Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Geschäftsfähigkeit

§ 108 Abs. 1 BGB, Eltern verweigern die Genehmigung (§ 184 Abs. 1 BGB)

§ 108 Abs. 1 BGB, Eltern verweigern die Genehmigung (§ 184 Abs. 1 BGB)

16. Februar 2025

10 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die 15-jährige K hat Nachbar N ihr Saxophon verkauft. Als ihre Eltern E die K zu ihrer Saxophonstunde fahren wollen, erzählt die K ihnen davon. Die E sind empört. Sie gehen zu Nachbar N und verlangen das Saxophon zurück.

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Einordnung des Falls

§ 108 Abs. 1 BGB, Eltern verweigern die Genehmigung (§ 184 Abs. 1 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Kaufvertrag zwischen K und N war zunächst schwebend unwirksam.

Genau, so ist das!

Der Minderjährige bedarf zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters (§ 107 BGB). Schließt er einen Vertrag ohne die erforderliche Einwilligung, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung des Vertreters ab (§ 108 Abs. 1 BGB). Bis dahin ist er schwebend unwirksam. Während der Schwebezeit können die Parteien aus dem Vertrag keine Rechte und Pflichten herleiten. Im Unterschied zum nichtigen Vertrag, der überhaupt keine Wirkungen entfaltet, sind die Parteien aber grundsätzlich an den schwebend unwirksamen Vertrag gebunden. Der Kaufvertrag war für K nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, da er für sie die Verpflichtung zur Übereignung des Saxophons begründete. Der Vertrag bedurfte der Einwilligung der E. Diese lag bei Vertragsschluss nicht vor. Der Vertrag war zunächst schwebend unwirksam.
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2. Die E haben die Genehmigung des Kaufvertrags verweigert.

Ja, in der Tat!

Schließt der Minderjährige einen Vertrag ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung des Vertreters ab (§ 108 Abs. 1 BGB). Die Genehmigung ist die nachträgliche Zustimmung (§ 184 Abs. 1 BGB). Die Erteilung und die Verweigerung der Zustimmung können sowohl dem einen als dem anderen Teil gegenüber erklärt werden (§ 182 Abs. 1 BGB). Die E haben ihre Genehmigung konkludent gegenüber N verweigert, indem sie das Saxophon herausverlangten.

3. K ist Eigentümerin des Saxophons.

Ja!

Zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache (und auch an Tieren, § 90a BGB) ist erforderlich, dass der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und beide darüber einig sind, dass das Eigentum übergehen soll (§ 929 S. 1 BGB). Die Einigung über den Eigentumsübergang ist ein dinglicher Vertrag, den ein Minderjähriger nur dann ohne Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters wirksam abschließen kann, wenn er für ihn lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Dies kann nur dann der Fall sein, wenn der Minderjährige der Erwerber des Eigentums ist. Die Übereignung an N ist unwirksam, da sie für K nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist.

4. K hat gegen N einen Anspruch aus § 985 BGB auf Herausgabe des Saxophons.

Genau, so ist das!

Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen (§ 985 BGB). N hat das Saxophon in seinem Besitz (§ 854 BGB). K hat ihr Eigentum infolge der unwirksamen Übereignung an N nicht verloren. Sie ist immer noch die Eigentümerin des Saxophons. Der Anspruch aus § 985 BGB gegen N besteht und Ks Eltern können ihn als gesetzliche Vertreter für sie geltend machen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

TO

TonksBlack

27.5.2023, 05:41:57

Hallo liebes Jurafuchs-Team, ich habe eine Frage zur Eigentumsstellung des K. Eigentum bedeutet ja eigentlich, dass der Inhaber frei darüber verfügen kann. Das ist aber bei einem Minderjährigen nicht möglich, da er ja z.B. bei der Veräußerung die Zustimmung seiner Eltern braucht. Also warum ist es nicht das Eigentum der Eltern mit einer Zurverfügungstellung oder Miteigentum?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

27.5.2023, 09:01:04

Hallo carolinfray, danke für deine Frage. Jeder Mensch ist ab Geburt rechtsfähig (§ 1 BGB). kann also Träger von Rechten und Pflichten sein. Dazu gehört auch das Recht Eigentum zu haben. Allerdings ist anerkannt, dass Minderjährige nicht voll einsichtsfähig sind, also alle Folgen einer Entscheidung absehen und abwägen können. Dies äußert sich z.B.auch in § 828 BGB, der andere Maßstäbe für die deliktsrechtliche Verantwortlichkeit vorsieht. Um Minderjährige zu schützen sind daher besondere Vorschriften für deren Geschätsfähigkeit vorgesehen. Sie können also nicht ohne weiteres Rechtsgeschäfte tätigen. Neben der Zustimmung der Eltern gibt es dabei auch Geschäfte, die dem Zustimmungserfordernis des Familiengerichts unterliegen. Dies dient dem Schutz von Minderjährigen. Sie sollen sowohl vor Belastungen, die sie nicht absehen können geschützt werden und auch davor, dass sie Eigentum ohne weiteres übertragen können. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

AN

Antonia0411

14.7.2024, 14:21:50

Hallo JuraFuchs Team, warum besteht der Anspruch aus

§985 BGB

? Für mich ist nicht ersichtlich, warum die Übereignung unwirksam ist ? Nach dem Trennungprinzip müsste das Eigentum doch wirksam übergehen ?

⚖️ Luca

⚖️ Luca

5.8.2024, 22:28:12

Hey! Die Eigentumsübertragung stellt für K ein nicht lediglich vorteilhaftes Geschäft dar. Wir sprechen hier ja von einem Eigentumsverlust, also einem rechtlichen Nachteil für K.

julia_purpose

julia_purpose

20.9.2024, 17:25:32

Den selben Knoten habe ich hier auch im Kopf und kann ihn nicht auflösen. Mein Problem liegt in dem verflixten Trennungs- und Abstraktionsprinzip begründet. Ich hätte vorliegend die Überlegung angestellt, dass durch die Versagung der elterlichen Genehmigung nicht nur der Kaufvertrag, sondern auch die dingliche Einigung ex tunc unwirksam wird. Das Problem ist: Die (auch nochmal getrennte) Übereignung ist ein abstraktes Verfügungsrechtsgeschäft, also unabhängig vom Vorhandensein und der Wirksamkeit des zugrundeliegenden Kausalgeschäfts. Damit die Übereignung wirksam ist, ist eine Vollzugshandlung erforderlich und diese stellt sich als "Übergabe" in Form eines

Realakte

s dar, wenn ich das richtig sehe. Ich denke bei diesem

Realakt

liegt der Knackpunkt des Problems, das auch @[Antonia0411](235391) angesprochen hat. Muss man die Wirksamkeit der dinglichen Einigung nicht abstrakt von der faktischen Übergabe sehen? Ich denke, die Lösung wird hier naheliegend sein, aber ich sehe hier den Wald vor lauter Bäumen nicht, wie man so schön sagt. Über eine weiterführende Erklärung an genau diesem Punkt würde ich mich freuen!

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

24.9.2024, 15:46:46

Hallo in die Runde, danke für die Nachfragen. Wollen wir mal versuchen, ein bisschen Licht in den Wald zu bringen: Für den Übergang des Eigentums nach § 929 S. 1 BGB bedarf es eben nicht nur der Übergabe, sondern auch der Einigung. Die Einigung ist ein dinglicher Vertrag und kommt durch zwei korrespondierende Willenserklärungen zustande, die in Bezug aufeinander abgegeben wurden. Auf diese Willenserklärungen finden, genauso wie bei

schuld

rechtlichen Willenserklärungen, die §§ 105ff. BGB als allgemeine Regelungen Anwendbarkeit. Wenn M hier also erklärt hat: „Ich übertrage dir das Eigentum.“ dann gilt §

107 BGB

. Die Erklärung ist

nicht lediglich rechtlich vorteilhaft

, weil M durch den dinglichen Vertrag sein Eigentum verlieren würde. Dass er einen

schuld

rechtlichen Anspruch auf Bezahlung des Kaufpreises erhält, ist an dieser Stelle – gerade wegen des

Trennungsprinzip

s – irrelevant. Es muss immer jede Erklärung für sich angeschaut werden. Die Erklärung, die M i.R.v. § 929 S. 1 BGB abgegeben hat, ist also nach §

107 BGB

schwebend unwirksam

. Das wird auch nicht dadurch „geheilt“, dass M die Sache übergeben hat. Denn das ändert nichts daran, dass mangels wirksamer Einigung nicht alle Voraussetzungen des § 929 S. 1 BGB vorliegen. Mangels Genehmigung der Eltern kommt der Eigentumswechsel nicht zu Stande. M ist weiterhin Eigentümer und hat daher einen Anspruch aus § 985 BGB gegen den Erwerber. Bei § 985 BGB könnte man beim „Recht zum Besitz“ an den Kaufvertrag denken, dieser ist aber ebenfalls nicht wirksam zu Stande gekommen: Die

schuld

rechtliche Verpflichtung des M, Eigentum übertragen zu müssen, ist

nicht lediglich rechtlich vorteilhaft

für ihn. Dass er einen Gegenanspruch (auf Kaufpreiszahlung) dafür erhält, ist irrelevant. Letztlich scheitern die beiden Verträge aus ähnlichen Gründen, mit dem einzigen Unterschied, dass die Bezugspunkte der Geschäfte verschieden sind: Eigentumsübertragung und Verpflichtung zur Eigentumsübertragung. Wichtig ist, dass ihr die Wirksamkeit des Kaufvertrags und die Wirksamkeit der Übereigung bzw. der dinglichen Einigung getrennt voneinander prüft, weil aufgrund des Abstraktionsprinzips die Unwirksamkeit des einen Vertrags nicht automatisch die Unwirksamkeit des anderen Vertrags bedeutet. Hier sind aber beide Verträge – unabhängig voneinander – unwirksam. Ich hoffe, ich konnte euch damit weiterhelfen. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team

AN

Antonia

22.10.2024, 01:50:37

Aus welcher Norm ergibt sich die Befugnis der Eltern, den Anspruch des K gegen N aus §985 geltend zu machen? Ist es eine Stellvertretung mit Vertretungsmacht aus §§1626, 1629?

Tobias Krapp

Tobias Krapp

22.10.2024, 16:51:28

Hallo @[Antonia](79449), deine

Vermutung

ist genau richtig, die Eltern sind als gesetzliche Vertreter zur Vermögenssorge berechtigt und verpflichtet, insoweit sind sie auch vertretungsberechtigt, §§ 1626 I S. 1 u. 2, 1629 I S. 1 BGB und können daher im Namen des Kindes (nicht im eigenen Namen!) den Anspruch geltend machen. Streng genommen handelt es sich beim Geltendmachen natürlich nicht um eine Willenserklärung, vor dem Hintergrund dass die Eltern hinsichtlich der Erfüllung

Empfangsvertreter

sind ist man hier aber für gewöhnlich nicht so streng dogmatisch und stellt schlicht auf die Eigenschaft als Vertreter ab, vgl. zB die Klausurlösung in JuS 2016, 527, 531. Ich hoffe, das hat weitergeholfen! Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias

BEN

benjaminmeister

12.11.2024, 19:13:01

In dem einen Erklärungstext ist die Rede davon, dass man trotz der schwebender Unwirksamkeit an den Vertrag gebunden ist. Woraus geht das hervor? Wird er nachträglich genehmigt ist er von Anfang an wirksam -> Bindung besteht. Wird die Genehmigung verweigert ist er von Anfang an unwirksam -> Es besteht keine Bindung. Während des Schwebezustands eine Bindung anzunehmen, finde ich nicht richtig und konnte ich nach kurzer Recherche auch nicht nachvollziehen. Da es schwebende UNWIRKSAMKEIT und nicht schwebende WIRKSAMKEIT genannt wird spricht doch eher dafür gerade keine Bindung während des Schwebezustands anzunehmen. Eine Bindung wäre auch mit dem Minderjährigenschutz bei mangelnder Einwilligung und mangelnder Genehmigung nicht zu vereinbaren. Steh ich auf dem Schlauch?

CO

cornelius.spans

12.1.2025, 18:32:19

Hi, kann dein Problem mit der

Aussage

gut nachvollziehen. Es scheint aber eher die Frage zu sein, wie die genannte "Bindungswirkung" hier konkret zu verstehen ist. Der Text, auf den du dich beziehst sagt: "Der Minderjährige bedarf zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters (§

107 BGB

). Schließt er einen Vertrag ohne die erforderliche Einwilligung, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung des Vertreters ab (§ 108 Abs. 1 BGB). Bis dahin ist er

schwebend unwirksam

. Während der Schwebezeit können die Parteien aus dem Vertrag keine Rechte und Pflichten herleiten. Im Unterschied zum nichtigen Vertrag, der überhaupt keine Wirkungen entfaltet, sind die Parteien aber grundsätzlich an den

schwebend unwirksam

en Vertrag gebunden." Es ist also ausdrücklich keine Bindungswirkung in der Form gemeint, aus der die Parteien Rechte oder Pflichten herleiten können. Ich denke, dass du richtigerweise gerade dieses mögliche Verständnis als problematisch ansiehst. Viel mehr ist die hier gemeinte Bindungswirkung wohl so zu verstehen, dass dieser Schwebezustand besteht, die Parteien an diese Situation gebunden sind und diese aufgelöst werden muss. Entweder positiv mit der Wirkung der Wirksamkeit oder negativ mit der Wirkung der endgültigen Unwirksamkeit. Die Parteien können den Schwebezustand aber nicht ignorieren und so tun, als bestünde dieser nicht. (Bzw. könnte hierin ggf. eine

konkludent

erklärte Versagung der Genehmigung zu sehen sein). Dies entspricht der Abgrenzung im Text zum nichtigen und damit nicht existenten Vertrag. Hoffe, ich habe deinen Punkt richtig verstanden. MfG


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