Zivilrecht

Deliktsrecht

§ 823 Abs. 1 BGB

Körper (ärztlicher Heileingriff)

Körper (ärztlicher Heileingriff)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

A kommt mit einem gebrochenen Zeh ins Krankenhaus. Dort operiert ihn Chirurg C.

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Einordnung des Falls

Körper (ärztlicher Heileingriff)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. C hat den A in seinem Rechtsgut Körper/Gesundheit verletzt (§ 823 Abs. 1 BGB), indem er ihm den Zeh operiert hat.

Genau, so ist das!

Körperverletzung bedeutet Eingriff in die körperliche Unversehrtheit oder Befindlichkeit. Eine Gesundheitsschädigung liegt bei einer Störung der inneren Lebensvorgänge vor. Nach h.M. und ständiger Rspr. erfüllt jeder ärztliche Heileingriff den objektiven Tatbestand der Körperverletzung, sofern er die dafür vorausgesetzte gesundheitliche Beeinträchtigung hervorruft. Im Rahmen der Operation hat C in die körperliche Unversehrtheit und die inneren Lebensvorgänge des A eingegriffen. Eine Körper-/Gesundheitsverletzung liegt vor. Die Rechtswidrigkeit entfällt jedoch bei einer Einwilligung des Patienten in den Eingriff (vgl. § 630d BGB).
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2. Die Rechtsgüter Körper und Gesundheit zählen zu den besonders geschützten Rechtsgütern des § 823 Abs. 1 BGB.

Genau, so ist das!

Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass ein absolut geschütztes Recht eines anderen verletzt wurde. Absolute Rechte sind solche, die gegenüber jedermann gelten, also nicht nur relativ zwischen den Parteien (lat. inter partes). Die Rechtsgüter Körper und Gesundheit sind absolut geschützte Rechte. Weitere geschützte Rechtsgüter sind das Leben, die Freiheit, das Eigentum eines anderen sowie sonstige absolute Rechte.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BADRE

Bad Reputation

15.7.2020, 16:10:03

Ist der (gerechtfertigte, bewilligte) Eingriff in das Rechtsgut nicht von der (unrechtmäßigen) Rechtsverletzungen zu unterscheiden?

JULA

Just do Law

15.7.2020, 22:21:21

Nach ganz h.M. ist der lege artis - also der nach den Regeln der Kunst durchgeführte ärztliche Heileingriff - auch zunächst einma einfachl eine Rechtsgutsverletzung. Nämlich eine Verletzung des Körpers bzw der Gesundheit. Auf Ebene der Rechtswidrigkeit ist der Eingriff dann jedoch gerechtfertigt, wenn der betreffende Patient in den Eingriff ausdrücklich, oder in Notfällen auch mutmaßlich, eingewilligt hat. Die Unrechtmäßigkeit der Rechtsgutsverletzung entfällt also in der Prüfung erst später durch die rechtfertigende Einwilligung. Insofern hast du Recht, dass unrechtmäßige Rechtsgutsverletzungen von gerechtfertigten zu unterscheiden sind, allerdings muss dies im juristischen Gutachten immer Schritt für Schritt und sorgfältig geprüft werden. Ich hoffe, das hilft weiter. :)

Michael_

Michael_

23.8.2021, 00:57:16

Vielleicht noch zur Ergänzung der hM: Sie geht deshalb so vor, um die Rechte den Patienten zu schützen und mehr Gewicht zu verleihen (BGH a.a.O)

JO

Jose

19.7.2021, 17:01:06

Es wäre cool, wenn man in den Antworten auch Mindermeinungen folgen könnte, weil ich manchmal nur weiß, was vertretbar, aber nicht was "herrschend" ist.

Tigerwitsch

Tigerwitsch

19.7.2021, 20:37:04

Ich persönlich finde es ganz gut, wenn nur die herrschende Meinung (insbesondere Rechtsprechung) als „richtige“ Lösung angesehen wird. Schlussendlich muss man - spätestens im Referendariat, aber auch tlw. bereits im Studium - wissen, was BGH/BVerfG/BVerwG für eine Ansicht vertreten. Ansonsten gäbe es jeweils zig Mindermeinungen und man würde komplett den Überblick verlieren. Gerne kann man jedoch Mindermeinungen im Lösungstext (wie bereits in anderen Aufgaben passiert) ausweisen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

21.7.2021, 17:10:22

Vielen Dank für Deine Anmerkung, Jose. Wir haben uns bei der Konzeption der Fälle bewusst dafür entschieden uns an der höchstrichterlichen Rechtsprechung (und damit in der Regel der herrschenden Meinung) zu orientieren. Zum einen, da die Rechtsprechung letztlich - wie Tigerwitsch bereits angemerkt hat - im Hinblick auf das Referendariat und die weitere berufliche Praxis maßgeblich ist. Zum anderen, weil viele Lösungsskizzen im Studium die "herrschende Meinung" zur Grundlage nehmen. Andere Lösungswege sind dabei natürlich nicht falsch. Aber es kann einem beim Abweichen von der herrschenden Auffassung schnell passieren, dass man sich Probleme abschneidet und diese dann ggfs. hilfsgutachterlich prüfen muss oder man gezwungen wird, Punkte zu prüfen, auf denen in der Klausur sichtlich kein Schwerpunkt liegt. Natürlich ist uns bewusst, dass es in vielen Bereichen des juristischen Studiums kein "richtig" oder "falsch" gibt. Das macht das Lernen zwar nicht unbedingt leichter, gibt dem Ganzen aber auch seinen besonderen Reiz, da man mit dem juristischen Argumentationsrüstzeug vielfach auch ohne Kenntnis des Problems eine brauchbare Lösung entwickeln kann. Vor diesem Hintergrund haben wir in der Vergangenheit - und würden es auch zukünftig so handhaben - an den passenden Stellen auch abweichende Meinungen in den Lösungstexten präsentiert. Gerne freuen wir uns über Hinweise, wenn diese Dir an der ein oder anderen Stelle noch fehlen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

SH

Shilaw

24.7.2023, 16:35:25

Gesundheit, Körper, Leben und Freiheit sind

absolute Rechtsgüter

, wohingegen das Eigentum ein absolutes Recht ist. - so habe ich es nun schon vielfach gelesen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.7.2023, 18:06:07

Hallo Shilaw, in der Tat differenziert man hiernach. Wir haben die Aufgabe insoweit auch etwas präzisiert. Wichtig wird die Unterscheidung im Hinblick auf die sonstigen Rechte. Aus dem Umstand, dass es sich lediglich beim Eigentum um ein Recht handelt, ergibt sich, dass die "Oder-Verbindung" sich auch nur auf das Eigentum bezieht. Daraus wiederum folgt, dass nicht jedes subjektive Recht geschützt wird, sondern nur solche Rechte, die eigentumsähnlich sind ("Eigentum oder ein

sonstiges Recht

"). Primär dafür ist also die Unterscheidung in Rechtsgüter (Leben/Körper/Gesundheit/Freiheit) einerseits und Rechte (Eigentum, sonstige Rechte) letztlich bedeutsam. Ich hoffe, die Hintergründe sind nun etwas klarer geworden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Sparvey Hecter (StGBae)

Sparvey Hecter (StGBae)

24.7.2024, 13:20:49

Wieso unterscheiden sich die straf- und zivilrechtlichen Definitionen der Körperverletzung (bzw. gerade die der

Gesundheitsschädigung

) ? Gibt es dafür eine dogmatische Begründung o.ä.?

TI

Timurso

24.7.2024, 13:57:05

Ich glaube die Begründung ist mehr eine pragmatische als eine dogmatische. Straf- und Zivilgerichte haben sich ebenso wie Straf- und Zivilrechtswissenschaft relativ unabhängig voneinander entwickelt. Auch wenn sie beide zur ordentlichen Gerichtsbarkeit gehören, wird darin zwischen Straf- und Zivilkammern und -senaten unterschieden, die jeweils ihr eigenes Ding machen und (abgesehen vllt vom BVerfG, das in solchen Fragen aber eher nicht zuständig ist) keine höhere gemeinsame Instanz haben, die für eine Vereinheitlichung sorgen könnte.

Tobias Krapp

Tobias Krapp

30.7.2024, 22:23:47

Hallo Sparvey, danke für deine Nachfrage. Wie Timurso schon richtig angemerkt hat, sind die Unterschiede hier wesentlich auf die Entwicklung in der Rechtsprechung zurückzuführen. Für diese kann man auch einen Grund ausmachen: Die

Gesundheitsschädigung

ist bei § 823 I BGB kein Unterfall der Körperverletzung, sondern explizit genannt als eigenes Rechtsgut. Die Definition im Fall -

Gesundheitsschädigung

als Störung der inneren Lebensvorgänge - ist also vor allem als Abgrenzung zum Rechtsgut Körper zu verstehen. Dies ist im Strafrecht so nicht erforderlich, dort muss nur zur körperlichen Misshandlung abgegrenzt werden. Mit der Bezeichnung "innere Lebensvorgänge" versucht man also, dem Begriff etwas eigene Kontur zu geben, auch wenn die Abgrenzung natürlich schwierig bleibt. Eine Abweichung von dem Verständnis in Strafrecht ist damit jedenfalls nicht bezweckt. Dies zeigt der BGH in Zivilsachen selbst: In einigen Entscheidungen definiert er die

Gesundheitsschädigung

weiter als "jedes Hervorrufen eines von den normalen körperlichen Funktionen nachteilig abweichenden Zustands" (BGH NJW 2005, 2614, 2615) - das klingt nun schon fast genauso wie die Definition in Strafsachen. Der BGH hat in Zivilsachen auch noch nie behauptet, bei der Gesunheitsschädigung sich bewusst von der Rechtsprechung der Strafsenate absetzen zu wollen. Auch in den Grenzfällen (wie etwa bei dem Klassiker, ob eine reine Infektion mit einem Virus schon eine

Gesundheitsschädigung

darstellt), ziehen die Senate die gleichen Wertungen und Argumentationen heran. Du kannst dein Wissen hier also übertragen und die Bezeichnung "innere Lebensvorgänge" schlicht als Abgrenzung zum Rechtsgut Körper verstehen. Falls du das noch mit Beispielen vertiefen möchtest, kann ich MüKo BGB/Wagner, § 823 Rn. 226 ff. zur Körperverletzung und Rn. 231 ff. zur

Gesundheitsschädigung

empfehlen. Ich hoffe, damit ist das Thema noch etwas klarer geworden! Viele Grüße - für das Jurafuchs-Team - Tobias @[Wendelin Neubert](409)


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