mangelbedingter Betriebsausfallschaden - Auflösung

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

K bestellt bei V ein Ringlicht für seinen Youtubekanal. Es kommt am 26.11. an. Als K das Licht am 1.12. einsetzen will, bemerkt er, dass es mangelhaft ist. Ihm entgehen an dem Tag Einnahmen in Höhe von €400. Am 2.12. fordert er K zur Nacherfüllung auf und verlangt zugleich Schadensersatz.

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Einordnung des Falls

mangelbedingter Betriebsausfallschaden - Auflösung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem V das Ringlicht mangelhaft geliefert hat, hat sie ihre vertraglich geschuldete Pflicht verletzt.

Ja, in der Tat!

Eine Pflichtverletzung ist jede objektive Abweichung des Verhaltens einer Partei des Schuldverhältnisses vom geschuldeten Pflichtenprogramm des § 241 BGB. Bei einem Kaufvertrag ist der Verkäufer verpflichtet die mangelfreie Kaufsache zu übergeben und zu übereignen.Da das Ringlicht einen Sachmangel hat (§ 434 Abs. 1 BGB), hat V ihre vertraglich geschuldete Leistung nicht ordnungsgemäß erfüllt.
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2. Bei Ks entgangenen Werbeeinnahmen vom 1.12. handelt es sich um einen Schaden statt der Leistung.

Nein!

Zum Schadensersatz statt der Leistung gehören nach h.M. alle Schadensposten, die durch eine Nacherfüllung im letztmöglichen Zeitpunk entfallen würden. Zum Schadensersatz neben der Leistung gehören alle Beeinträchtigungen der Rechtsgüter des Gläubigers, die auch bei einer Leistungserbringung zum spätbestmöglichen Zeitpunkt nicht mehr entfielen.Selbst wenn V noch ordnungsgemäß nacherfüllen würde (Reparatur/Neulieferung), so entfällt dadurch nicht mehr der Verdienstausfall vom 1.12. (€400). Dieser Betriebsausfallschaden ist endgültig eingetreten und es liegt ein Schaden neben der Leistung vor.

3. Qualifiziert man Ks Einnahmeausfälle mit der herrschenden Meinung als einfachen Schaden, kann K diese von V ersetzt verlangen (§§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Der einfacheSchadensersatzanspruch setzt voraus, dass (1) ein Schuldverhältnis besteht, (2) der Schuldner seine geschuldete (Schutz-)Pflicht verletzt hat, (3) er die Verletzung zu vertreten hat (§ 276 Abs. 1 BGB) und (4) dem Gläubiger ein Schaden entstanden ist.K und V haben einen Kaufvertrag abgeschlossen. Das Ringlicht ist mangelhaft (§ 434 Abs. 1 BGB nF). Das Vertretenmüssen wird vermutet (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB) und ein Schaden ist in Form der entgangenen Gewinne (§§ 249 Abs. 1, 252 BGB) eingetreten. K kann die Einnahmen i.H.v. €400 nach §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB von V ersetzt verlangen.

4. Qualifiziert man Ks Einnahmeausfälle als Verzögerungsschaden, müsste V sich im Schuldnerverzug befinden (§§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 2, 286 BGB).

Ja, in der Tat!

Ein Verzögerungsschaden kann nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des §§ 280 Abs. 2, 286 BGB ersetzt werden. Dies erfordert Schuldnerverzug. Der Schuldner gerät in Verzug, wenn er zu einem Zeitpunkt nicht erfüllt, in dem die Forderung wirksam, durchsetzbar und fällig ist, angemahnt (sofern eine Mahnung nicht entbehrlich ist (§ 286 Abs. 2 BGB)) und noch möglich (nachholbar) ist und er die Verzögerung zu vertreten hat (§ 286 Abs. 4 BGB).In der Klausur empfiehlt es sich, sich der herrschenden Meinung anzuschließen. Dies spart Zeit, da man nicht noch die zusätzlichen Voraussetzungen des Verzuges prüfen muss. Der Streit um die Abgrenzung kann im Rahmen des § 280 Abs. 1 BGB geführt werden, bei der Frage, ob es der zusätzlichen Voraussetzungen des Verzuges bedarf.

5. Aufgrund von Ks Aufforderung zur Nacherfüllung befand sich V am 1.12. im Schuldnerverzug.

Nein!

Schuldnerverzug setzt grundsätzlich eine Mahnung voraus (§ 286 Abs. 1 BGB). Unter einer Mahnung versteht man die an den Schuldner gerichtete eindeutige und bestimmte Aufforderung, mit welcher der Gläubiger unzweideutig zum Ausdruck bringt, dass er die Leistung verlangt. K hat V aufgefordert nachzuerfüllen, was eine hinreichend bestimmte Aufforderung dar, die Leistungspflicht zu erbringen. Eine Mahnung lag somit vor. Allerdings erfolgte diese erst am 2.12. und begründet erst ab diesem Zeitpunkt Schuldnerverzug. Am 1.12. konnte die Mahnung insoweit noch keinen Verzug begründen.

6. Soweit die Mahnung entbehrlich war, befand sich V bereits am 1.12. im Schuldnerverzug.

Genau, so ist das!

Zum Teil wird vertreten, dass beim Betriebsausfallschaden eine Mahnung nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB grundsätzlich entbehrlich ist. Der Käufer sei einerseits besonders schutzbedürftig, da er den Mangel der Kaufsache oftmals nicht (ohne Weiteres) erkennen kann. Andererseits verdiene der Verkäufer nicht den Schutz durch das Mahnungserfordernis, da seine Pflicht zur mangelfreien Leistung auch ohne Aufforderung offensichtlich sei. Dagegen wird eingewandt, dass die Ausnahmevorschrift eine einzelfallbezogene Ausprägung von Treu und Glauben sei (§ 242 BGB) und nicht pauschal auf Konstellationen übertragen werden dürfe, in denen ein Mahnungserfordernis schon bei abstrakter Betrachtungsweise nicht passt.Entscheidet man sich für die Entbehrlichkeit, so befand sich V im Verzug und K kann ihre entgangenen Einnahmen nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB ersetzt verlangen.Hier zeigt sich, dass man sich unnötig Folgeprobleme schafft. Effizienter und überzeugender ist es, direkt auf § 280 Abs. 1 BGB abzustellen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Simon

Simon

21.1.2022, 23:23:13

Eine wirklich sehr schön gelungene Aufbereitung dieses Problemklassikers!

Marilena

Marilena

23.1.2022, 10:14:11

Herzlichen Dank für das tolle Lob, Daniel! Wir haben es an den Autoren weitergeleitet. Das freut uns sehr und motiviert uns zu mehr! ;) Einen schönen Sonntag Dir! Beste Grüße Marilena für das Jurafuchs-Team

Marilena

Marilena

23.1.2022, 17:26:01

Sorry, Namensverwechslung 🙈 ;) Ich meinte natürlich Dich, Simon…

Simon

Simon

23.1.2022, 21:24:39

Überhaupt kein Problem, passiert jedem mal :)

QUIG

QuiGonTim

28.7.2022, 15:15:58

Dient die Mahnung gerade in den Fällen der Nacherfüllung nicht auch dazu, den Schuldner auf seine verbleibende

Leistungspflicht

hinzuweisen, sie ihm mithin offensichtlich zu machen? Gerade im Falle moderner Massenverkäufe wird dem Verkäufer der Mangel der

Kaufsache

doch erst mit der Aufforderung zur Nacherfüllung bewusst. Da macht es wenig Sinn mit der Offensichtlichkeit der Pflichtverletzung zur argumentieren.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.7.2022, 19:42:21

Hi QuiGonTim, in der Tat müsste man dann eigentlich konsequent bleiben und letztlich den Schaden mangels Schuldnerverzug verneinen. Auch vor diesem Hintergrund fährt man besser, wenn man mit der hM auf §§ 280 I, 241 BGB abstellt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Niklas3461

Niklas3461

12.10.2023, 15:59:50

Hi, ihr zeigt ja hier die Folgenprobleme auf, wenn man nicht der h.M. folgt. Grundsätzlich sollen Streits ja erst mit dem Ergebnis der jeweiligen Auffassungen und dann mit Argumenten dargestellt werden. Inwieweit muss ich dann im Rahmen der Ergebnisdarstellung die Folgeprobleme berücksichtigen und aufwerfen? Eine Inzidentprüfung eines Meinungsstreits in einem weiteren scheint mir doch sehr unübersichtlich für den Leser zu werden.

LELEE

Leo Lee

14.10.2023, 14:24:30

Hallo Niklas Berendes, das ist eine sehr gute Frage! Wir würden folgendes empfehlen: Man sollte zwar im Kopf immer behalten, dass man der h.M. folgt, damit man den "Stress" mit dem Folgeproblem später nicht hat. Schreiben tut man jedoch nur, dass man gerade der h.M. folgt, weil die Argumente (also kein Wort über das Folgeproblem verlieren!) überzeugender sind. D.h., du würdest ganz normal einen Streit führen und die üblichen Argumente erwähnen, ohne dabei zu erwähnen, dass es ein Folgeproblem geben könnte :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

LEO

Leonie

5.4.2024, 13:08:35

Ich hätte noch eine Nachfrage zum Zeitpunkt der Mahnung und damit auch dem Verzugsbeginn: würde man auf § 286 II Nr. 4 abstellen, diesen bejahen und die Entbehrlichkeit der Mahnung annehmen, würde die Mahnung laut Aufgabentext auf den 01.12. „fingiert“ werden. Warum nicht schon auf den 26.11., also dem Tag, an dem die Ware erhalten wurde? Ist mithin zur Bestimmung essenziell, wann von der Nichtleistung der mangelfreien Ware (subj.) Kenntnis genommen wurde und eben nicht der Zeitpunkt, an dem (obj.) eine mangelfreie Leistung nicht geleistet wurde?


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