Öffentliches Recht

VwGO

Verpflichtungsklage

Baurechtliche Nachbarklage zur Geltendmachung eines Anspruchs auf Einschreiten bei weiterer Bauausführung des Bauherrn, obwohl zuvor die Baugenehmigung aufgehoben wurde

Baurechtliche Nachbarklage zur Geltendmachung eines Anspruchs auf Einschreiten bei weiterer Bauausführung des Bauherrn, obwohl zuvor die Baugenehmigung aufgehoben wurde

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

P baut ein Haus am See. Behörde B nimmt die zunächst erteilte Baugenehmigung während der Bauarbeiten zurück. P baut weiter. Nachbarin N mag P nicht und behauptet pauschal, der Bau sei nicht mit der festgesetzten Art der baulichen Nutzung vereinbar. N will, dass B einschreitet.

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Einordnung des Falls

Baurechtliche Nachbarklage zur Geltendmachung eines Anspruchs auf Einschreiten bei weiterer Bauausführung des Bauherrn, obwohl zuvor die Baugenehmigung aufgehoben wurde

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Nach erfolglosem Antrag bei der Behörde klagt N. Statthaft ist die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO). N ist klagebefugt, wenn sie einen möglichen Anspruch auf Einschreiten der Behörde geltend machen kann.

Ja!

Die Verpflichtungsklage ist statthaft, wenn der Kläger den Erlass eines Verwaltungsakts begehrt. Die erforderliche subjektive Betroffenheit (Klagebefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO) liegt vor, wenn der Kläger die Möglichkeit geltend machen kann, dass er einen Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts hat. N möchte, dass B "einschreitet". Dieses Begehren ist lebensnah so auszulegen, dass B einen Verwaltungsakt gegenüber P erlässt, der ihm den weiteren Bau untersagt. Nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften gibt es mehrere Möglichkeiten, wie eine Behörde "einschreiten" kann (Verbot bestimmter Baustoffe, Baustopp, Abrissverfügung). Was gewollt ist, ermittelt man aus den Gesamtumständen.
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2. N muss zudem geltend machen, dass P's Bauvorhaben sie in eigenen Rechten betrifft.

Genau, so ist das!

Das Handeln eines Dritten kann nicht schon deswegen angegriffen werden, weil es nicht im Einklang mit der objektiven Rechtsordnung steht. Vielmehr muss der Kläger eine subjektive Betroffenheit geltend machen. Diese liegt vor, wenn das Handeln des Dritten gegen eine drittschützende Norm verstößt und der Kläger vom Schutzbereich dieser Norm erfasst ist. Eine Norm ist drittschützend, wenn sie nicht nur die Interessen der Allgemeinheit schützen, sondern (zumindest auch) den Individualinteressen des Klägers dienen soll. (Schutznormtheorie). N muss geltend machen, dass der P's Bau gegen eine drittschützende Norm verstößt, die auch N schützen soll.

3. Die Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung in einem Bebauungsplan (§ 30 Abs. 1 BauGB) sind drittschützend.

Ja, in der Tat!

In Gebieten, in denen ein qualifizierter Bebauungsplan (§ 30 Abs. 1 BauGB) besteht, ist die Festsetzung im Bebauungsplan über die Art der baulichen Nutzung (§§ 2 ff. BauNVO) kraft Bundesrechts nachbar- und damit drittschützend. Innerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans bilden die Nachbarn eine "bodenrechtliche Schicksalsgemeinschaft". Weil sich der einzelne Eigentümer an die Beschränkungen des Plans halten muss, kann er auch von benachbarten Eigentümern verlangen, dass diese sich an die Festsetzungen halten. Der Nachbar hat einen sogenannten Gebietserhaltungsanspruch. Im Baurecht sollte man die maßgeblichen drittschützenden Normen auswendig können. Diese sind immer wieder relevant.

4. N hat substantiiert dargelegt, dass P's Bauvorhaben möglicherweise gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans verstößt. N ist klagebefugt.

Nein!

In Dreieckskonstellationen muss sowohl die Möglichkeit eines bestehenden Anspruchs, als auch die Möglichkeit, dass drittschützende Normen verletzt sind, substantiiert dargelegt werden. Ein einfacher oder gar pauschaler Verweis darauf, dass das Verhalten des Dritten gegen eine drittschützende Norm verstieße, reicht nicht aus. Ansonsten könnte die Klagebefugnis ausufern. Es muss zumindest dargelegt werden, was genau an dem Vorhaben gegen die Normen verstößt. N hat nur pauschal darauf verwiesen, dass P's Bau nicht mit dem Bebauungsplan vereinbar ist. In der Regel scheitert eine Klausur nicht schon bei der Klagebefugnis. Im Zweifel ist für den Kläger zu argumentieren. Das Substantiierungserfordernis solltest Du aber kennen.
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