Ablehnung von Beweisanträgen / Lügendetektor


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Klassisches Klausurproblem

A ist wegen sexueller Nötigung angeklagt. Zum Beweis dafür, dass die Tat nicht begangen hat, beantragt er mittels eines Polygraphen (Lügendetektor) gutachterlich festzustellen, dass er die vorgeworfene Handlung nicht vorgenommen hat.

Einordnung des Falls

Ablehnung von Beweisanträgen / Lügendetektor

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A stellt einen Beweisantrag.

Ja, in der Tat!

Ein Beweisantrag (Legaldefinition in § 244 Abs. 3 S. 1 StPO) setzt voraus (1) das Verlangen des Antragstellers, (2) über eine bestimmt behauptete, die Schuld oder Rechtsfolge betreffende konkrete Tatsache (Beweisthema) (3) mit einem gesetzlich bestimmten Beweismittel Beweis zu erheben; (4) dabei muss auch erkennbar sein, warum das Beweismittel geeignet ist, die behauptete Tatsache zu belegen (Konnexität). A verlangt über die Vornahme der Nötigungshandlung (Beweisthema) mit einem Beweismittel (Sachverständigengutachten) Beweis zu erheben, dabei ist der Zusammenhang zwischen Beweisthema und Beweismittel erkennbar.

2. Beweisanträge können abgelehnt werden.

Ja!

Beweisanträge dürfen nur aus den in § 244 Abs. 3–5 StPO für nicht präsente Beweismittel und den in § 245 Abs. 2 StPO für präsente Beweismittel genannten Gründen abgelehnt werden. Es bedarf hierzu grundsätzlich eines formellen Beschlusses des Gerichts (§ 244 Abs. 6 S. 1 StPO), der die wesentlichen Gesichtspunkte enthalten muss (§ 34 StPO). Beweisanträge können insbesondere abgelehnt werden wegen (1) Unzulässigkeit, (2) Offenkundigkeit, (3) Bedeutungslosigkeit, (4) Erwiesenheit oder (5) völliger Ungeeignetheit (§ 244 Abs. 3 S. 2, 3 StPO).

3. Das Gericht kann den Beweisantrag des A ablehnen.

Genau, so ist das!

Zwar ist ein Polygrapheneinsatz gegen den Willen des Aussagenden eine verbotene Vernehmungsmethode (analog § 136a StPO). Der Polygrapheneinsatz mit Willen des Aussagenden verstößt jedoch weder gegen § 136a StPO noch gegen die Menschenwürde. Allerdings handelt es sich dabei um ein völlig ungeeignetes Beweismittel (§ 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 4 StPO). Denn mit einer solchen Untersuchung ist es nach dem aktuellen Forschungsstand nicht möglich, zuverlässige, überprüfbare und präzise Ergebnisse zu erzielen. Die gemessene körperliche Reaktion kann nicht zweifelsfrei auf eine bestimmte Ursache zurückgeführt werden.

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Karl Augustin

19.1.2022, 17:13:18

Das OLG Dresden hat 2013 in einem Sorgerechts- Verfahren den Lügendetektor akzeptiert. Ebenso das Schöffengericht Bautzen in einem Strafverfahren.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.1.2022, 12:06:43

Hallo Karl Augustin, vielen Dank für den Hinweis. Nach der bislang unveränderten Rechtsprechung des BGH ist der Lügendetektortest weder im Zivilverfahren (BGH NJW 2003, 2527) noch im Strafverfahren (BGH NJW 1999, 657; NStZ-RR 2000, 35) ein taugliches Beweismittel. Auch wenn die Entscheidungen mittlerweile fast 20 Jahre alt sind, hat sich hier zumindest in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nichts geändert. Mit Blick auf das Sorgerechtsverfahren hat das OLG Dresden in der Tat eine andere Wertung vorgenommen und hier den Polygraphen als tauglich erachtet (OLG Dresden, Beschl. v. 14.05.2013 - 21 UF 787/12). Das KG (Beschl. v. 11.10.2010 - 19 WF 136/10) hatte dagegen wenige Jahre zuvor den Polygraphen auch im Familienverfahren als untauglich angesehen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.1.2022, 12:12:13

Das AG Bautzen (Urt. v. 26.3.2013 - 40 LS 330 Js 6351/12) hat sich der Rechtsprechung des BGH in der Tat einmal entgegengestellt und darauf abgestellt, dass die Tests hinreichend sicher seien und jedenfalls als Indiztatsache zu verwerten sind. Dass dies keinen größeren Nachhallt in der restlichen Rechtsprechung gezeigt hat, zeigt u.a. die Entscheidung des LG Hanau (Urt. v. 17.12.2019 - 2 KLs - 1136 Js 8902/18), in der Lügendetektoren weiterhin unter Verweis auf die BGH Entscheidung von 1999 abgelehnt werden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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