Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Geschäftsfähigkeit

Handlungsmöglichkeiten während Schwebezeit

Handlungsmöglichkeiten während Schwebezeit

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der 16-jährige K hat im Möbelhaus des M ein Bett für €300 gekauft. Er hat €100 vor Ort als Anzahlung geleistet. Hierfür hat er sein angespartes Taschengeld verwendet, das ihm seine Eltern zu freier Verfügung überlassen. Die restlichen €200 soll er bei Lieferung des Bettes bezahlen.

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Einordnung des Falls

Handlungsmöglichkeiten während Schwebezeit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Kaufvertrag zwischen K und M über das Bett ist wirksam (§ 110 BGB).

Nein!

Auch ohne (ausdrückliche) Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, ist ein vom Minderjährigen geschlossener Vertrag wirksam, wenn er die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zweck oder zu freier Verfügung vom Vertreter überlassen worden sind (§ 110 BGB). Taschengeld, das der gesetzliche Vertreter dem Minderjährigen zu freier Verfügung überlassen hat, ist ein solches Mittel. Der Minderjährige muss damit die von ihm geschuldete vertragsmäßige Leistung „bewirkt“ haben. Erfüllung nach § 362 BGB muss eingetreten sein. K hat bislang nur €100 von den insgesamt geschuldeten €300 bezahlt. Der Kaufvertrag ist schwebend unwirksam.
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2. Der Kaufvertrag wird wirksam, wenn K die restlichen € 200 bezahlt (§ 110 BGB).

Genau, so ist das!

Der Vertrag ist nach § 110 BGB schwebend unwirksam bis der Minderjährige die vertragsmäßige Leistung „bewirkt“. Bewirkt ist das Geschäft beispielsweise, wenn es der Minderjährige erfüllt (§ 362 BGB). Dies kann durch Barzahlung oder auch Überweisung erfolgen. Dadurch wird der Vertrag ex tunc (von Anfang an) wirksam.

3. Wenn Ks Eltern den Kaufvertrag genehmigen (§§ 108 Abs. 1, 184 Abs. 1 BGB), wird er bereits vor Bezahlung der € 200 durch K wirksam.

Ja, in der Tat!

Nach § 110 BGB wird das Rechtsgeschäft eines Minderjährigen erst dann wirksam, wenn er die vertragsmäßige Leistung mit den ihm überlassenen Mitteln „bewirkt“ hat. Bis dahin ist es schwebend unwirksam. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der gesetzliche Vertreter das Rechtsgeschäft zusätzlich nach §§ 108 Abs. 1, 184 Abs. 1 BGB genehmigt, obwohl er durch die Mittelüberlassung schon konkludent in das Rechtsgeschäft eingewilligt hat. Dadurch wird das Rechtsgeschäft sofort wirksam. Der gesetzliche Vertreter kann die konkludente Einwilligung durch Mittelüberlassung auch nach § 183 S. 1 BGB widerrufen, solange der Minderjährige das Rechtsgeschäft noch nicht mit den ihm überlassenen Mitteln „bewirkt“ hat. Dadurch wird der Vertrag unwirksam, woran auch das Bewirken der Leistung durch den Minderjährigen nichts mehr ändert.

4. Solange weder K die restlichen € 200 bezahlt hat, noch die Eltern den Kaufvertrag genehmigt haben, kann M diesen widerrufen (§ 109 Abs. 1 BGB analog).

Ja!

Bis zur Genehmigung des Vertrags ist der andere Teil zum Widerruf berechtigt (§ 109 Abs. 1 BGB). Die Norm gilt eigentlich für den Fall, dass ein Minderjähriger ein nicht lediglich rechtlich vorteilhaftes Rechtsgeschäft ohne die Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters getätigt hat. Da bei § 110 BGB eine konkludente Einwilligung durch Mittelüberlassung vorliegt, ist § 109 BGB auf diesen nicht direkt, sondern nur analog anwendbar anwendbar.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

QUIG

QuiGonTim

29.4.2022, 08:00:11

Ihr schreibt in der Lösung zur ersten Frage, dass die Leistung „beispielsweise“ durch Erfüllung gem. 362 BGB bewirkt werden kann. Wodurch kann die Leistung denn außerdem im Sinne des 110 BGB bewirkt werden?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

29.4.2022, 15:18:04

Hallo QuiGonTim, die Bewirkung iSv § 110 BGB kann auch durch Leistung an Erfüllung statt, Hinterlegung unter Verzicht auf die Rücknahme oder Aufrechnung (§§ 364, 378,

389 BGB

) erfolgen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

jhelmi

jhelmi

21.9.2022, 09:48:40

Kannte der M die Minderjährigkeit des K nicht und wäre damit nicht ein Widerruf nach § 109 II BGB ausgeschlossen?

Tigerwitsch

Tigerwitsch

21.9.2022, 12:49:23

M.E. ist für einen Ausschluss des Widerrufs nach § 109 II BGB (hier in analoger Anwendung) die positive Kenntnis des erforderlich. An einer solchen positiven Kenntnis fehlt es: Der Sachverhalt enthält keine derartige Information.

HAGE

hagenhubl

3.5.2024, 11:10:26

Wieso muss hier eine Analogie gebildet werden. Der Wortlaut passt doch.

Kathi

Kathi

24.5.2024, 09:46:25

in der Erklärung steht, dass bei § 110 eine "konkludente Einwilligung durch Mittelüberlassung" erfolgt. § 109 I sagt, dass der Widerruf nur bis zur Genehmigung möglich ist. Der wäre also direkt nicht anwendbar, da bereits die konkludente Einwilligung vorliegt. Daher die Analogie.


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