Grundfall
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Räuber R erschießt den verwitweten Familienvater V bei einem Banküberfall. Die 18-jährige Tochter T des V ist darüber dauerhaft zutiefst traurig.
Diesen Fall lösen 81,3 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V hatte dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch gegen R (§ 823 Abs. 1 BGB).
Ja!
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2. Da T seelisches Leid erleidet, kann sie einen eigenen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB gegenüber R geltend machen.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Der Hinterbliebene eines Getöteten kann ausnahmsweise einen eigenen Schadensersatzanspruch infolge der Tötung haben.
Ja, in der Tat!
4. Ein hypothetischer Deliktsanspruch liegt vor, weil der Getötete V einen Schadensersatzanspruch gegen R hätte (§ 823 Abs. 1 BGB).
Ja!
5. Durch die unerlaubte Handlung des R ist V verstorben.
Genau, so ist das!
6. T stand zum Zeitpunkt der Verletzung in einem Näheverhältnis zu V.
Ja, in der Tat!
7. T hat seelisches Leid erlitten.
Ja!
8. Als Rechtsfolge kann T Schmerzensgeld (§ 253 Abs. 2 BGB) von R verlangen.
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
iustus
6.7.2021, 20:04:01
Jetzt habe ich erstmal den Unterschied zwischen Schockschaden, 823, und Ersatz wegen Trauer begriffen. Danke. 😅
Lukas_Mengestu
6.7.2021, 20:39:39
Sehr schön! Wir helfen, wo wir können :D
L
8.1.2022, 16:02:18
Wieso kann der Anspruch aus § 823 I hier nicht vererbt werden?
Lukas_Mengestu
10.1.2022, 13:40:55
Hallo L, sofern V durch den Schuss ein ersatzfähiger Schaden entstanden ist (zB Behandlungskosten, Schmerzensgeld...), so wäre dieser durchaus vererbbar. Dafür sind im Sachverhalt allerdings keine Anhaltspunkte ersichtlich. Vielmehr ist davon auszugehen, dass V direkt tot war. Dies stellt zwar eine Rechtsgutsverletzung dar (Leben, Körper, Gesundheit), aber es fehlt eben an einer ersatzfähigen, vererbbaren Schadensposition. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
L
10.1.2022, 13:48:48
Aber was bringt dann der § 823 I überhaupt in Bezug auf das Rechtsgut Leben? Dieses erfasst doch nur den Tod eines Menschen oder?
Lukas_Mengestu
11.1.2022, 09:52:43
Hallo L, die Antwort hierauf lautet letztlich: gar nichts. Mit Ausnahme der §§ 844 ff. BGB bleiben Eingriffe in das Rechtsgut Leben zivilrechtlich sanktionslos, was auch in der Literatur teilweise kritisiert wird (vgl. Förster, in: BeckOG-BGB, 60.Ed. 1.11.2021, § 823 RdNr. 106, Wagner, in: MüKo-BGB, 8.A. 2020, § 823 RdNr. 192 mwN). Der Schutz vor Beeinträchtigungen des Lebens wird insoweit primär durch die hohe strafrechtliche Sanktionierung erreicht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Blackpanther
21.12.2023, 15:32:32
In den Hinweistexten findet sich noch die alte Rspr zu den Schockschäden
Lukas_Mengestu
21.12.2023, 16:40:28
Hallo Blackpanther, vielen Dank für den Hinweis! Wir haben hier noch einen Hinweis auf die neuere Rechtsprechung des BGH aufgenommen. Auch danach bedarf es aber für einen Schockschaden einer Beeinträchtigung, die Krankheitswert hat. Dies ist bei bloßer Trauer noch nicht der Fall (anders als zB bei Eintritt einer Depression). Lediglich das Kriterium, dass die eingetretene Krankheit "über das Normalmaß" hinausgehen müsse, hat der BGH nun aufgegeben. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
BrSa
30.7.2024, 12:47:19
Hi, auf welche Norm des
Schadensrechtkann denn dann verwiesen werden? Oder benötigen wir hier gar keine?
Eileen 🦊
5.8.2024, 10:51:49
Hier wäre mE 253 Abs. 1 BGB einschlägig oder?
Wendelin Neubert
23.8.2024, 12:55:42
Danke für Deine Frage @[BrSa](222308) und für Deine Einschätzung @[Eileen 🦊](190132). § 844 BGB (ebenso wie § 845 BGB) enthält eigenständige Anspruchsgrundlagen und die einzig wirklichen Ausnahmen von dem Grundsatz, dass nur der in seinem Rechtsgut selbst Verletzet ersatzberechtigt ist (Grüneberg/Sprau, 81.A. 2022, § 844 RdNr. 1). Es handelt sich daher nach meinem Verständnis auch nicht um einen immateriellen Schaden i.S.d. § 253 BGB, sondern um einen besonderen gesetzlich geregelten Fall eines Vermögensschadens. Eine
schadensrechtliche Norm ist daher bei § 844 BGB nicht zu zitieren. Hoffe das hilft! Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team