Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Anfechtung der Willenserklärung
Androhung der Geltendmachung von Rechten oder Rechtsbehelfen
Androhung der Geltendmachung von Rechten oder Rechtsbehelfen
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Ganove G gefällt der elektrische Rasenmäher von Nachbar N. G behauptet, er würde N verklagen, wenn er ihm den Rasenmäher nicht übereigne. Diesen Prozess werde N sicher verlieren. Er müsse dann noch die Gerichtskosten tragen. N ist leichtgläubig und übereignet aus Angst das Gerät.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Androhung der Geltendmachung von Rechten oder Rechtsbehelfen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. N hat eine Willenserklärung abgegeben (§ 123 Abs. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. G hat N eine "Drohung" ausgesprochen (§ 123 Abs. 1 BGB).
Ja!
3. Die Drohung des G war „widerrechtlich“ (§ 123 Abs. 1 BGB).
Genau, so ist das!
4. G hat den N zur Abgabe der Willenserklärung „bestimmt (§ 123 Abs. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Faby
4.4.2022, 18:57:30
Kann man für das Verständnis in der Subsumtion noch mit aufnehmen, ob das nun der Zweck, das Mittel oder die Zweck-Mittel-Relation war, die die Widerrechtlichkeit ausmachte? :)
Lukas_Mengestu
5.4.2022, 20:20:25
Hallo Faby, hier kommt allein die Zweck-Mittel-Relation in Betracht, da weder das Mittel (Klage) als auch der Zweck (Abgabe einer Willenserklärung) für sich rechts- oder sittenwidrig sind. Bei der Annahme der Widerrechtlichkeit in den Fällen der angedrohten Klage muss man indes recht zurückhaltend vorgehen. Denn es bleibt eben bei dem Grundsatz, dass man die
Drohungmit einer (unberechtigten) Klage im Grundsatz aushalten muss (vgl. Wendtland, in: BeckOK-BGB, 61. Ed. 01.02.2022, § 123 RdNr. 31). Maßgeblich sind hier letztlich die konkreten Einzelfälle (vgl. BGH NJW 1981, 824 - hier hatte der BGH dies einmal bejaht). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Maurice66
13.7.2023, 21:18:03
Ich weiß, wir sind hier beim Thema Anfechtung, aber strafrechtlich wäre das eine räuberische Erpressung, richtig?
Lukas_Mengestu
26.7.2023, 13:36:50
Hallo Maurice, bei den §§ 253ff.StGB bist Du grds. richtig. Beachte aber, dass die räuberische Erpressung eine Qualifikation darstellt, die nur erfüllt ist, wenn bestimmte Nötigungsmittel eingesetzt werden (Gewalt gegen eine Person/
Drohungmit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben). Da diese hier nicht vorliegen, kommt allenfalls eine "einfache" Erpressung in Betracht (§ 253 Abs. 1 StGB). Besonders zu beachten in den Konstellationen in denen mit Rechtsmitteln gedroht wird, ist dabei das Merkmal der
Verwerflichkeit im Rahmen der Rechtswidrigkeit. Im vorliegenden Fall, in dem es für G erkennbar an einem Anspruch fehlt, ist die
Verwerflichkeit letztlich zu bejahen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Antonia
7.9.2024, 12:45:02
Ist die Definition der Widerrechtlichkeit bei der
Drohungidentisch mit der bei der arglistigen Täuschung?
Timurso
8.9.2024, 10:57:54
Die Definition bei der
Drohungfindest du hier in der Aufgabe. Bei der arglistigen Täuschung dagegen muss die Widerrechtlichkeit nicht positiv festgestellt werden, sondern dort wird sie eher als Ausnahme in der Konstellation relevant, dass die nicht widerrechtliche Täuschung kein Anfechtungsrecht gibt. Um festzustellen, dass die Täuschung nicht widerrechtlich ist, muss man dafür nicht auf die Definition der Widerrechtlichkeit der
Drohungzurückgreifen, sondern einfach schauen, ob ein Rechtfertigungsgrund existiert. Ein Beispiel dafür ist das Recht zur Lüge auf eine unzulässige Frage. Die
arglistige Täuschungindiziert also die Widerrechtlichkeit.
schwemmely
28.10.2024, 15:31:48
Hallo, ich hätte eine kurze Frage: die Definition von "widerrechtlich" ist eigentlich die selbe, wie im Strafrecht von "rechtswidrig". Kann man sie synonym austauschen/verwenden oder ist im ZR fix "widerrechtlich" zu sagen und im StrR "rechtswidrig"? für das Vernetzte Lernen: die Prüfung hier ist doch auch nichts anderes wie die
Verwerflichkeitsprüfung bei z.B. § 240 II StGB, § 253 StGB oder?
Tobias Krapp
28.10.2024, 22:12:33
Hallo @[schwemmely](114183), die Wertungen sind hier zwar ähnlich, unterscheiden sich aber in den Details: Bei der
Verwerflichkeit, zB iSd § 240 II StGB, muss immer der Bezug auf die Entschlussfreiheit des Opfers durch ein bestimmtes Mittel hergestellt werden. Nur die Einwirkung hierauf ist für die
Verwerflichkeit relevant, auf eine "generelle" sittliche Missbilligung kommt es nicht an. Der Fokus liegt auf der Zweck-Mittel-Relation. Die Anwendung von Zwang oÄ ist umso tolerierbarer, je billigenswerter der verfolgte Zweck ist; je weniger billigenswert der Zweck, desto weniger ist Zwang oÄ sozial hinnehmbar. Einen solchen Zusammenhang gibt es bei der Sittenwidrigkeit nicht. Dort wird das Rechtsgeschäft "generell" geprüft. Es kann daher bereits ein objektiv insgesamt sittenwidriger Inhalt des Rechtsgeschäfts bestehen, zB die Verpflichtung, die Konfession zu wechseln. Der verfolgte Zweck des einen Teils spielt dann ebenso wie die Relation (ob also der Verpflichtete etwa eine Bezahlung oder sonst einen Vorteil erhält) keine Rolle. Für die
Verwerflichkeit im Rahmen des § 240 II StGB muss man außerdem im Hinterkopf behalten, dass es um Individualschutz geht. Die Sittenwidrigkeit ist allgemeiner: Die konkrete Auswirkung auf den Geschäftspartner kann relevant sein, muss das aber nicht: Wenn ein System insgesamt zu missbilligen ist (zB im "Schenkkreis"-Fall, in dem ein Schneeballsystem vereinbart wurde, welches ausschließlich darauf angelegt ist, dass die ersten Mitglieder einen sicheren Gewinn erzielen, während die große Masse der späteren Teilnehmer ihren Einsatz verlieren), kann bereits deswegen Sittenwidrigkeit vorliegen. Hier sind also auch Dritte und die Allgemeinheit erfasst. Es bestehen also trotz ähnlicher "Wertungen" Unterschiede in der konkreten Prüfung bei
Verwerflichkeit und Sittenwidrigkeit. Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias
schwemmely
29.10.2024, 16:21:25
@[Tobias Krapp](259492) Irgendwie wird mir bei der Benachrichtigung eine Antwort angezeigt, aber hier bei der Aufgabe sehe ich keine… Da wenigstens ich deine ausführliche Antwort unter den Benachrichtigungen sehe, danke ich dir schonmal dafür!! :)
schwemmely
31.10.2024, 12:51:47
Das war die Antwort von @[Tobias Krapp](259492) vom Jurafuchsteam, weil es vill. doch den ein oder anderen auch interessiert: "Hallo schwemmely, die Wertungen sind hier zwar ähnlich, unterscheiden sich aber in den Details: Bei der
Verwerflichkeit, z.B. iSd § 240 II StGB, muss immer der Bezug auf die Entschlussfreiheit des Opfers durch ein bestimmtes Mittel hergestellt werden. Nur die Einwirkung hierauf ist für die
Verwerflichkeit relevant, auf eine "generelle" sittliche Missbilligung kommt es nicht an. Der Fokus liegt auf der Zweck-Mittel Relation. Die Anwendung von Zwang oÄ ist umso tolerierbarer, je billigenswerter der verfolgte Zweck ist; je weniger billigenswert der Zweck, desto weniger ist Zwang oÄ sozial hinnehmbar. Einen solchen Zusammenhang gibt es bei der Sittenwidrigkeit nicht. Dort wird das Rechtsgeschäft "generell" geprüft. Es kann daher bereits ein objektiv insgesamt sittenwidriger Inhalt des Rechtsgeschäfts bestehen, z.B. die Verpflichtung, die Konfession zu wechseln. Der verfolgte Zweck des einen Teils spielt dann ebenso wie die Relation (ob also der Verpflichtete etwa eine Bezahlung oder sonst einen Vorteil erhält) keine Rolle. Für die
Verwerflichkeit im Rahmen des § 240 II StGB muss man außerdem im Hinterkopf behalten, dass es um Individualschutz geht. Die Sittenwidrigkeit ist allgemeiner: Die konkrete Auswirkung auf den Geschäftspartner kann relevant sein, muss das aber nicht: Wenn ein System insgesamt zu missbilligen ist (z.B: im "Schenkkreis" -Fall, in dem ein Schneeballsystem vereinbart wurde, welches ausschließlich darauf angelegt ist, dass die ersten Mitglieder einen sicheren Gewinn erzielen, während die große Masse der späteren Teilnehmer ihren Ersatz verlieren), kann bereits deswegen Sittenwidrigkeit vorliegen. Hier sind also auch Dritte und die Allgemeinheit erfasst. Es bestehen also trotz ähnlicher "Wertungen" Unterschiede in der konkreten Prüfung bei
Verwerflichkeit und Sittenwidrigkeit. viele Grüße - für das Jurafuchsteam -Tobias"
Tobias Krapp
31.10.2024, 14:13:02
Hallo @[schwemmely](114183), bitte entschuldige, da scheint technisch etwas schiefgelaufen zu sein! Ich hatte meinen Kommentar bearbeitet, und offenbar ist er nun weg - meinen Kommentar, den du gepostet hast wollte ich bearbeiten, da er etwas an deiner Frage vorbei ging, wie mir danach aufgefallen ist. In meinem Kommentar bin ich nämlich auf das Verhältnis von sittenwidrig -
verwerflich/rechtswidrig eingegangen, du hast aber ja nach widerrechtlich -
verwerflich/rechtswidrig gefragt. Dort ist es tatsächlich so, dass die Prüfung annäherend identisch läuft. Denn widerrechtlich stellt (im Gegensatz zu sittenwidrig) genauso wie "
verwerflich" im § 240 II StGB auf die Entschlussfreiheit des Opfers ab, also den Individualschutz. Einziger Unterschied: Bei § 240 II StGB ist, wie in meinem von dir kopierten Kommentar geschrieben, allein die Zweck-Mittel-Relation relevant. Zweck oder Mittel können die
Verwerflichkeit indizieren (dazu näher BeckOK StGB § 240 Rn. 49 ff.), allerdings ist letztlich die Relation entscheidend. Beim "widerrechtlich" nach § 123 BGB kann sich die Widerrechtlichkeit auch schon aus dem Zweck oder Mittel allein ergeben, ohne dass es auf die Relation ankommt (zB wenn mit einer Körperverletzung gedroht wird, um einen berechtigten Anspruch durchzusetzen). Im Ergebnis hat man dann regelmäßig zwar keine Unterschiede (im soeben gewählten Beispiel wäre die
Drohungmit einer Körperverletzung wegen des Vorrangs staatlicher Zwangsmittel im Rahmen der Zweck-Mittel-Relation als
verwerflicheinzustufen), aber eben eine etwas andere Prüftechnik. In den spannenderen Grenzfällen (zB: Arbeitgeber droht mit berechtigter Strafanzeige, falls Arbeitnehmer einem Aufhebungsvertrag nicht zustimmt), in denen es auf die Zweck-Mittel-Relation ankommt, läuft dann die Prüfung von widerrechtlich -
verwerflich/rechtswidrig aber in der Tat genau gleich, vgl. hierzu zB BAG Urteil vom 05.04.1978 - 4 AZR 621/76, das für § 123 BGB explizit auf § 240 StGB verweist. Ich hoffe nun ist alles klar geworden! Bitte entschuldige nochmals die Verwirrung durch den technischen Fehler. Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias
schwemmely
31.10.2024, 14:18:04
Vielen Dank! Jetzt ist es für mich schon klarer👍🏼