Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB wegen Aufhebung der Nutzungsmöglichkeit („Fleet-Fall“)


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Klassisches Klausurproblem

Händlerin H fährt mit ihrem Handelsschiff „MS Christel“ durch ein Fleet (= künstliche Wasserstraße) des E in einen dahinter liegenden Hafen. E hat die Sanierung der Fleet-Wände schuldhaft unterlassen. Sie brechen zusammen und sperren das Handelsschiff für mehrere Monate ein.

Einordnung des Falls

Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB wegen Aufhebung der Nutzungsmöglichkeit („Fleet-Fall“)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. E hat das Rechtsgut Freiheit der H verletzt (§ 823 Abs. 1 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Das Rechtsgut Freiheit in § 823 Abs. 1 BGB ist verletzt, wenn die körperliche Bewegungsfreiheit gegen den Willen des Betroffenen nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird. H kann sich jedoch weiterhin frei fortbewegen, nur nicht mit seinem Handelsschiff. Freiheit meint nicht die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Eventuelle Schutzlücken werden durch das (ungeschriebene) Rechtsgut Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) geschlossen.

2. Hat E das Rechtsgut Eigentum der H verletzt (§ 823 Abs. 1 BGB)?

Ja, in der Tat!

Die Beeinträchtigung der Nutzung oder des Gebrauchs der Sache kann eine Eigentumsverletzung darstellen. Dafür muss der bestimmungsgemäße Gebrauch oder Verwendungszweck der Sache vollständig unmöglich gemacht wird oder für einen erheblichen Zeitraum weitestgehend eingeschränkt sein. BGH: Das Schiff des H habe jede Bewegungsmöglichkeit über das zwischen dem Hafen und der Sperre befindliche Fleetstück hinaus verloren. Es sei damit als Transportmittel praktisch ausgeschaltet, seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch entzogen. Die „Einsperrung“ des Schiffes stellte sich demnach als eine die Eigentümerbefugnisse der Klägerin treffende tatsächliche Einwirkung auf dieses Fahrzeug dar (RdNr. 23). Sollte eine solche Fallkonstellation zu prüfen sein, musst Du mit klaren Argumenten abgrenzen, ob eine eigentumsrelevante Nutzungsbeeinträchtigung vorliegt oder lediglich eine Beschränkung der Nutzungsfähigkeit, die einen reinen Vermögensschaden darstellt und deshalb nicht von § 823 Abs. 1 BGB geschützt ist.

3. Reine Nutzungsbeeinträchtigungen ohne Substanzverletzung können keine Verletzung des Rechtsguts Eigentum (§ 823 Abs. 1 BGB) darstellen.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Verletzung des Eigentums als Rechtsgut i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB kann auch dadurch erfolgen, dass die Nutzung bzw. der Gebrauch der Sache beeinträchtigt wird, ohne dass das Eigentum an der Sache entzogen oder in seiner Substanz verletzt wird (sog. Eigentumsverletzung durch Nutzungsbeeinträchtigung). Allerdings: Nicht jede Nutzungsbeeinträchtigung stellt zugleich eine Eigentumsverletzung dar. Eine Nutzungsbeeinträchtigung ist jedoch dann zugleich auch eine Eigentumsverletzung, wenn der bestimmungsgemäße Gebrauch oder Verwendungszweck der Sache vollständig unmöglich gemacht wird oder für einen erheblichen Zeitraum weitestgehend eingeschränkt ist. Demgegenüber ist eine Eigentumsverletzung nicht anzunehmen, wenn der Eigentümer seine Sache trotz Beeinträchtigung noch bestimmungsgemäß gebrauchen kann. Die Abgrenzung im Einzelfall ist ausgesprochen schwierig (und wird durch die zum Teil widersprüchliche Judikatur des BGH auch nicht erleichtert).

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IUS

iustus

30.1.2021, 15:40:31

Wäre es ratsam hier in der Klausur überhaupt „Freiheit“ zu erwähnen?

TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

16.2.2021, 08:16:27

M.E. dient die Frage nach der "Freiheit" hier eher didaktischen Gründen und soll die Abgrenzung der Rechtsgüter des 823 I untereinander klar machen. In der Klausur würde ich die Freiheit nur ansprechen, wenn sie von einer Seite als Argument vorgebracht wird o.ä. (:


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