Strafrecht

Strafprozessrecht

Das Beweisrecht

Ablehnung von Beweisanträgen / Lügendetektor

Ablehnung von Beweisanträgen / Lügendetektor

18. April 2025

7 Kommentare

4,8(12.256 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
Tags
Klassisches Klausurproblem

A ist wegen sexueller Nötigung angeklagt. Zum Beweis dafür, dass die Tat nicht begangen hat, beantragt er mittels eines Polygraphen (Lügendetektor) gutachterlich festzustellen, dass er die vorgeworfene Handlung nicht vorgenommen hat.

Diesen Fall lösen 89,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Ablehnung von Beweisanträgen / Lügendetektor

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A stellt einen Beweisantrag.

Ja, in der Tat!

Ein Beweisantrag (Legaldefinition in § 244 Abs. 3 S. 1 StPO) setzt voraus (1) das Verlangen des Antragstellers, (2) über eine bestimmt behauptete, die Schuld oder Rechtsfolge betreffende konkrete Tatsache (Beweisthema) (3) mit einem gesetzlich bestimmten Beweismittel Beweis zu erheben; (4) dabei muss auch erkennbar sein, warum das Beweismittel geeignet ist, die behauptete Tatsache zu belegen (Konnexität). A verlangt über die Vornahme der Nötigungshandlung (Beweisthema) mit einem Beweismittel (Sachverständigengutachten) Beweis zu erheben, dabei ist der Zusammenhang zwischen Beweisthema und Beweismittel erkennbar.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Beweisanträge können abgelehnt werden.

Ja!

Beweisanträge dürfen nur aus den in § 244 Abs. 3–5 StPO für nicht präsente Beweismittel und den in § 245 Abs. 2 StPO für präsente Beweismittel genannten Gründen abgelehnt werden. Es bedarf hierzu grundsätzlich eines formellen Beschlusses des Gerichts (§ 244 Abs. 6 S. 1 StPO), der die wesentlichen Gesichtspunkte enthalten muss (§ 34 StPO). Beweisanträge können insbesondere abgelehnt werden wegen (1) Unzulässigkeit, (2) Offenkundigkeit, (3) Bedeutungslosigkeit, (4) Erwiesenheit oder (5) völliger Ungeeignetheit (§ 244 Abs. 3 S. 2, 3 StPO).

3. Das Gericht kann den Beweisantrag des A ablehnen.

Genau, so ist das!

Zwar ist ein Polygrapheneinsatz gegen den Willen des Aussagenden eine verbotene Vernehmungsmethode (analog § 136a StPO). Der Polygrapheneinsatz mit Willen des Aussagenden verstößt jedoch weder gegen § 136a StPO noch gegen die Menschenwürde. Allerdings handelt es sich dabei um ein völlig ungeeignetes Beweismittel (§ 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 4 StPO). Denn mit einer solchen Untersuchung ist es nach dem aktuellen Forschungsstand nicht möglich, zuverlässige, überprüfbare und präzise Ergebnisse zu erzielen. Die gemessene körperliche Reaktion kann nicht zweifelsfrei auf eine bestimmte Ursache zurückgeführt werden.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

KAAU

Karl Augustin

19.1.2022, 17:13:18

Das OLG Dresden hat 2013 in einem Sorgerechts- Verfahren den Lügendetektor akzeptiert. Ebenso das

Schöffengericht

Bautzen in einem Strafverfahren.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.1.2022, 12:06:43

Hallo Karl Augustin, vielen Dank für den Hinweis. Nach der bislang unveränderten Rechtsprechung des BGH ist der Lügendetektortest weder im Zivilverfahren (BGH NJW 2003, 2527) noch im Strafverfahren (BGH NJW 1999, 657; NStZ-RR 2000, 35) ein taugliches Beweismittel. Auch wenn die Entscheidungen mittlerweile fast 20 Jahre alt sind, hat sich hier zumindest in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nichts geändert. Mit Blick auf das Sorgerechtsverfahren hat das OLG Dresden in der Tat eine andere Wertung vorgenommen und hier den Polygraphen als tauglich erachtet (OLG Dresden, Beschl. v. 14.05.2013 - 21 UF 787/12). Das KG (Beschl. v. 11.10.2010 - 19 WF 136/10) hatte dagegen wenige Jahre zuvor den Polygraphen auch im Familienverfahren als untauglich angesehen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.1.2022, 12:12:13

Das AG Bautzen (Urt. v. 26.3.2013 - 40 LS 330 Js 6351/12) hat sich der Rechtsprechung des BGH in der Tat einmal entgegengestellt und darauf abgestellt, dass die Tests hinreichend sicher seien und jedenfalls als Indiztatsache zu verwerten sind. Dass dies keinen größeren Nachhallt in der restlichen Rechtsprechung gezeigt hat, zeigt u.a. die Entscheidung des LG Hanau (Urt. v. 17.12.2019 - 2 KLs - 1136 Js 8902/18), in der Lügendetektoren weiterhin unter Verweis auf die BGH Entscheidung von 1999 abgelehnt werden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

PriestOfHighFive

PriestOfHighFive

3.2.2025, 10:03:07

Liebes Jurafuchs-Team, ihr schreibt in eurer Antwort, dass eine Verwendung des Polygraphen gegen den Willen des Beschuldigten analog

§ 136a StPO

nicht erlaubt sei, eine Anwendung mit Einverständnis des Beschuldigten aber daran scheitere, dass es sich beim Polygraphen um kein aussagekräftiges Beweismittel handle. Ist es bei analoger Anwendung des

§ 136a StPO

auf eine Vernehmungsmethode nicht ohnehin nach Abs. 3

unerheblich

, ob der Beschuldigte in die Maßnahme einwilligt oder nicht?

MO

Mordechai

18.2.2025, 10:55:19

Eine entsprechende Anwendung des

§ 136a StPO

beim Einsatz eines Polygraphen im Einvernehmen des Beschuldigten hat der BGH (BGHSt 5, 332, 335 = BGH NJW 1954, 649, 650) in Übereinstimmung mit dem BVerfG (NStZ 1981, 446 f.) damit begründet, dass aufgrund der Festhaltung unbewusster Körpervorgänge des Untersuchten, „die mit seinem (…) Seelenzustand engstens zusammenhängen“, eine solche Methode als unzulässig anzusehen ist. Später hat der BGH diese Rechtsprechung aufgegeben (BGHSt 44, 308 ff. = BGH NJW 1999, 657 ff.) ) und den Einsatz des Polygraphen für eine an sich zulässige Vernehmungsmethode erachtet, dessen Ergebnis jedoch ein völlig ungeeignetes Beweismittel iSd § 244 Abs. 3 S. 2 sei. § 136a Abs. 3 S. 1 StPO ist in diesem Fall daher nur relevant, wenn der alten Ansicht des BGH gefolgt wird oder der Einsatz des Polygraphen unter Verwendung weiterer unzulässiger Methoden zustande kommt. Letzteres wird bspw. der Fall sein, wenn ein Polygraph durch Täuschung oder Ermüdung zum Einsatz kommt. Dann wäre die Einwilligung unbeachtlich nach § 136a Abs. 3 S. 1 StPO. Geschieht der Einsatz gegen den Willen des Beschuldigten, findet § 136a Abs. 3 S. 1 StPO keine Anwendung, da hier eine Einwilligung vorausgesetzt wird. Hoffe das war hilfreich @[PriestOfHighFive](266985) :) Weitere Nachweise gibt es bei Ahlbrecht in: Gercke/​Temming/​Zöller, Strafprozessordnung, 7. Auflage 2023,

§ 136a StPO

Max

Max

3.2.2025, 20:27:52

S.O. Ist die Rechtsprechung des BVerfG überholt oder übersehe ich einen Grund, warum diese hier nicht einschlägig ist? Hier wird mit dem nicht disponiblen APR des Angeklagten gegen die Zulässigkeit der Aussage unter Anschluss an einen Lügendetektor als Beweismittel argumentiert.

der D

der D

23.2.2025, 12:20:24

Ich hatte es so verstanden, dass in der Hauptverhandlung ohnehin nur Beweismittel nach dem

Strengbeweismittel

verfahren zulässig sind. Würde demnach eine Lügendetektortest, unabhängig vom §246 III 3 Nr.4 StPO, ohnehin nicht in Betracht kommen?


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen