Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten im Straßenverkehr
25. Januar 2025
11 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die Eheleute F und M möchten einen Ausflug mit dem Auto der F ins Grüne machen. M liebt es, auf leeren Landstraßen Schlangenlinien zufahren, um seine Fahrkünste unter Beweis zu stellen. An diesem Tag gerät er ins Schleudern. Das Fahrzeug der F prallt gegen einen Baum und das Auto der F wird beschädigt.
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Einordnung des Falls
Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten im Straßenverkehr
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Indem M Schlangenlinien fuhr und das Fahrzeug gegen einen Baum fuhr, hat M das Eigentum der F verletzt. (§ 823 Abs. 1 BGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Da M auch sonst Schlangenlinien fährt und er gegenüber M nur für eigenübliche Sorgfalt haftet (§§ 1359, 277 BGB), trifft ihn kein Verschulden.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Ange
4.4.2022, 20:40:30
Welche Versicherung des Ehemanns sollte denn hier greifen? Versichert ist doch stets das
Fahrzeugund nicht der
Fahrzeugführer. Laut SV handelt es sich doch um das Auto der F ? Oder sind Halter und Versicherungsnehmer unterschiedlich? Denn wenn F Halter und VN ist, haftet auch nicht eine etwaige KFZ-Versicherung oder PHV des Ehemanns. Hier könnte die Ehefrau sofern Sie eine Vollkaskoversicherung besitzt, diese in Anspruch nehmen oder Ihren Mann auf Ersatz verklagen.
Lukas_Mengestu
5.4.2022, 20:08:18
Hallo Ange, grundsätzlich hast Du recht, dass Sachschäden am versicherten
Fahrzeugnur durch eine Vollkaskoversicherung abgedeckt werden. Hier bestehen nur dann Ansprüche, wenn der andere Fahrer mitversichert wurde (gegen entsprechenden Aufpreis). Etwas anders ist dies, wenn dem Halter ein Personenschaden entsteht. Hierfür kommt die KfZ-Haftpflichtversicherung selbst dann auf, wenn der Fahrer nicht mitversichert wurde (allerdings muss der Halter dann den Fahrer rückwirkend nachversichern oder ggfs. auch eine Vertragsstrafe zahlen). Vorliegend liegen also in der Tat keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ein Versicherer eintritt, weswegen allein ein deliktischer Anspruch gegen den Ehemann in Betracht kommt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Thomfred01
26.9.2022, 15:27:11
Finde aus dem Sachverhalt geht eher hervor, dass das Schlangenlinienfahren auch auf leeren Straßen offensichtlich ein grob fahrlässiges Verhalten darstellt, die Fragestellung daher auf
§ 277 BGBabzielt und er deswegen haftet 😅
Lukas_Mengestu
26.9.2022, 19:05:11
Hallo Thomfred01, das lässt sich natürlich ebenfalls gut vertreten. Die Aufgabe soll aber vor allem verdeutlichen, dass es auf die Abgrenzung
Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten/grobe Fahrlässigkeit nicht ankommt, da der eingeschränkte Sorgfaltsmaßstab ohnehin nicht greift und die Haftung bereits für fahrlässiges Verhalten besteht :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Diaa
6.8.2023, 11:30:11
FYI, bei der 2ten Frage des letzten Falles sollte es heißen "....gegenüber F....".
TomBombadil
2.1.2024, 19:06:38
In einer vorherigen Aufgabe hieß es, dass die Haftung nur bei bestehender Ehe und im häuslichen Umfeld greife. Wie ist der Begriff des häuslichen Umfelds zu verstehen? (Mehr oder minder "in der Wohnung" kann es ja nicht bedeuten, wenn es dieses Begründungsaufwands bedarf, um die Haftungsprivilegierung "zu umgehen".)
0815jurafuchs
24.3.2024, 18:19:09
Ich würde hier mit dem Zweck der Haftungsprivilegierung aus 1359 BGB argumentieren, wonach dieser der Wahrung oder zumindest Förderung des Ehefriedens dienen soll. Entsprechend wäre m. E. 1359 BGB überall dort anzuwenden, wo der eine die Rechtsgüter des anderen Ehepartners verletzt unabhängig von dem Ort, wo die
Verletzungshandlungstattfand.
Linitus
6.1.2025, 08:28:41
Kann es sein, dass bei der letzten Frage ein kleiner Fehler ist? Dort steht: „Da M auch sonst Schlangenlinien fährt und er gegenüber M nur für eigenübliche Sorgfalt haftet (§§ 1359,
277 BGB), trifft ihn kein Verschulden.“ Meiner Meinung nach müsste doch dort aber stehen „Da M auch sonst Schlangenlinien fährt und er gegenüber F nur für eigenübliche Sorgfalt haftet (§§ 1359,
277 BGB), trifft ihn kein Verschulden.“ M kann doch nicht gegenüber sich selbst haften, sondern nur gegenüber seiner Frau. Oder habe ich das was falsch verstanden?
Cosmonaut
9.1.2025, 11:17:14
Hi, mE trifft den M hier bereits der Vorwurf grober Fahrlässigkeit: §§ 1 , 2 Abs. 2 StVO formulieren klare und eindeutige Verhaltensregeln, die Teil der Rechtsordnung sind (u.a. Rechtsfahrgebot, womit ein „Geradefahrengebot“ wohl einhergeht). Der Verstoß gegen die Rechtsordnung ist wohl - wenn nicht bereits vorsätzlich - jedenfalls als grob fahrlässig einzuordnen). Mir ist natürlich klar, dass die Einordnung als „leichte Sorglosigkeit“ insbesondere der Verdeutlichung der
augenscheinlichen Sonderregel der Rspr. für den Straßenverkehr dient. Jedoch ist dies gerade keine „Sonderregel“, sondern sture Gesetzesanwendung (§ 277) und juristische Methodik („Im Straßenverkehr sei kein Platz für eigene Sorglosigkeit = §§ 1 ff. StVO sind zu befolgen, anderfalls verhält man sich grob fahrlässig“). Die Richter kochen zum Glück auch nur mit Wasser und das sollte Studierenden auch so beigebracht werden, statt bloß Inhalte für die Tausendundeinste Karteikarte zu schaffen (klingt strenger, als es gemeint ist). LG