Ablehnung von Beweisanträgen / Lügendetektor
18. April 2025
7 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A ist wegen sexueller Nötigung angeklagt. Zum Beweis dafür, dass die Tat nicht begangen hat, beantragt er mittels eines Polygraphen (Lügendetektor) gutachterlich festzustellen, dass er die vorgeworfene Handlung nicht vorgenommen hat.
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Einordnung des Falls
Ablehnung von Beweisanträgen / Lügendetektor
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A stellt einen Beweisantrag.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Beweisanträge können abgelehnt werden.
Ja!
3. Das Gericht kann den Beweisantrag des A ablehnen.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Karl Augustin
19.1.2022, 17:13:18
Das OLG Dresden hat 2013 in einem Sorgerechts- Verfahren den Lügendetektor akzeptiert. Ebenso das
SchöffengerichtBautzen in einem Strafverfahren.

Lukas_Mengestu
20.1.2022, 12:06:43
Hallo Karl Augustin, vielen Dank für den Hinweis. Nach der bislang unveränderten Rechtsprechung des BGH ist der Lügendetektortest weder im Zivilverfahren (BGH NJW 2003, 2527) noch im Strafverfahren (BGH NJW 1999, 657; NStZ-RR 2000, 35) ein taugliches Beweismittel. Auch wenn die Entscheidungen mittlerweile fast 20 Jahre alt sind, hat sich hier zumindest in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nichts geändert. Mit Blick auf das Sorgerechtsverfahren hat das OLG Dresden in der Tat eine andere Wertung vorgenommen und hier den Polygraphen als tauglich erachtet (OLG Dresden, Beschl. v. 14.05.2013 - 21 UF 787/12). Das KG (Beschl. v. 11.10.2010 - 19 WF 136/10) hatte dagegen wenige Jahre zuvor den Polygraphen auch im Familienverfahren als untauglich angesehen.

Lukas_Mengestu
20.1.2022, 12:12:13
Das AG Bautzen (Urt. v. 26.3.2013 - 40 LS 330 Js 6351/12) hat sich der Rechtsprechung des BGH in der Tat einmal entgegengestellt und darauf abgestellt, dass die Tests hinreichend sicher seien und jedenfalls als Indiztatsache zu verwerten sind. Dass dies keinen größeren Nachhallt in der restlichen Rechtsprechung gezeigt hat, zeigt u.a. die Entscheidung des LG Hanau (Urt. v. 17.12.2019 - 2 KLs - 1136 Js 8902/18), in der Lügendetektoren weiterhin unter Verweis auf die BGH Entscheidung von 1999 abgelehnt werden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

PriestOfHighFive
3.2.2025, 10:03:07
Liebes Jurafuchs-Team, ihr schreibt in eurer Antwort, dass eine Verwendung des Polygraphen gegen den Willen des Beschuldigten analog
§ 136a StPOnicht erlaubt sei, eine Anwendung mit Einverständnis des Beschuldigten aber daran scheitere, dass es sich beim Polygraphen um kein aussagekräftiges Beweismittel handle. Ist es bei analoger Anwendung des
§ 136a StPOauf eine Vernehmungsmethode nicht ohnehin nach Abs. 3
unerheblich, ob der Beschuldigte in die Maßnahme einwilligt oder nicht?
Mordechai
18.2.2025, 10:55:19
Eine entsprechende Anwendung des
§ 136a StPObeim Einsatz eines Polygraphen im Einvernehmen des Beschuldigten hat der BGH (BGHSt 5, 332, 335 = BGH NJW 1954, 649, 650) in Übereinstimmung mit dem BVerfG (NStZ 1981, 446 f.) damit begründet, dass aufgrund der Festhaltung unbewusster Körpervorgänge des Untersuchten, „die mit seinem (…) Seelenzustand engstens zusammenhängen“, eine solche Methode als unzulässig anzusehen ist. Später hat der BGH diese Rechtsprechung aufgegeben (BGHSt 44, 308 ff. = BGH NJW 1999, 657 ff.) ) und den Einsatz des Polygraphen für eine an sich zulässige Vernehmungsmethode erachtet, dessen Ergebnis jedoch ein völlig ungeeignetes Beweismittel iSd § 244 Abs. 3 S. 2 sei. § 136a Abs. 3 S. 1 StPO ist in diesem Fall daher nur relevant, wenn der alten Ansicht des BGH gefolgt wird oder der Einsatz des Polygraphen unter Verwendung weiterer unzulässiger Methoden zustande kommt. Letzteres wird bspw. der Fall sein, wenn ein Polygraph durch Täuschung oder Ermüdung zum Einsatz kommt. Dann wäre die Einwilligung unbeachtlich nach § 136a Abs. 3 S. 1 StPO. Geschieht der Einsatz gegen den Willen des Beschuldigten, findet § 136a Abs. 3 S. 1 StPO keine Anwendung, da hier eine Einwilligung vorausgesetzt wird. Hoffe das war hilfreich @[PriestOfHighFive](266985) :) Weitere Nachweise gibt es bei Ahlbrecht in: Gercke/Temming/Zöller, Strafprozessordnung, 7. Auflage 2023,
§ 136a StPO

Max
3.2.2025, 20:27:52
S.O. Ist die Rechtsprechung des BVerfG überholt oder übersehe ich einen Grund, warum diese hier nicht einschlägig ist? Hier wird mit dem nicht disponiblen APR des Angeklagten gegen die Zulässigkeit der Aussage unter Anschluss an einen Lügendetektor als Beweismittel argumentiert.
der D
23.2.2025, 12:20:24
Ich hatte es so verstanden, dass in der Hauptverhandlung ohnehin nur Beweismittel nach dem
Strengbeweismittelverfahren zulässig sind. Würde demnach eine Lügendetektortest, unabhängig vom §246 III 3 Nr.4 StPO, ohnehin nicht in Betracht kommen?