Zivilrecht
Schuldrecht Allgemeiner Teil
Schadensersatz statt oder neben der Leistung (Leistungsstörungsrecht)
Deckungskauf nach Mahnung, aber vor Fristablauf
Deckungskauf nach Mahnung, aber vor Fristablauf
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Influencer K bestellt bei Versandhändlerin V am Black Friday (26.11.) ein Ringlicht für €10. Da V nicht liefert, mahnt er V am 6.12. und setzt eine Nachfrist bis zum 12.12. Da ihm ein Verdienstausfall von €500 droht, besorgt er sich bereits am 10.12. für €50 ein anderes Ringlicht und verlangt hierfür am selben Tag Schadensersatz.
Diesen Fall lösen 78,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Deckungskauf nach Mahnung, aber vor Fristablauf
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Indem V das Ringlicht nicht an K geliefert hat, hat sie ihre kaufvertraglichen Pflichten verletzt.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Nach der herrschenden Meinung kann K die Kosten des „verfrühten“ Deckungskaufs nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB verlangen.
Ja, in der Tat!
3. Als K am 10.12. Schadensersatz verlangt, liegen die Voraussetzungen des Schadensersatzes wegen Nichtleistung vor (§§ 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 BGB).
Nein!
4. Sofern man darauf abstellt, dass ein Deckungskauf vor dem endgültigen Erlöschen der Leistungspflicht einen Verzögerungsschaden darstellt, müssten die Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB erfüllt sein.
Genau, so ist das!
5. Als K das andere Ringlicht gekauft hat, lagen die weiteren Voraussetzungen des Schuldnerverzuges vor (§ 286 BGB).
Ja, in der Tat!
6. Wenn K am 10.12. den Verzögerungsschaden verlangen könnte, stünde er besser da, als wenn V ordnungsgemäß geleistet hätte.
Ja!
7. Die Besserstellung des Gläubigers ist nach Ansicht derer, die die Mehrkosten des „verfrühten Deckungskauf“ als Verzögerungsschaden qualifizieren, hinzunehmen.
Nein, das ist nicht der Fall!
Fundstellen
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
🔥1312🔥
17.3.2023, 12:45:19
Danke für den Fall! Ich hatte immer Schwierigkeiten die verschiedenen Lösungen und den Streit um SE statt bzw. Neben der Leistung im Rahmen des verfrühten
Deckungskaufs zu verstehen. Jetzt hats endlich geklappt!
Nora Mommsen
20.3.2023, 12:35:41
Hallo 1312, Danke dir für das tolle Feedback. Wir freuen uns, dass du einen riesen Schritt machen konntest. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Raphaeljura
4.6.2023, 13:05:00
Letztendlich würde eine Besserstellung des Gläubigers vorliegend doch Sinn machen. Zwar würde er für 10 Euro zwei Lichter bekommen. Aber im Gegenzug würde der Schuldner nicht einen weiteren Schaden aufgrund des Verdienstausfalls von 500 Euro bezahlen müssen.
Lisa
12.12.2023, 18:55:21
Genau bei der Frage hänge ich gerade auch gedanklich: Der Verdienstausfall wäre doch als Verzögerungsschaden ganz normal ersatzfähig gewesen? Dh durch den Ersatzkauf wäre dann ja eigentlich der Schadensminderungspflicht entsprochen worden?
Franz
15.1.2024, 13:31:25
Das würde mich auch interessieren :)
Franz
15.1.2024, 13:40:02
Wie bereits von jemandem in einem anderen Thread gefragt, aber noch nicht beantwortet wurde, ist hier der
Deckungskaufvor Fristablauf mit 10 EUR deutlich günstiger als der entstandene Schaden durch Verdienstausfall i. H. von 500 EUR. Entspricht der verfrühte
Deckungskaufhier nicht der Schadenminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB? Oder führt das Verhältnis 10 EUR gegen 500 EUR nicht zumindest zu einer
Entbehrlichkeit der Fristsetzungwegen besonderer Umstände unter Abwägung der beiden Interessen nach § 281 Abs. 2 Alt. 2 BGB?
LS2024
17.5.2024, 15:30:53
Hier dürfte sich der K doch zu einem verfrühten
Deckungskaufherausgefordert gefühlt haben. Denn durch die 50 € konnte er 500 € Schaden verhindern. Das dürfte doch für eine
psychisch vermittelte Kausalitätgenügen, sodass jedenfalls nach dieser Ansicht SE verlangt werden könnte, oder?
LS2024
18.5.2024, 12:47:29
Habe nochmal recherchiert: Wie ich mir bereits dachte, wäre das nach Auffassung Lorenz eine
psychisch vermittelte Kausalität. K hätte also einen Anspruch auf Verzögerungsschadens wegen des
Deckungskaufs nach dieser Ansicht. Die Lösung von Jurafuchs ist somit falsch.
Falsus Prokuristor
20.5.2024, 17:06:51
Das sehe ich genauso! Die wertenden Korrekturen durch die Vertreter des zeitlichen Ansatzes auf Rechtsfolgen Seite durch Mitverschulden beziehungsweise Kausalität dienen ja gerade dazu, billige Ergebnisse im Einzelfall zu erzielen. Das ist hier ganz und gar nicht der Fall. Durch den
Deckungskaufkommt der Gläubiger hier seiner Schadensminderung
obliegenheitnach, aber würde nach der hier vertreten Lösung schlechter gestellt, als wenn er dies nicht getan hätte. Das hätte zum Ergebnis, dass der Gläubiger die Mehrkosten des
Deckungskaufträgt bzw. darauf sitzenbleibt und der Schuldner gleichzeitig Schadensersatz statt der Leistung für den entgangenen Gewinn in Höhe von 500 € zu leisten hat. Es gebe vereinfacht gesagt nur Verlierer.
LNA
19.8.2024, 15:35:55
Meines Verständnisses nach passt die Lösung nicht zwangsläufig, wenn der verfrühte
Deckungskaufder Schadensminderung dient 1. Betrachtet man §§ 280 I, III, 281 BGB als einschlägige AGL, ist die
Fristsetzunggem. § 281 II Alt. 2 BGB entbehrlich 2. Betrachtet man §§ 280 I, II, 286 BGB als einschlägig, liegt nach Faust ausnahmsweise kein Mitverschulden gem. § 254 BGB vor, nach Lorenz darf sich der Gläubiger zu dem
Deckungskaufherausfordert fühlen
G0d0fMischief
27.9.2024, 14:09:15
Wären denn aber die 500€ Verdienstausfall nach §§ 280 I, II, 286 BGB ersatzfähig? Diese stellen ja dennoch einen
Schadensersatz neben der Leistungdar (da sie auch dann noch Bestehen würden, wenn V leisten würde) oder verstehe ich da etwas falsch?
Blackiel
23.10.2024, 13:27:00
@[G0d0fMischief](217996) Im vorliegenden Fall sind die 500€ Verdienstausfall nach beiden Ansichten nicht zu ersetzen, da sich der Schaden nicht realisiert hat. Schäden sind unfreiwillige Vermögenseinbußen. Der Schaden besteht in dem (Ersatz)-kauf des Ringlichts für 50€. Hätte K kein neues Ringlicht gekauft und den Verdienstausfall tatsächlich erlitten, so stellt sich die Frage, ob dieser auch bei hypothetischer (Nach)-erfüllung eingetreten wäre. Hier fehlt es an Angaben im Sachverhalt, an welchem Tag der Verdienstausfall eintreten würde.