Grundlagengeschäft

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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inkl. MoPeG

Die Studentinnen S1 und S2 haben schon vor längerer Zeit die Jura-Nachhilfe-GbR gegründet. Im Gesellschaftsvertrag sind Einzelgeschäftsführungs- und -vertretungsbefugnis vereinbart. Eines Tages meint S1, Nachhilfeunterricht habe keine Zukunft, Sport hingegen schon. Daher will sie das bisherige Büro zu einem Fitnessraum umfunktionieren und Geräte anschaffen.

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Einordnung des Falls

Grundlagengeschäft

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Vereinbarung einer Einzelgeschäftsführungsbefugnis ist möglich.

Ja, in der Tat!

Grundsätzlich steht die Führung der Geschäfte der Gesellschaft den Gesellschaftern gemeinschaftlich zu; für jedes Geschäft ist die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich (§ 715 Abs. 1, 3 BGB, Gesamtgeschäftsführung). Von der dispositiven Regel des § 715 Abs. 1, 3 BGB kann jedoch gesellschaftsvertraglich abgewichen werden. Die Einzelgeschäftsführungsbefugnis kann wie auch die Einzelvertretung gesellschaftsvertraglich vereinbart werden (vgl. 715 Abs. 4, 720 Abs. 1 Hs. 2 BGB). MoPeG-Änderung (1.1.2024): § 715 Abs. 1, 3 BGB entspricht § 709 Abs. 1 BGB a.F.
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2. Auch Grundlagengeschäfte sind Geschäftsführungsmaßnahmen.

Nein!

Unter die Geschäftsführung im Innenverhältnis fällt jede auf die Verfolgung des Gesellschaftszwecks gerichtete Tätigkeit der Gesellschafter mit Ausnahme von Grundlagengeschäften. Geschäftsführungshandlungen können sowohl rechtsgeschäftliche (Kauf eines Gegenstandes für die Gesellschaft) als auch rein tatsächliche Tätigkeiten sein (Buchführung). Grundlagengeschäfte sind keine Geschäftsführungsmaßnahmen.

3. Die Umfunktionierung der GbR von einer Nachhilfeschule zu einem Fitnessstudio ist ein Grundlagengeschäft.

Genau, so ist das!

Zur Geschäftsführung gehören nicht Grundlagengeschäfte. Dies sind solche Geschäfte, die auf eine Änderung des Gesellschaftsvertrags hinauslaufen, weil sie die Grundlagen der Gesellschaft oder die Beziehungen der Gesellschafter zueinander betreffen. Ob Änderungen in der bisherigen Nutzung des Gesellschaftsvermögens (Büro) noch unter die Geschäftsführung fallen oder eine Änderung des Gesellschaftsvertrags erforderlich machen, hängt davon ab, welcher Gesellschaftszweck im Vertrag festgelegt ist. S1 und S2 haben sich zusammengeschlossen, um Nachhilfe zu geben. Eine Aufgabe des Nachhilfebetriebs und die Eröffnung eines Fitnessstudios würde den vertraglich festgelegten Gesellschaftszweck verändern und bedürfte deshalb einer Änderung des Gesellschaftsvertrags. Es ist keine Geschäftsführungsmaßnahme.

4. S1 kann den Gesellschaftszweck alleine ändern, weil sie einzelgeschäftsführungsbefugt ist.

Nein, das trifft nicht zu!

Bei Einzelgeschäftsführungsbefugnis ist keine Zustimmung der Mitgesellschafter erforderlich, vielmehr haben diese stattdessen ein Widerspruchsrecht (§ 715 Abs. 4 BGB). Grundlagengeschäfte sind jedoch keine Geschäftsführungsmaßnahmen, sondern bedürfen einer Änderung des Gesellschaftsvertrags. Eine solche Vertragsänderung setzt grundsätzlich die Zustimmung aller Vertragsparteien voraus. Weil eine Zustimmung der S2 zur Vertragsänderung erforderlich ist, kann S1 den Gesellschaftszweck nicht alleine ändern.MoPeG-Änderung (1.1.2024): § 715 Abs. 4 BGB entspricht § 711 BGB a.F.

5. S1 könnte bei dem Kauf von Fitnessgeräten die GbR im Außenverhältnis wirksam vertreten.

Ja!

Für die Vertretung der GbR gelten die allgemeinen Grundsätze der §§ 164 ff. BGB. Danach setzt eine Verpflichtung der GbR voraus, dass der handelnde Gesellschafter im Namen der GbR und im Rahmen seiner Vertretungsmacht handelt (§ 164 Abs. 1, 2 BGB). § 720 Abs. 1 BGB sieht als Grundsatz vor, dass die Gesellschafter nur gemeinsam befugt sind, die Gesellschaft zu vertreten. Abweichende Regelungen können aber im Gesellschaftsvertrag getroffen werden. Der Umfang der Vertretungsmacht bestimmt sich nach § 720 Abs. 3 S. 1 BGB.S1 ist aufgrund der Regelung im Gesellschaftsvertrag einzelvertretungsbefugt. Der Kauf von Fitnessgeräten ist kein Grundlagengeschäft, sondern ein Geschäft der Gesellschaft, § 720 Abs. 3 S. 1 BGB. Unerheblich ist auch, dass das Geschäft außerhalb des Gesellschaftszwecks lag. § 720 Abs. 3 S. 1 BGB umfasst zum Zweck der Rechtssicherheit und des Verkehrsschutzes alle Geschäfte, bei denen Vertretung überhaupt möglich ist, mithin gerichtliche und außergerichtliche, gewöhnliche und außergewöhnliche, innerhalb und außerhalb des Gesellschaftszwecks liegende Geschäfte. Auch eine Beschränkung des Umfangs ist Dritten gegenüber unwirksam, § 720 Abs. 3 S. 2 BGB. Innen- und Außenverhältnis sind daher streng getrennt zu betrachten. S1 macht sich damit wegen Überschreitung des Gesellschaftszwecks im Innenverhältnis schadensersatzpflichtig, im Außenverhältnis kann sie die GbR aber wirksam vertreten. Grenzen der Vertretungsmacht können sich aber nach den allgemeinen Maßstäben des Missbrauchs der Vertretungsmacht bei Kollusion und Evidenz ergeben. Mehr dazu im BGB-AT Kurs hier.

6. Für Grundlagengeschäfte besteht aber dennoch Vertretungsmacht der Gesellschafter.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Umfang der Vertretungsmacht bestimmt sich nach § 720 Abs. 3 S. 1 BGB und erfasst „alle Geschäfte der Gesellschaft“. Die Vertretung der GbR setzt damit eine in ihren Grundlagen verfasste Gesellschaft als Vertretene voraus. Werden diese Grundlagen geändert, so betrifft das entsprechende Geschäft den Bestand der Gesellschaft bzw. die einzelnen Gesellschafter in ihrer persönlichen Mitgliedsstellung. Daher sind Grundlagengeschäfte keine Geschäfte der Gesellschaft i.S.d. § 720 Abs. 3 S. 1 BGB. Somit besteht hierfür keine Vertretungsmacht der Gesellschafter.

7. Bei dem Kauf von Fitnessgeräten durch S1 handelt es sich um ein Grundlagengeschäft.

Nein!

Grundlagengeschäfte sind solche Geschäfte, die auf eine Änderung des Gesellschaftsvertrags hinauslaufen, weil sie die Grundlagen der Gesellschaft oder die Beziehungen der Gesellschafter zueinander betreffen. Zwar bedarf die Festlegung eines neuen Gesellschaftszwecks einer Änderung des Gesellschaftsvertrags und ist damit ein Grundlagengeschäft. Der Kauf von Fitnessgeräten durch S1 führt jedoch nicht zur Festlegung eines neuen Gesellschaftszwecks, sondern überschreitet lediglich den bestehenden Zweck. Die Beziehungen der Gesellschafter zueinander werden durch den Kaufvertrag nicht beeinflusst. Damit liegt kein Grundlagengeschäft vor. Wenn aufgrund der Bedeutung bzw. des Umfang des Geschäfts nur mittelbar bzw. faktisch die Grundlagen der Gesellschaft berührt werden (etwa durch Verpachtung des Unternehmens im Ganzen oder Beteiligung an anderen Unternehmen), kann die Abgrenzung von „Grundlagengeschäften“ zu übrigen Geschäften im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten. Argumentiere in der Klausur im Zweifelsfall mit dem Normzweck des § 720 Abs. 3 BGB: Der Rechtsverkehr soll nicht mit den Unsicherheiten über den Umfang der Vertretungsmacht belastet werden (Rechtssicherheit und Verkehrsschutz), zugleich soll die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft gesichert werden. Das spricht für eine restriktive Annahme von „Grundlagengeschäften“. Sonst bestünde in einer Vielzahl von Fällen keine Vertretungsmacht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JUL

Julian

30.1.2024, 13:21:11

Ist die Antwort so noch aktuell? § 720 BGB sieht ja nun keine Beschränkung der Vertretungsmacht im Außenverhältnis vor und ist unabhängig von der Geschäftsführungsbefugnis in § 715 BGB.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

31.1.2024, 16:44:26

Hallo Julian, danke für deine Rückfrage. Für alle Gesellschaftsformen gilt gleichermaßen, dass

Grundlagengeschäfte

weder von der Geschäftsführungs- noch der Vertretungsbefugnis umfasst sind. Diese Geschäfte betreffen die einzelnen Gesellschafter in ihrer persönlichen Mitgliedsstellung und sind daher deren Geschäfte und nicht solche der Gesellschaft. Geschäftsführung und Vertretung sind daher in diesem Bereich nicht möglich. Für

Grundlagengeschäfte

ist stets ein Beschluss aller Gesellschafter erforderlich. Daran ändert auch die explizit normierte Vertretungsmacht nichts. Denn hinsichtlich eines

Grundlagengeschäft

s besteht auch kein Vertrauensschutz des Rechtsverkehrs. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

JUL

Julian

1.2.2024, 08:06:48

Vielen Dank für die Antwort. Also ist der Kauf einzelner Fitnessgeräte schon ein

Grundlagengeschäft

, weil es nicht von dem Zweck umfasst ist?

JURA

juravulpes

3.4.2024, 12:58:08

Der Kauf von Fitnessgeräten ist kein

Grundlagengeschäft

, unabhängig vom Zweck der Gesellschaft. Unter

Grundlagengeschäfte

n sind die das Verhältnis der Gesellschafter zueinander betreffenden Geschäfte zu verstehen, insbesondere Änderung des Gesellschaftsvertrags, Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis, Aufnahme neuer Gesellschafter, etc. Der Kauf von Fitnessgeräten betrifft nicht das Verhältnis der Gesellschafter untereinander, sondern weicht lediglich vom vereinbarten Gesellschaftszweck ab. Aufgrund der Überschreitung des Gesellschaftszwecks macht sich die Gesellschafterin im Innenverhältnis schadensersatzpflichtig, das ändert jedoch nichts an der Wirksamkeit des von ihr abgeschlossenen Kaufvertrags.

AM

Anony Mous

25.4.2024, 18:44:22

Liebes Jurafuchs-Team, könntet ihr hierzu bitte Stellung beziehen?

ahimes

ahimes

15.5.2024, 19:08:23

Bin jetzt auch verwirrt. Woher soll der Dritte, ergo der Geschäftspartner eines ggseitigen KV wissen, ob die Gesellschaft ihren Gesellschaftszweck geändert hat. Wie würde ich das jetzt korrekt lösen in einer Klausur?

der unerkannt geisteskranke E

der unerkannt geisteskranke E

28.5.2024, 14:21:41

Gem. § 720 III 1 BGB erstreckt sich die Vertretungsmacht der Gesellschafter von vornherein nur auf „Geschäfte der Gesellschaft“. Das sind vielleicht einfach nur alle rechtsgeschäftlichen Geschäftsführungen, aber eben keine Maßnahmen, die nicht vom Gesellschaftszweck gedeckt sind. Da Gesellschafter die Gesellschaft nie in mehr als solchen Geschäften, die vom Zweck der Gesellschaft gedeckt sind, vertreten dürfen, besteht diesbezüglich auch kein schutzwürdiges Vertrauen Dritter. So erkläre ich mir das…

JURA

juravulpes

28.5.2024, 19:58:18

Nee, das ist hier einfach falsch dargestellt. Der Kauf von Fitnessgeräten ist kein das Verhältnis der Gesellschafter untereinander betreffendes

Grundlagengeschäft

, sondern ein

Verkehrsgeschäft

der Gesellschaft, das von der Vertretungsmacht des geschäftsführenden Gesellschafters umfasst ist. Dass die Überschreitung des Gesellschaftszwecks an dieser Einordnung nichts ändert, wird schon daran deutlich, dass nach der neueren Rechtsprechung des BGH auch deutlich weitergehende Maßnahmen wie die Veräußerung des gesamten Gesellschaftsvermögens nicht in den Bereich der

Grundlagengeschäfte

fallen, sondern noch vom Grundsatz der unbeschränkten Vertretungsmacht gedeckt sind. Dass der geschäftsführende Gesellschafter das Geschäft wirksam vornehmen kann, leuchtet auch aus Gründen des Verkehrsschutzes unmittelbar ein, denn anderenfalls müsste sich ein Geschäftspartner vor jedem Vertragsschluss den Gesellschaftsvertrag vorlegen lassen und prüfen, ob das konkrete Geschäft noch vom Gesellschaftszweck gedeckt ist. Durch die Übernahme das Grundsatzes der unbeschränkten Vertretungsmacht in § 720 Abs. 3 BGB hat der Gesetzgeber im Zuge des MoPeG den früheren Gleichlauf von Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht im GbR-Recht gerade deshalb aufgegeben, um die Rechtssicherheit bei Geschäften mit der GbR zu erhöhen.

PH

Philipp0922

2.6.2024, 13:04:52

@[juravulpes](240712) hast du zufällig ein Urteil parat, das zeigt, dass Geschäfte, die außerhalb des Gesellschaftszwecks liegen, dennoch von der Vertretungsmacht des Gesellschafters erfasst sind? Im Kindler steht das anders, der verweist auf Servatius GbR BGB § 720 (auf den ich leider keinen Zugriff habe); in manchen Kommentaren wird als Grenze der unbeschränkten Vertretungsbefugnis die L

ehre

vom

Missbrauch der Vertretungsmacht

aufgezeigt, aber eine allgemeine Kopplung des Umfangs der Vertretungsmacht an den Gesellschaftszweck wird nicht erwähnt (vielleicht habe ich auch etwas übersehen, war keine Recherche). Hier die Passage im Kindler: Zitat: Die Vertretungsmacht erstreckt sich auf den gesamten Bereich der Geschäftsführung, nicht aber auf

Grundlagengeschäfte

, wie zB die Änderung des Gesellschaftsvertrags, die Erhöhung der Beiträge oder die Aufnahme neuer Gesellschafter; auch Geschäfte außerhalb des Gesellschaftszwecks sind nicht mehr von der Vertretungsmacht gedeckt. (Kindler GK HandelsR, § 10. GbR und OHG – Entstehung und Außenverhältnis Rn. 104, beck-eBibliothek)

JURA

juravulpes

2.6.2024, 23:21:07

Bei Servatius, GbR § 720 BGB Rn. 22 heißt es ausdrücklich, dass auch Geschäfte außerhalb des Gesellschaftszwecks von der Vertretungsmacht umfasst sind. Der BGH hat 2019 entschieden, dass die Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens bei der GmbH auch ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung Dritten gegenüber wirksam ist – § 179a AktG also keine analoge Anwendung findet (NZG 2019, 505). Da der Grundsatz der unbeschränkten Vertretungsmacht auch im Personengesellschaftsrecht gilt, lässt sich aus dem Urteil schließen, dass vom Gesellschaftszweck abweichende Geschäfte auch bei der GbR grundsätzlich von der Vertretungsmacht gedeckt sind.

BI

Bilbo

4.7.2024, 16:03:14

Nach dieser Logik müsste aber ja in unserem Fall erst recht Vertretungsmacht bestehen, weil der Kauf eines Fitnessgeräts ja deutlich weniger umfangreich ist. Mir erscheint die Musterlösung in diesem Lichte unzutreffend. Bitte noch einmal um Klarstellung @[Lukas Mengestu](221887).

Charliefux

Charliefux

19.7.2024, 12:04:09

@[Lukas Mengestu](221887) bitte hilf uns hier 🫣

Tobias Krapp

Tobias Krapp

12.9.2024, 00:28:24

Ein Hallo in die Runde! @[Julian](223024) @[juravulpes](240712) @[Anony Mous](207571) @[ahimes](191697) @[der

unerkannt geisteskrank

e E](199982) @[Philipp0922](252502) @[Bilbo](210205) @[Charliefux](56873) Vielen Dank euch allen für eure Anmerkungen und Beiträge! Die letzte Frage der Aufgabe hier war in der Tat nicht richtig gelöst. Für die Frage, ob S1 die GbR im Außenverhältnis wirksam vertreten könnte, ist der Unmfang der Vertretungsmacht maßgebend. Dieser ergibt sich aus § 720 III BGB. § 720 III S. 1 BGB fordert ein "Geschäft der Gesellschaft".

Grundlagengeschäfte

fallen hier nicht darunter, da diese den Bestand der Gesellschaft bzw. die einzelnen Gesellschafter in ihrer persönlichen Mitgliedsstellung betreffen. Allerdings liegt hier mit dem Kauf von Fitnessgeräten kein

Grundlagengeschäft

vor, @[juravulpes](240712) hat 100 %ig Recht.

Grundlagengeschäfte

sind solche Geschäfte, die auf eine Änderung des Gesellschaftsvertrags hinauslaufen, weil sie die Grundlagen der Gesellschaft oder die Beziehungen der Gesellschafter zueinander betreffen. Zwar bedarf die Festlegung eines neuen Gesellschaftszwecks einer Änderung des Gesellschaftsvertrags und ist damit, wie in den ersten Fragen der Aufgabe dargestellt, ein

Grundlagengeschäft

. Der Kauf von Fitnessgeräten durch S1 führt jedoch nicht zur Festlegung eines neuen Gesellschaftszwecks, sondern überschreitet lediglich den bestehenden Zweck. Die Beziehungen der Gesellschafter zueinander werden durch den Kaufvertrag nicht beeinflusst. Damit liegt kein

Grundlagengeschäft

vor. Die Abgrenzung von

Grundlagengeschäfte

n zu übrigen Geschäften ist zwar im Einzelnen durchaus schwierig und strittig, wenn nur mittelbar bzw. faktisch die Grundlagen der Gesellschaft berührt werden (etwa bei, wie von @[juravulpes](240712) angeführt, Veräußerung des Unternehmens im Ganzen oder auch bei Beteiligung an anderen Unternehmen). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, die Sache ist hier eindeutig. Auch in den Grenzfällen ist aber aufgrund des Normzwecks des § 720 III BGB eher zurückhaltend von einem

Grundlagengeschäft

auszugehen: Telos des § 720 III BGB ist, dass der Rechtsverkehr nicht mit den Unsicherheiten über den Umfang der Vertretungsmacht belastet werden soll (Rechtssicherheit und Verkehrsschutz) und zugleich die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft gesichert werden soll. Das spricht für eine eher restriktive Annahme von

Grundlagengeschäfte

n. Sonst bestünde in einer Vielzahl von Fällen keine Vertretungsmacht. Da kein

Grundlagengeschäft

vorliegt, greift § 720 III S. 1 BGB. Auch der Umstand, dass das Geschäft außerhalb des Gesellschaftszwecks lag, ändert hieran nichts. § 720 III S. 1 BGB umfasst zum Zweck der Rechtssicherheit und des Verkehrsschutzes alle Geschäfte, bei denen Vertretung überhaupt möglich ist, mithin gerichtliche und außergerichtliche, gewöhnliche und außergewöhnliche, innerhalb und außerhalb des Gesellschaftszwecks liegende Geschäfte. Auch eine Beschränkung des Umfangs ist Dritten gegenüber unwirksam, § 720 III S. 2 BGB. Innen- und Außenverhältnis sind daher streng getrennt zu betrachten. S1 macht sich damit wegen Überschreitung des Gesellschaftszwecks im Innenverhältnis schadensersatzpflichtig, im Außenverhältnis kann er die GbR aber wirksam vertreten. Ich habe die Aufgabe hier im zweiten Teil ergänzt und überarbeitet, damit diese Punkte klarer werden. Für die Verwirrung in diesem Thread und die Verwirrung durch die bisherige Aufgabe entschuldige ich mich im Namen des Teams. Nobody is perfect, aber mit euch und euren aufmerksamen Beiträgen und eurer berechtigten Kritik können wir unsere Inhalte wo nötig nachbessern und so dem perfect ein Stückchen näher kommen :) Daher vielen Dank an euch alle für eure Beiträge, das Nachhaken und den Austausch untereinander! Genau dieser Austausch macht Jurafuchs mit unserem Forum aus! Ich freu mich also, wieder von euch zu lesen, das nächste Mal dann hoffentlich unter einer bereits richtig gelösten Aufgabe :D Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias

AM

Anony Mous

12.9.2024, 08:02:23

Danke für die Klarstellung, Tobias! Ich habe in den letzten Tagen m

ehre

re Beiträge von dir gesehen und bin begeistert von deiner Art, die Dinge so verständlich zu erklären. Danke & Chapeau!

Tobias Krapp

Tobias Krapp

12.9.2024, 15:09:11

Sehr gerne @[Anony Mous](207571), und vielen Dank für das Lob! 😊


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