Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Geschäftsfähigkeit

§ 108 Abs. 1 BGB, Eltern verweigern die Genehmigung (§ 184 Abs. 1 BGB)

§ 108 Abs. 1 BGB, Eltern verweigern die Genehmigung (§ 184 Abs. 1 BGB)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die 15-jährige K hat Nachbar N ihr Saxophon verkauft. Als ihre Eltern E die K zu ihrer Saxophonstunde fahren wollen, erzählt die K ihnen davon. Die E sind empört. Sie gehen zu Nachbar N und verlangen das Saxophon zurück.

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Einordnung des Falls

§ 108 Abs. 1 BGB, Eltern verweigern die Genehmigung (§ 184 Abs. 1 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Kaufvertrag zwischen K und N war zunächst schwebend unwirksam.

Genau, so ist das!

Der Minderjährige bedarf zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters (§ 107 BGB). Schließt er einen Vertrag ohne die erforderliche Einwilligung, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung des Vertreters ab (§ 108 Abs. 1 BGB). Bis dahin ist er schwebend unwirksam. Während der Schwebezeit können die Parteien aus dem Vertrag keine Rechte und Pflichten herleiten. Im Unterschied zum nichtigen Vertrag, der überhaupt keine Wirkungen entfaltet, sind die Parteien aber grundsätzlich an den schwebend unwirksamen Vertrag gebunden. Der Kaufvertrag war für K nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, da er für sie die Verpflichtung zur Übereignung des Saxophons begründete. Der Vertrag bedurfte der Einwilligung der E. Diese lag bei Vertragsschluss nicht vor. Der Vertrag war zunächst schwebend unwirksam.
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2. Die E haben die Genehmigung des Kaufvertrags verweigert.

Ja, in der Tat!

Schließt der Minderjährige einen Vertrag ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung des Vertreters ab (§ 108 Abs. 1 BGB). Die Genehmigung ist die nachträgliche Zustimmung (§ 184 Abs. 1 BGB). Die Erteilung und die Verweigerung der Zustimmung können sowohl dem einen als dem anderen Teil gegenüber erklärt werden (§ 182 Abs. 1 BGB). Die E haben ihre Genehmigung konkludent gegenüber N verweigert, indem sie das Saxophon herausverlangten.

3. K ist Eigentümerin des Saxophons.

Ja!

Zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache (und auch an Tieren, § 90a BGB) ist erforderlich, dass der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und beide darüber einig sind, dass das Eigentum übergehen soll (§ 929 S. 1 BGB). Die Einigung über den Eigentumsübergang ist ein dinglicher Vertrag, den ein Minderjähriger nur dann ohne Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters wirksam abschließen kann, wenn er für ihn lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Dies kann nur dann der Fall sein, wenn der Minderjährige der Erwerber des Eigentums ist. Die Übereignung an N ist unwirksam, da sie für K nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist.

4. K hat gegen N einen Anspruch aus § 985 BGB auf Herausgabe des Saxophons.

Genau, so ist das!

Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen (§ 985 BGB). N hat das Saxophon in seinem Besitz (§ 854 BGB). K hat ihr Eigentum infolge der unwirksamen Übereignung an N nicht verloren. Sie ist immer noch die Eigentümerin des Saxophons. Der Anspruch aus § 985 BGB gegen N besteht und Ks Eltern können ihn als gesetzliche Vertreter für sie geltend machen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

TO

TonksBlack

27.5.2023, 05:41:57

Hallo liebes Jurafuchs-Team, ich habe eine Frage zur Eigentumsstellung des K. Eigentum bedeutet ja eigentlich, dass der Inhaber frei darüber verfügen kann. Das ist aber bei einem Minderjährigen nicht möglich, da er ja z.B. bei der Veräußerung die Zustimmung seiner Eltern braucht. Also warum ist es nicht das Eigentum der Eltern mit einer Zurverfügungstellung oder Miteigentum?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

27.5.2023, 09:01:04

Hallo carolinfray, danke für deine Frage. Jeder Mensch ist ab Geburt rechtsfähig (§ 1 BGB). kann also Träger von Rechten und Pflichten sein. Dazu gehört auch das Recht Eigentum zu haben. Allerdings ist anerkannt, dass Minderjährige nicht voll einsichtsfähig sind, also alle Folgen einer Entscheidung absehen und abwägen können. Dies äußert sich z.B.auch in § 828 BGB, der andere Maßstäbe für die deliktsrechtliche Verantwortlichkeit vorsieht. Um Minderjährige zu schützen sind daher besondere Vorschriften für deren Geschätsfähigkeit vorgesehen. Sie können also nicht ohne weiteres Rechtsgeschäfte tätigen. Neben der Zustimmung der Eltern gibt es dabei auch Geschäfte, die dem Zustimmungserfordernis des Familiengerichts unterliegen. Dies dient dem Schutz von Minderjährigen. Sie sollen sowohl vor Belastungen, die sie nicht absehen können geschützt werden und auch davor, dass sie Eigentum ohne weiteres übertragen können. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

AN

Antonia0411

14.7.2024, 14:21:50

Hallo JuraFuchs Team, warum besteht der Anspruch aus §

985 BGB

? Für mich ist nicht ersichtlich, warum die

Übereignung

unwirksam ist ? Nach dem Trennungprinzip müsste das Eigentum doch wirksam übergehen ?

⚖️ Luca

⚖️ Luca

5.8.2024, 22:28:12

Hey! Die Eigentumsübertragung stellt für K ein nicht lediglich vorteilhaftes Geschäft dar. Wir sprechen hier ja von einem Eigentumsverlust, also einem rechtlichen Nachteil für K.


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