Grundfall
4. Juli 2025
18 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Räuber R erschießt den verwitweten Familienvater V bei einem Banküberfall. Die 18-jährige Tochter T des V ist darüber dauerhaft zutiefst traurig.
Diesen Fall lösen 0,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Grundfall
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V hatte dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch gegen R (§ 823 Abs. 1 BGB).
Ja!
2. Da T seelisches Leid erleidet, kann sie einen eigenen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB gegenüber R geltend machen.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Der Hinterbliebene eines Getöteten kann ausnahmsweise einen eigenen Schadensersatzanspruch infolge der Tötung haben.
Ja, in der Tat!
4. Ein hypothetischer Deliktsanspruch liegt vor, weil der Getötete V einen Schadensersatzanspruch gegen R hätte (§ 823 Abs. 1 BGB).
Ja!
5. Durch die unerlaubte Handlung des R ist V verstorben.
Genau, so ist das!
6. T stand zum Zeitpunkt der Verletzung in einem Näheverhältnis zu V.
Ja, in der Tat!
7. T hat seelisches Leid erlitten.
Ja!
8. Als Rechtsfolge kann T Schmerzensgeld (§ 253 Abs. 2 BGB) von R verlangen.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
iustus
6.7.2021, 20:04:01
Jetzt habe ich erstmal den Unterschied zwischen
Schockschaden, 823, und Ersatz wegen Trauer begriffen. Danke. 😅

Lukas_Mengestu
6.7.2021, 20:39:39
Sehr schön! Wir helfen, wo wir können :D
ehemalige:r Nutzer:in
8.1.2022, 16:02:18
Wieso kann der Anspruch aus § 823 I hier nicht vererbt werden?

Lukas_Mengestu
10.1.2022, 13:40:55
Hallo L, sofern V durch den Schuss ein
ersatzfähiger Schadenentstanden ist (zB Behandlungskosten, Schmerzens
geld...), so wäre dieser durchaus vererbbar. Dafür sind im Sachverhalt allerdings keine Anhaltspunkte ersichtlich. Vielmehr ist davon auszugehen, dass V direkt tot war. Dies stellt zwar eine Rechtsgutsverletzung dar (Leben, Körper, Gesundheit), aber es fehlt eben an einer ersatzfähigen, vererbbaren
Schadensposition. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
ehemalige:r Nutzer:in
10.1.2022, 13:48:48
Aber was bringt dann der § 823 I überhaupt in Bezug auf das
Rechtsgut Leben? Dieses erfasst doch nur den Tod eines Menschen oder?

Lukas_Mengestu
11.1.2022, 09:52:43
Hallo L, die Antwort hierauf lautet letztlich: gar nichts. Mit Ausnahme der §§ 844 ff. BGB bleiben Eingriffe in das
Rechtsgut Lebenzivilrechtlich sanktionslos, was auch in der Literatur teilweise kritisiert wird (vgl. Förster, in: BeckOG-BGB, 60.Ed. 1.11.2021, § 823 RdNr. 106, Wagner, in: MüKo-BGB, 8.A. 2020, § 823 RdNr. 192 mwN). Der Schutz vor Beeinträchtigungen des Lebens wird insoweit primär durch die hohe strafrechtliche Sanktionierung erreicht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Blackpanther
21.12.2023, 15:32:32
In den Hinweistexten findet sich noch die alte Rspr zu den
Schockschäden
Lukas_Mengestu
21.12.2023, 16:40:28
Hallo Blackpanther, vielen Dank für den Hinweis! Wir haben hier noch einen Hinweis auf die neuere Rechtsprechung des BGH aufgenommen. Auch danach bedarf es aber für einen
Schockschadeneiner Beeinträchtigung, die Krankheitswert hat. Dies ist bei bloßer Trauer noch nicht der Fall (anders als zB bei Eintritt einer Depression). Lediglich das Kriterium, dass die eingetretene Krankheit "über das Normalmaß" hinausgehen müsse, hat der BGH nun aufgegeben. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
BrSa
30.7.2024, 12:47:19
Hi, auf welche Norm des
Schadensrechtkann denn dann verwiesen werden? Oder benötigen wir hier gar keine?
Eileen 🦊
5.8.2024, 10:51:49
Hier wäre mE 253 Abs. 1 BGB einschlägig oder?

Wendelin Neubert
23.8.2024, 12:55:42
Danke für Deine Frage @[BrSa](222308) und für Deine Einschätzung @[Eileen 🦊](190132).
§ 844 BGB(ebenso wie §
845 BGB) enthält eigenständige Anspruchsgrundlagen und die einzig wirklichen Ausnahmen von dem Grundsatz, dass nur der in seinem Rechtsgut selbst Verletzet ersatzberechtigt ist (Grüneberg/Sprau, 81.A. 2022, § 844 RdNr. 1). Es handelt sich daher nach meinem Verständnis auch nicht um einen immateriellen
Schadeni.S.d. § 253 BGB, sondern um einen besonderen gesetzlich geregelten Fall eines Vermögens
schadens. Eine
schadensrechtliche Norm ist daher bei
§ 844 BGBnicht zu zitieren. Hoffe das hilft! Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team

FalkTG
14.9.2024, 11:53:04

Juraddicted
7.10.2024, 18:42:43
Wäre V erst nach erfolgten Behandlungen verstorben, wäre der Anspruch aus
844 BGBausgeschlossen und die Behandlungskosten (und weiteres?) vererbbar? vielen Dank :)

johannes.fr
9.6.2025, 16:54:35
Wie ist der Begriff Lebenspartner in § 844 Abs. 3 S. 2 BGB zu verstehen, also sind darunter nur Lebenspartnerschaften nach dem LPartG zu verstehen oder auch allgemein partnerschaftliche Beziehungen in einem weiteren Sinn?
okalinkk
30.6.2025, 10:34:50
Der haftungsbegründende Tatbestand setzt doch alles bis auf einen „kausalen
Schaden“ voraus. Im Text heisst es bei euch aber: „Der haftungsbegründende Tatbestand von § 823 Abs. 1 BGB setzt voraus: (1) eine Rechtsgutsverletzung beim Anspruchssteller, (2) die durch ein Verhalten des Anspruchsgegners, (3) kausal, (4) rechtswidrig und (5) schuldhaft verursacht wurde, wodurch (6) ein kausaler
Schadenentstanden ist.“ (6) dürfte doch eigtl nicht zum haftungsbegründenden TB gehören?
okalinkk
30.6.2025, 10:42:42
Was bedeutet die Formulierung „dem Grunde nach“? Meint dies, dass nur der haftungsbegründende TB geprüft werden muss, nicht jedoch der haftungsausfüllende TB (
Schaden, haftungsausfüllende Kausalität, Ersatzfähigkeit, Mitverschulden)?