Besteht eine Duldungspflicht bei ortsüblicher Einwirkung, wenn keine Möglichkeit zur Beseitigung besteht (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB)?


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Lernplan ZR Sachenrecht (100%)

Baumenthusiastin B hat in ihrem Garten eine große Birke stehen. Nachbarin N ist davon verärgert. Sie hat starken Heuschnupfen. Von dem Baum geht ein außergewöhnlich starker Pollenflug aus, was sich mal wieder im „Mastjahr“ 2022 bemerkbar gemacht hat.

Einordnung des Falls

Besteht eine Duldungspflicht bei ortsüblicher Einwirkung, wenn keine Möglichkeit zur Beseitigung besteht (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB)?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Es handelt sich um eine wesentliche, aber ortsübliche Beeinträchtigung (§ 906 BGB).

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Ja!

Die Beeinträchtigung ist „wesentlich“, wenn sie auch unter Würdigung öffentlicher und privater Belange billigerweise nicht mehr zuzumuten ist. Dies ist anhand Empfindens eines verständigen Durchschnittsmenschen zu ermitteln. Eine ortsübliche Beeinträchtigung liegt grundsätzlich vor, wenn die Benutzung in dem maßgebenden räumlichen Bereich tatsächlich häufiger vorkommt. Von dem Baum geht ein außergewöhnlich starker Pollenflug aus. Hierin liegt eine wesentliche Beeinträchtigung. Zwar gibt der Sachverhalt keine Angaben über Bäume im umliegenden Gebiet. Es ist aber davon auszugehen, dass Bäume ortsüblich sind.

2. Die einzige Möglichkeit, wie B den Pollenflug verhindern könnte wäre den Baum zu fällen. Ist B hierzu verpflichtet?

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Nein, das ist nicht der Fall!

Eine wesentliche, ortsübliche Einwirkung muss nicht geduldet werden, wenn sie durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. B könnte die Beeinträchtigung durch Fällen der Bäume mit geringem (wirtschaftlichen) Aufwand beseitigen. Eine völlige Beseitigung der Bäume geht aber deutlich über eine mögliche Unterlassungspflicht hinsichtlich des Pollenflugs aus § 1004 BGB hinaus und ist deshalb nicht zumutbar.Sind die Bäume ordnungsgemäß gepflanzt, so verneint der BGH nach neuerer Rechtsprechung bereits die Störereigenschaft des Eigentümers. Eine Inanspruchnahme des Eigentümers scheidet dann schon mangels Verantwortlichkeit aus.

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