammenhang zwischen der Drohung und der abgegebenen Willenserklärung bestehen. Das heißt, der Bedrohte dürfte eine Willenserklärung dieser Art ohne die Drohung nicht abgegeben haben. Es ist nicht davon auszugehen, dass O ohne die Androhung von Prügel durch G einem so nachteiligen Vertrag zugestimmt hätte.

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S.

s.t.

3.9.2021, 17:34:59

Könnte man vorher nicht ein Wuchergeschäft anbringen bzw. Übersteigen des Marktwertes über 200 %

PM

PM

22.10.2021, 16:41:16

Marktwert wovon?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

24.11.2021, 11:54:27

Hallo ihr beiden, in der Tat kann ein Geschäft nicht nur anfechtbar sein, sondern auch wegen Wuchers (§ 138 Abs. 2 BGB) sittenwidrig sein. Voraussetzung hiefür ist, dass weitere Umstände als die unzulässige Willensbeeinflussung hinzutreten, die das Geschäft seinem Gesamtcharakter nach als sittenwidrig erscheinen lassen. Solche Umstände können insbesondere in einem auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung liegen (BGH NJW 2002, 2774; NJW 2008, 982). Da hier O für seine 5000€ von G als "Gegenleistung" nur einen Bleistift (Wert: vermutlich weniger als 1€) erhält, kann man hier durchaus zudem die Nichtigkeit wegen Wuchers bejahen. Aufgrund der Kippschen Lehre der "

Doppelwirkung im Recht

" (vertieft behandelt bei Würdinger, Doppelwirkungen im Zivilrecht - eine 100-jährige juristische Entdeckung, JuS 2011, 769) ändert aber die Nichtigkeit des Vertrages nichts daran, dass er zudem auch noch anfechtbar ist :-). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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