Grundlagengeschäft
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Jurastudium und Referendariat.
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die Studentinnen S1 und S2 haben schon vor längerer Zeit die Jura-Nachhilfe-GbR gegründet. Im Gesellschaftsvertrag sind Einzelgeschäftsführungs- und vertretungsbefugnis vereinbart. Eines Tages meint S1, Nachhilfeunterricht habe keine Zukunft, Sport hingegen schon. Daher will sie das bisherige Büro zu einem Fitnessraum umfunktionieren und Geräte anschaffen.
Einordnung des Falls
Grundlagengeschäft
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Vereinbarung einer Einzelgeschäftsführungsbefugnis ist möglich.
Ja, in der Tat!
2. Auch Grundlagengeschäfte sind Geschäftsführungsmaßnahmen.
Nein!
3. Die Umfunktionierung der GbR von einer Nachhilfeschule zu einem Fitnessstudio ist ein Grundlagengeschäft.
Genau, so ist das!
4. S1 kann den Gesellschaftszweck alleine ändern, weil sie einzelgeschäftsführungsbefugt ist.
Nein, das trifft nicht zu!
5. S1 könnte im Außenverhältnis wirksam Fitnessgeräte erwerben.
Nein!
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ehemalige:r Nutzer:in
1.4.2021, 16:29:53
Ist das so? Dass der Kauf eines einzelnen Fitnessgerätes schon ein Grundlagengeschäft sein soll, erscheint mir zweifelhaft. Allein der Umstand, dass der Kauf zur Förderung des Gesellschaftszwecks sinnlos ist, ändert ja nichts an der Einzelvertretungsbefugnid des S1. Konsequenz wäre (unsinnigerweise), dass Dritte nicht nur prüfen müssten, dass S1 alleinvertretungsbefugt ist, sondern auch, ob der Kauf den Gesellschaftszweck fördert.
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Lukas_Mengestu
5.4.2021, 21:27:33
Hallo Puchta, in der Tat war der Begriff des Grundlagengeschäfts in der letzten Antwort etwas missverständlich und wurde von uns angepasst. Tatsächlich ist die Frage, ob das Geschäft dem Gesellschaftszweck dient aber im Falle der GbR hinsichtlich der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis durchaus von Relevanz. Denn die Geschäftsführungsbefugnis (das „Dürfen“ im Innenverhältnis) des GbR-Gesellschafters ist nicht allumfassend wie bei der OHG (vgl. §
126 HGB), sondern richtet sich in erster Linie nach dem Gesellschaftsvertrag. Fehlt es dort an einer spezifischen Regelung, dann orientiert sich die Befugnis an dem Gesellschaftszweck. Eine Tätigkeit, die nicht dem Gesellschaftszweck dient, stellt dann bereits keine Geschäftsführungsmaßnahme dar.
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Lukas_Mengestu
5.4.2021, 21:28:49
Dann besteht im Außenverhältnis auch keine Vertretungsbefugnis hierfür. Das führt für den Vertragspartner im Ergebnis zwar tatsächlich dazu, dass mangels Vertretungsmacht ein Vertrag mit der GbR nicht zustande kommt. Dies ist aber nur bedingt unbillig, da die handelnde Gesellschafterin (hier: S1) jedenfalls als Vertreter ohne Vertretungsmacht haftet (§ 179 BGB). Beste Grüße, Lukas – für das Jurafuchs-Team
Leonie
1.7.2024, 11:55:40
Stimmt das noch so - auch unter Bezugnahme auf die Diskussion im aktuellsten Thread?
omnimodo facturus
19.11.2023, 13:22:29
Macht ihr noch einen Abschnitt zum MoPeg? Wäre super.
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Lukas_Mengestu
22.11.2023, 14:13:01
Hi
omnimodo facturus, mit Inkrafttreten des Gesetzes im Januar wird es auch einen Abschnitt zu den damit einhergehenden Änderungen sowie eine Aktualisierung der bestehenden Fälle geben. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
omnimodo facturus
27.12.2023, 17:32:36
Hi, vielen Dank. Es wäre wirklich ganz toll, wenn das zeitnah geschieht. Leider sehen die Prüfungsämter (NRW) keine Übergangsfristen vor, sodass im Januar alles im Examen kommen kann...
Julian
30.1.2024, 13:21:11
Ist die Antwort so noch aktuell? § 720 BGB sieht ja nun keine Beschränkung der Vertretungsmacht im Außenverhältnis vor und ist unabhängig von der Geschäftsführungsbefugnis in § 715 BGB.
![Nora Mommsen](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__1g4ube287wphue6xpdn8yy675.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Nora Mommsen
31.1.2024, 16:44:26
Hallo Julian, danke für deine Rückfrage. Für alle Gesellschaftsformen gilt gleichermaßen, dass Grundlagengeschäfte weder von der Geschäftsführungs- noch der Vertretungsbefugnis umfasst sind. Diese Geschäfte betreffen die einzelnen Gesellschafter in ihrer persönlichen Mitgliedsstellung und sind daher deren Geschäfte und nicht solche der Gesellschaft. Geschäftsführung und Vertretung sind daher in diesem Bereich nicht möglich. Für Grundlagengeschäfte ist stets ein Beschluss aller Gesellschafter erforderlich. Daran ändert auch die explizit normierte Vertretungsmacht nichts. Denn hinsichtlich eines Grundlagengeschäfts besteht auch kein Vertrauensschutz des Rechtsverkehrs. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Julian
1.2.2024, 08:06:48
Vielen Dank für die Antwort. Also ist der Kauf einzelner Fitnessgeräte schon ein Grundlagengeschäft, weil es nicht von dem Zweck umfasst ist?
juravulpes
3.4.2024, 12:58:08
Der Kauf von Fitnessgeräten ist kein Grundlagengeschäft, unabhängig vom Zweck der Gesellschaft. Unter Grundlagengeschäften sind die das Verhältnis der Gesellschafter zueinander betreffenden Geschäfte zu verstehen, insbesondere Änderung des Gesellschaftsvertrags, Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis, Aufnahme neuer Gesellschafter, etc. Der Kauf von Fitnessgeräten betrifft nicht das Verhältnis der Gesellschafter untereinander, sondern weicht lediglich vom vereinbarten Gesellschaftszweck ab. Aufgrund der Überschreitung des Gesellschaftszwecks macht sich die Gesellschafterin im Innenverhältnis schadensersatzpflichtig, das ändert jedoch nichts an der Wirksamkeit des von ihr abgeschlossenen Kaufvertrags.
Anony Mous
25.4.2024, 18:44:22
Liebes Jurafuchs-Team, könntet ihr hierzu bitte Stellung beziehen?
![ahimes](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__asustkxviztdsgiaygthb.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
ahimes
15.5.2024, 19:08:23
Bin jetzt auch verwirrt. Woher soll der Dritte, ergo der Geschäftspartner eines ggseitigen KV wissen, ob die Gesellschaft ihren Gesellschaftszweck geändert hat. Wie würde ich das jetzt korrekt lösen in einer Klausur?
![der unerkannt geisteskranke E](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__pwpz0aszavyj8pkrfl9fv2os3.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
der unerkannt geisteskranke E
28.5.2024, 14:21:41
Gem. § 720 III 1 BGB erstreckt sich die Vertretungsmacht der Gesellschafter von vornherein nur auf „Geschäfte der Gesellschaft“. Das sind vielleicht einfach nur alle rechtsgeschäftlichen Geschäftsführungen, aber eben keine Maßnahmen, die nicht vom Gesellschaftszweck gedeckt sind. Da Gesellschafter die Gesellschaft nie in mehr als solchen Geschäften, die vom Zweck der Gesellschaft gedeckt sind, vertreten dürfen, besteht diesbezüglich auch kein schutzwürdiges Vertrauen Dritter. So erkläre ich mir das…
juravulpes
28.5.2024, 19:58:18
Nee, das ist hier einfach falsch dargestellt. Der Kauf von Fitnessgeräten ist kein das Verhältnis der Gesellschafter untereinander betreffendes Grundlagengeschäft, sondern ein
Verkehrsgeschäftder Gesellschaft, das von der Vertretungsmacht des geschäftsführenden Gesellschafters umfasst ist. Dass die Überschreitung des Gesellschaftszwecks an dieser Einordnung nichts ändert, wird schon daran deutlich, dass nach der neueren Rechtsprechung des BGH auch deutlich weitergehende Maßnahmen wie die Veräußerung des gesamten Gesellschaftsvermögens nicht in den Bereich der Grundlagengeschäfte fallen, sondern noch vom Grundsatz der unbeschränkten Vertretungsmacht gedeckt sind. Dass der geschäftsführende Gesellschafter das Geschäft wirksam vornehmen kann, leuchtet auch aus Gründen des Verkehrsschutzes unmittelbar ein, denn anderenfalls müsste sich ein Geschäftspartner vor jedem Vertragsschluss den Gesellschaftsvertrag vorlegen lassen und prüfen, ob das konkrete Geschäft noch vom Gesellschaftszweck gedeckt ist. Durch die Übernahme das Grundsatzes der unbeschränkten Vertretungsmacht in § 720 Abs. 3 BGB hat der Gesetzgeber im Zuge des MoPeG den früheren Gleichlauf von Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht im GbR-Recht gerade deshalb aufgegeben, um die Rechtssicherheit bei Geschäften mit der GbR zu erhöhen.
Philipp0922
2.6.2024, 13:04:52
@[juravulpes](240712) hast du zufällig ein Urteil parat, das zeigt, dass Geschäfte, die außerhalb des Gesellschaftszwecks liegen, dennoch von der Vertretungsmacht des Gesellschafters erfasst sind? Im Kindler steht das anders, der verweist auf Servatius GbR BGB § 720 (auf den ich leider keinen Zugriff habe); in manchen Kommentaren wird als Grenze der unbeschränkten Vertretungsbefugnis die Lehre vom Missbrauch der Vertretungsmacht aufgezeigt, aber eine allgemeine Kopplung des Umfangs der Vertretungsmacht an den Gesellschaftszweck wird nicht erwähnt (vielleicht habe ich auch etwas übersehen, war keine Recherche). Hier die Passage im Kindler: Zitat: Die Vertretungsmacht erstreckt sich auf den gesamten Bereich der Geschäftsführung, nicht aber auf Grundlagengeschäfte, wie zB die Änderung des Gesellschaftsvertrags, die Erhöhung der Beiträge oder die Aufnahme neuer Gesellschafter; auch Geschäfte außerhalb des Gesellschaftszwecks sind nicht mehr von der Vertretungsmacht gedeckt. (Kindler GK HandelsR, § 10. GbR und OHG – Entstehung und Außenverhältnis Rn. 104, beck-eBibliothek)
juravulpes
2.6.2024, 23:21:07
Bei Servatius, GbR § 720 BGB Rn. 22 heißt es ausdrücklich, dass auch Geschäfte außerhalb des Gesellschaftszwecks von der Vertretungsmacht umfasst sind. Der BGH hat 2019 entschieden, dass die Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens bei der GmbH auch ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung Dritten gegenüber wirksam ist – § 179a AktG also keine analoge Anwendung findet (NZG 2019, 505). Da der Grundsatz der unbeschränkten Vertretungsmacht auch im Personengesellschaftsrecht gilt, lässt sich aus dem Urteil schließen, dass vom Gesellschaftszweck abweichende Geschäfte auch bei der GbR grundsätzlich von der Vertretungsmacht gedeckt sind.
Bilbo
4.7.2024, 16:03:14
Nach dieser Logik müsste aber ja in unserem Fall erst recht Vertretungsmacht bestehen, weil der Kauf eines Fitnessgeräts ja deutlich weniger umfangreich ist. Mir erscheint die Musterlösung in diesem Lichte unzutreffend. Bitte noch einmal um Klarstellung @[Lukas Mengestu](221887).
![Charliefux](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__vxnfwuanvhsmteimfzxpn.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Charliefux
19.7.2024, 12:04:09
@[Lukas Mengestu](221887) bitte hilf uns hier 🫣
Wolfkurt
21.6.2024, 23:26:40
Meine Frage bezieht sich auf die letzte Aufgabe, ob es stimme, dass der Kauf von Fitnessgeräten im Außenverhältnis wirksam zustande käme. Der Geschäftspartner wäre jedenfalls nicht schutzwürdig, wenn der Kauf von Fitnessgeräten ein Grundlagengeschäft wäre. Soviel ist klar! Klar ist auch, dass der Kauf von Fitnessgeräten nicht den Gesellschaftszweck fördert, was eine Schadensersatzpflicht im Innenverhältnis begründen könnte. Aber jedenfalls ist der Kauf von Fitnessgeräten doch immerhin kein Grundlagengeschäft. Warum also stimmt es nicht, dass der KV im Außenverhältnis wirksam zustande gekommen ist? (Etwa bloß weil es ein zweckfremdes Geschäft ist?)
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