Androhung der Geltendmachung von Rechten oder Rechtsbehelfen


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Ganove G gefällt der elektrische Rasenmäher von Nachbar N. G behauptet, er würde N verklagen, wenn er ihm den Rasenmäher nicht übereigne. Diesen Prozess werde N sicher verlieren. Er müsse dann noch die Gerichtskosten tragen. N ist leichtgläubig und übereignet aus Angst das Gerät.

Einordnung des Falls

Androhung der Geltendmachung von Rechten oder Rechtsbehelfen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. N hat eine Willenserklärung abgegeben (§ 123 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Das Rechtsgeschäft ist der Gesamttatbestand, der vorliegen muss, damit die gewollte Rechtsfolge eintreten kann. Es besteht aus mindestens einer Willenserklärung. Oft sind noch weitere Elemente erforderlich. Die Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache durch Übereignung nach § 929 S. 1 BGB erfordert (1) die Einigung (dinglicher Vertrag), (2) die Übergabe (3) Einigsein zum Zeitpunkt der Übergabe und (4) die Berechtigung zur Übereignung. Der dingliche Vertrag (Voraussetzung 1) erfordert zwei übereinstimmende, aufeinander bezogene Willenserklärungen. Liegt ein Willensmangel oder Anfechtbarkeit vor, so beeinträchtigt dies die Einigung als dinglichen Vertrag.

2. G hat N eine "Drohung" ausgesprochen (§ 123 Abs. 1 BGB).

Ja!

Drohung ist das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf dessen Eintritt oder Nichteintritt der Drohende Einfluss zu haben vorgibt. Ein Übel ist jeder Nachteil, gleich ob materieller oder ideeller Art. Auf die Schwere des Übels kommt es grundsätzlich nicht an. Bei der Bewertung des Nachteils muss auf die Sicht des Bedrohten abgestellt werden. Die Drohung muss nicht ausdrücklich ausgesprochen werden. Es kommt auf die Auslegung der Aussage bzw. des Verhaltens an. Ein Prozess – berechtigt oder unberechtigt – ist mit erheblichem Kosten- und Zeitaufwand verbunden und stellt damit einen Nachteil dar. G hat N dieses Übel in Aussicht gestellt. Dass G keinen Anspruch auf Übereignung hat, ist irrelevant, da es erstens nur auf das Vorgeben der Einflussmöglichkeit ankommt und zweitens G den N auch ohne wirksamen Anspruch in einen Rechtsstreit verwickeln kann.

3. Die Drohung des G war „widerrechtlich“ (§ 123 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Eine Drohung ist widerrechtlich, wenn sie im Widerspruch mit der Rechtsordnung steht. Die Widerrechtlichkeit kann sich aus dem angestrebten Zweck, dem eingesetzten Mittel, oder der Zweck-Mittel-Relation ergeben. Die Androhung der Geltendmachung von Rechten oder Rechtsbehelfen ist grundsätzlich nicht widerrechtlich, wenn die Rechtsordnung gerade diese Rechte oder Rechtsbehelfe für die Wahrung der Interessen des Drohenden zur Verfügung stellt. Verklagt zu werden ist damit allgemeines Lebensrisiko und berechtigt nicht zur Anfechtung eines Rechtsgeschäfts, welches kausal auf der Drohung beruht. Eine Ausnahme kann im Einzelfall dann bestehen, wenn der Drohende weiß, dass ihm das Recht, dessen Verfolgung er androht, nicht zusteht. Dem G steht kein Anspruch auf Übereignung des Rasenmähers zu. Damit wird die Rechtsordnung missbraucht und die Drohung ist widerrechtlich (Zweck-Mittel-Relation).Eine andere Auffassung ist hier ebenfalls gut vertretbar.

4. G hat den N zur Abgabe der Willenserklärung „bestimmt (§ 123 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Wie bei den Irrtümern nach §§ 119, 120 BGB muss auch im Rahmen der widerrechtlichen Drohung (§ 123 Abs. 1 BGB) ein Kausalzusammenhang zwischen der Drohung und der abgegebenen Willenserklärung bestehen. Das heißt, der Bedrohte dürfte eine Willenserklärung dieser Art ohne die Drohung nicht abgegeben haben. Ohne die Drohung des G mit dem Rechtsstreit hätte N die Willenserklärung nicht abgegeben.

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FABY

Faby

4.4.2022, 18:57:30

Kann man für das Verständnis in der Subsumtion noch mit aufnehmen, ob das nun der Zweck, das Mittel oder die Zweck-Mittel-Relation war, die die Widerrechtlichkeit ausmachte? :)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

5.4.2022, 20:20:25

Hallo Faby, hier kommt allein die Zweck-Mittel-Relation in Betracht, da weder das Mittel (Klage) als auch der Zweck (Abgabe einer Willenserklärung) für sich rechts- oder sittenwidrig sind. Bei der Annahme der Widerrechtlichkeit in den Fällen der angedrohten Klage muss man indes recht zurückhaltend vorgehen. Denn es bleibt eben bei dem Grundsatz, dass man die Drohung mit einer (unberechtigten) Klage im Grundsatz aushalten muss (vgl. Wendtland, in: BeckOK-BGB, 61. Ed. 01.02.2022, § 123 RdNr. 31). Maßgeblich sind hier letztlich die konkreten Einzelfälle (vgl. BGH NJW 1981, 824 - hier hatte der BGH dies einmal bejaht). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

MAUR

Maurice66

13.7.2023, 21:18:03

Ich weiß, wir sind hier beim Thema Anfechtung, aber strafrechtlich wäre das eine räuberische Erpressung, richtig?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.7.2023, 13:36:50

Hallo Maurice, bei den §§ 253ff.StGB bist Du grds. richtig. Beachte aber, dass die räuberische Erpressung eine Qualifikation darstellt, die nur erfüllt ist, wenn bestimmte Nötigungsmittel eingesetzt werden (Gewalt gegen eine Person/Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben). Da diese hier nicht vorliegen, kommt allenfalls eine "einfache" Erpressung in Betracht (§ 253 Abs. 1 StGB). Besonders zu beachten in den Konstellationen in denen mit Rechtsmitteln gedroht wird, ist dabei das Merkmal der Verwerflichkeit im Rahmen der Rechtswidrigkeit. Im vorliegenden Fall, in dem es für G erkennbar an einem Anspruch fehlt, ist die Verwerflichkeit letztlich zu bejahen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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