Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Anfechtung der Willenserklärung

Androhung der Geltendmachung von Rechten oder Rechtsbehelfen

Androhung der Geltendmachung von Rechten oder Rechtsbehelfen

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Ganove G gefällt der elektrische Rasenmäher von Nachbar N. G behauptet, er würde N verklagen, wenn er ihm den Rasenmäher nicht übereigne. Diesen Prozess werde N sicher verlieren. Er müsse dann noch die Gerichtskosten tragen. N ist leichtgläubig und übereignet aus Angst das Gerät.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Androhung der Geltendmachung von Rechten oder Rechtsbehelfen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. N hat eine Willenserklärung abgegeben (§ 123 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Das Rechtsgeschäft ist der Gesamttatbestand, der vorliegen muss, damit die gewollte Rechtsfolge eintreten kann. Es besteht aus mindestens einer Willenserklärung. Oft sind noch weitere Elemente erforderlich. Die Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache durch Übereignung nach § 929 S. 1 BGB erfordert (1) die Einigung (dinglicher Vertrag), (2) die Übergabe (3) Einigsein zum Zeitpunkt der Übergabe und (4) die Berechtigung zur Übereignung. Der dingliche Vertrag (Voraussetzung 1) erfordert zwei übereinstimmende, aufeinander bezogene Willenserklärungen. Liegt ein Willensmangel oder Anfechtbarkeit vor, so beeinträchtigt dies die Einigung als dinglichen Vertrag.
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2. G hat N eine "Drohung" ausgesprochen (§ 123 Abs. 1 BGB).

Ja!

Drohung ist das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf dessen Eintritt oder Nichteintritt der Drohende Einfluss zu haben vorgibt. Ein Übel ist jeder Nachteil, gleich ob materieller oder ideeller Art. Auf die Schwere des Übels kommt es grundsätzlich nicht an. Bei der Bewertung des Nachteils muss auf die Sicht des Bedrohten abgestellt werden. Die Drohung muss nicht ausdrücklich ausgesprochen werden. Es kommt auf die Auslegung der Aussage bzw. des Verhaltens an. Ein Prozess – berechtigt oder unberechtigt – ist mit erheblichem Kosten- und Zeitaufwand verbunden und stellt damit einen Nachteil dar. G hat N dieses Übel in Aussicht gestellt. Dass G keinen Anspruch auf Übereignung hat, ist irrelevant, da es erstens nur auf das Vorgeben der Einflussmöglichkeit ankommt und zweitens G den N auch ohne wirksamen Anspruch in einen Rechtsstreit verwickeln kann.

3. Die Drohung des G war „widerrechtlich“ (§ 123 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Eine Drohung ist widerrechtlich, wenn sie im Widerspruch mit der Rechtsordnung steht. Die Widerrechtlichkeit kann sich aus dem angestrebten Zweck, dem eingesetzten Mittel, oder der Zweck-Mittel-Relation ergeben. Die Androhung der Geltendmachung von Rechten oder Rechtsbehelfen ist grundsätzlich nicht widerrechtlich, wenn die Rechtsordnung gerade diese Rechte oder Rechtsbehelfe für die Wahrung der Interessen des Drohenden zur Verfügung stellt. Verklagt zu werden ist damit allgemeines Lebensrisiko und berechtigt nicht zur Anfechtung eines Rechtsgeschäfts, welches kausal auf der Drohung beruht. Eine Ausnahme kann im Einzelfall dann bestehen, wenn der Drohende weiß, dass ihm das Recht, dessen Verfolgung er androht, nicht zusteht. Dem G steht kein Anspruch auf Übereignung des Rasenmähers zu. Damit wird die Rechtsordnung missbraucht und die Drohung ist widerrechtlich (Zweck-Mittel-Relation).Eine andere Auffassung ist hier ebenfalls gut vertretbar.

4. G hat den N zur Abgabe der Willenserklärung „bestimmt (§ 123 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Wie bei den Irrtümern nach §§ 119, 120 BGB muss auch im Rahmen der widerrechtlichen Drohung (§ 123 Abs. 1 BGB) ein Kausalzusammenhang zwischen der Drohung und der abgegebenen Willenserklärung bestehen. Das heißt, der Bedrohte dürfte eine Willenserklärung dieser Art ohne die Drohung nicht abgegeben haben. Ohne die Drohung des G mit dem Rechtsstreit hätte N die Willenserklärung nicht abgegeben.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FABY

Faby

4.4.2022, 18:57:30

Kann man für das Verständnis in der Subsumtion noch mit aufnehmen, ob das nun der Zweck, das Mittel oder die Zweck-Mittel-Relation war, die die Widerrechtlichkeit ausmachte? :)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

5.4.2022, 20:20:25

Hallo Faby, hier kommt allein die Zweck-Mittel-Relation in Betracht, da weder das Mittel (Klage) als auch der Zweck (Abgabe einer Willenserklärung) für sich rechts- oder sittenwidrig sind. Bei der Annahme der Widerrechtlichkeit in den Fällen der angedrohten Klage muss man indes recht zurückhaltend vorgehen. Denn es bleibt eben bei dem Grundsatz, dass man die

Drohung

mit einer (unberechtigten) Klage im Grundsatz aushalten muss (vgl. Wendtland, in: BeckOK-BGB, 61. Ed. 01.02.2022, § 123 RdNr. 31). Maßgeblich sind hier letztlich die konkreten Einzelfälle (vgl. BGH NJW 1981, 824 - hier hatte der BGH dies einmal bejaht). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

MAUR

Maurice66

13.7.2023, 21:18:03

Ich weiß, wir sind hier beim Thema Anfechtung, aber strafrechtlich wäre das eine räuberische Erpressung, richtig?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.7.2023, 13:36:50

Hallo Maurice, bei den §§ 253ff.StGB bist Du grds. richtig. Beachte aber, dass die räuberische Erpressung eine Qualifikation darstellt, die nur erfüllt ist, wenn bestimmte Nötigungsmittel eingesetzt werden (Gewalt gegen eine Person/

Drohung

mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben). Da diese hier nicht vorliegen, kommt allenfalls eine "einfache" Erpressung in Betracht (§ 253 Abs. 1 StGB). Besonders zu beachten in den Konstellationen in denen mit Rechtsmitteln gedroht wird, ist dabei das Merkmal der

Verwerflich

keit im Rahmen der Rechtswidrigkeit. Im vorliegenden Fall, in dem es für G erkennbar an einem Anspruch fehlt, ist die

Verwerflich

keit letztlich zu bejahen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

AN

Antonia

7.9.2024, 12:45:02

Ist die Definition der Widerrechtlichkeit bei der

Drohung

identisch mit der bei der arglistigen Täuschung?

TI

Timurso

8.9.2024, 10:57:54

Die Definition bei der

Drohung

findest du hier in der Aufgabe. Bei der arglistigen Täuschung dagegen muss die Widerrechtlichkeit nicht positiv festgestellt werden, sondern dort wird sie eher als Ausnahme in der Konstellation relevant, dass die nicht widerrechtliche Täuschung kein Anfechtungsrecht gibt. Um festzustellen, dass die Täuschung nicht widerrechtlich ist, muss man dafür nicht auf die Definition der Widerrechtlichkeit der

Drohung

zurückgreifen, sondern einfach schauen, ob ein Rechtfertigungsgrund existiert. Ein Beispiel dafür ist das Recht zur Lüge auf eine unzulässige Frage. Die

arglistige Täuschung

indiziert also die Widerrechtlichkeit.

schwemmely

schwemmely

28.10.2024, 15:31:48

Hallo, ich hätte eine kurze Frage: die Definition von "widerrechtlich" ist eigentlich die selbe, wie im Strafrecht von "rechtswidrig". Kann man sie synonym austauschen/verwenden oder ist im ZR fix "widerrechtlich" zu sagen und im StrR "rechtswidrig"? für das Vernetzte Lernen: die Prüfung hier ist doch auch nichts anderes wie die

Verwerflich

keitsprüfung bei z.B. § 240 II StGB, § 253 StGB oder?

Tobias Krapp

Tobias Krapp

28.10.2024, 22:12:33

Hallo @[schwemmely](114183), die Wertungen sind hier zwar ähnlich, unterscheiden sich aber in den Details: Bei der

Verwerflich

keit, zB iSd § 240 II StGB, muss immer der Bezug auf die Entschlussfreiheit des Opfers durch ein bestimmtes Mittel hergestellt werden. Nur die Einwirkung hierauf ist für die

Verwerflich

keit relevant, auf eine "generelle" sittliche Missbilligung kommt es nicht an. Der Fokus liegt auf der Zweck-Mittel-Relation. Die Anwendung von Zwang oÄ ist umso tolerierbarer, je billigenswerter der verfolgte Zweck ist; je weniger billigenswert der Zweck, desto weniger ist Zwang oÄ sozial hinnehmbar. Einen solchen Zusammenhang gibt es bei der Sittenwidrigkeit nicht. Dort wird das Rechtsgeschäft "generell" geprüft. Es kann daher bereits ein objektiv insgesamt sittenwidriger Inhalt des Rechtsgeschäfts bestehen, zB die Verpflichtung, die Konfession zu wechseln. Der verfolgte Zweck des einen Teils spielt dann ebenso wie die Relation (ob also der Verpflichtete etwa eine Bezahlung oder sonst einen Vorteil erhält) keine Rolle. Für die

Verwerflich

keit im Rahmen des § 240 II StGB muss man außerdem im Hinterkopf behalten, dass es um Individualschutz geht. Die Sittenwidrigkeit ist allgemeiner: Die konkrete Auswirkung auf den Geschäftspartner kann relevant sein, muss das aber nicht: Wenn ein System insgesamt zu missbilligen ist (zB im "Schenkkreis"-Fall, in dem ein Schneeballsystem vereinbart wurde, welches ausschließlich darauf angelegt ist, dass die ersten Mitglieder einen sicheren Gewinn erzielen, während die große Masse der späteren Teilnehmer ihren Einsatz verlieren), kann bereits deswegen Sittenwidrigkeit vorliegen. Hier sind also auch Dritte und die Allgemeinheit erfasst. Es bestehen also trotz ähnlicher "Wertungen" Unterschiede in der konkreten Prüfung bei

Verwerflich

keit und Sittenwidrigkeit. Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias

schwemmely

schwemmely

29.10.2024, 16:21:25

@[Tobias Krapp](259492) Irgendwie wird mir bei der Benachrichtigung eine Antwort angezeigt, aber hier bei der Aufgabe sehe ich keine… Da wenigstens ich deine ausführliche Antwort unter den Benachrichtigungen sehe, danke ich dir schonmal dafür!! :)

schwemmely

schwemmely

31.10.2024, 12:51:47

Das war die Antwort von @[Tobias Krapp](259492) vom Jurafuchsteam, weil es vill. doch den ein oder anderen auch interessiert: "Hallo schwemmely, die Wertungen sind hier zwar ähnlich, unterscheiden sich aber in den Details: Bei der

Verwerflich

keit, z.B. iSd § 240 II StGB, muss immer der Bezug auf die Entschlussfreiheit des Opfers durch ein bestimmtes Mittel hergestellt werden. Nur die Einwirkung hierauf ist für die

Verwerflich

keit relevant, auf eine "generelle" sittliche Missbilligung kommt es nicht an. Der Fokus liegt auf der Zweck-Mittel Relation. Die Anwendung von Zwang oÄ ist umso tolerierbarer, je billigenswerter der verfolgte Zweck ist; je weniger billigenswert der Zweck, desto weniger ist Zwang oÄ sozial hinnehmbar. Einen solchen Zusammenhang gibt es bei der Sittenwidrigkeit nicht. Dort wird das Rechtsgeschäft "generell" geprüft. Es kann daher bereits ein objektiv insgesamt sittenwidriger Inhalt des Rechtsgeschäfts bestehen, z.B. die Verpflichtung, die Konfession zu wechseln. Der verfolgte Zweck des einen Teils spielt dann ebenso wie die Relation (ob also der Verpflichtete etwa eine Bezahlung oder sonst einen Vorteil erhält) keine Rolle. Für die

Verwerflich

keit im Rahmen des § 240 II StGB muss man außerdem im Hinterkopf behalten, dass es um Individualschutz geht. Die Sittenwidrigkeit ist allgemeiner: Die konkrete Auswirkung auf den Geschäftspartner kann relevant sein, muss das aber nicht: Wenn ein System insgesamt zu missbilligen ist (z.B: im "Schenkkreis" -Fall, in dem ein Schneeballsystem vereinbart wurde, welches ausschließlich darauf angelegt ist, dass die ersten Mitglieder einen sicheren Gewinn erzielen, während die große Masse der späteren Teilnehmer ihren Ersatz verlieren), kann bereits deswegen Sittenwidrigkeit vorliegen. Hier sind also auch Dritte und die Allgemeinheit erfasst. Es bestehen also trotz ähnlicher "Wertungen" Unterschiede in der konkreten Prüfung bei

Verwerflich

keit und Sittenwidrigkeit. viele Grüße - für das Jurafuchsteam -Tobias"

Tobias Krapp

Tobias Krapp

31.10.2024, 14:13:02

Hallo @[schwemmely](114183), bitte entschuldige, da scheint technisch etwas schiefgelaufen zu sein! Ich hatte meinen Kommentar bearbeitet, und offenbar ist er nun weg - meinen Kommentar, den du gepostet hast wollte ich bearbeiten, da er etwas an deiner Frage vorbei ging, wie mir danach aufgefallen ist. In meinem Kommentar bin ich nämlich auf das Verhältnis von sittenwidrig -

verwerflich

/rechtswidrig eingegangen, du hast aber ja nach widerrechtlich -

verwerflich

/rechtswidrig gefragt. Dort ist es tatsächlich so, dass die Prüfung annäherend identisch läuft. Denn widerrechtlich stellt (im Gegensatz zu sittenwidrig) genauso wie "

verwerflich

" im § 240 II StGB auf die Entschlussfreiheit des Opfers ab, also den Individualschutz. Einziger Unterschied: Bei § 240 II StGB ist, wie in meinem von dir kopierten Kommentar geschrieben, allein die Zweck-Mittel-Relation relevant. Zweck oder Mittel können die

Verwerflich

keit indizieren (dazu näher BeckOK StGB § 240 Rn. 49 ff.), allerdings ist letztlich die Relation entscheidend. Beim "widerrechtlich" nach § 123 BGB kann sich die Widerrechtlichkeit auch schon aus dem Zweck oder Mittel allein ergeben, ohne dass es auf die Relation ankommt (zB wenn mit einer Körperverletzung gedroht wird, um einen berechtigten Anspruch durchzusetzen). Im Ergebnis hat man dann regelmäßig zwar keine Unterschiede (im soeben gewählten Beispiel wäre die

Drohung

mit einer Körperverletzung wegen des Vorrangs staatlicher Zwangsmittel im Rahmen der Zweck-Mittel-Relation als

verwerflich

einzustufen), aber eben eine etwas andere Prüftechnik. In den spannenderen Grenzfällen (zB: Arbeitgeber droht mit berechtigter Strafanzeige, falls Arbeitnehmer einem Aufhebungsvertrag nicht zustimmt), in denen es auf die Zweck-Mittel-Relation ankommt, läuft dann die Prüfung von widerrechtlich -

verwerflich

/rechtswidrig aber in der Tat genau gleich, vgl. hierzu zB BAG Urteil vom 05.04.1978 - 4 AZR 621/76, das für § 123 BGB explizit auf § 240 StGB verweist. Ich hoffe nun ist alles klar geworden! Bitte entschuldige nochmals die Verwirrung durch den technischen Fehler. Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias

schwemmely

schwemmely

31.10.2024, 14:18:04

Vielen Dank! Jetzt ist es für mich schon klarer👍🏼


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