Zivilrecht

Deliktsrecht

§ 823 Abs. 1 BGB

Sonstige Rechte im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB – Besitz (Gewerbepark I)

Sonstige Rechte im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB – Besitz (Gewerbepark I)

3. Juli 2025

26 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Demonstrantin D möchte die Errichtung eines Gewerbeparks verhindern. Sie blockiert zusammen mit anderen die Baustelle für 48 Stunden. Bauunternehmer B kann die gemieteten Baumaschinen nicht mehr nutzen, da sie von den Demonstranten eingeschlossen sind.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Sonstige Rechte im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB – Besitz (Gewerbepark I)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. D hat durch die Demonstration das Eigentum des B an den Baumaschinen verletzt (§ 823 Abs. 1 BGB).

Nein!

B hat die Baumaschinen nur gemietet. Er ist nicht deren Eigentümer.
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2. D hat durch die Demonstration den berechtigten Besitz des B verletzt, der als "sonstiges Recht" (§ 823 Abs. 1 BGB) geschützt ist.

Genau, so ist das!

Der Besitz stellt eigentlich kein Recht, sondern eine tatsächliche Herrschaftsposition dar. Dennoch wird der berechtigte Besitz in den §§ 858ff. BGB wie ein absolutes Recht gegen den unberechtigten Zugriff von jedermann geschützt. Die h.M. sieht den berechtigten Besitz deshalb auch als sonstiges Rechtsgut im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB an. Unberechtigter Besitz ist davon nicht erfasst. Dieser ist von der Rechtsordnung nicht geschützt (vgl. §§ 858 Abs. 2, 861 Abs. 2, 862 Abs. 2 BGB). B ist als Mieter berechtigter Besitzer der Baumaschinen.

3. "Sonstige Rechte" sind von § 823 Abs. 1 BGB geschützt, wenn sie gegenüber jedermann, also absolut gelten.

Ja, in der Tat!

Neben den aufgezählten Rechten Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit und Eigentum schützt § 823 Abs. 1 BGB auch "sonstige Rechte". Sonstige Rechte werden nur geschützt, wenn es sich um absolut geschützte Rechte handelt. Absolute Rechte sind solche, die gegenüber jedermann gelten, also nicht nur relativ zwischen den Parteien (lat. inter partes). Nicht geschützt ist insbesondere das bloße Vermögen oder Gewinnchancen. Hier unterscheidet sich das Deliktsrecht vom vertraglichen Schadensersatzrecht.

4. B kann sich auf die Verletzung seines Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als „sonstiges Recht“ berufen.

Nein!

Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt ebenfalls ein „sonstiges Recht“ dar. Es schützt die ungestörte wirtschaftliche Ausübung des Betriebs und umfasst alles, was in seiner Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert eines Betriebes ausmacht. Dazu gehören z.B. Bestand, Erscheinungsform, Tätigkeitskreis und Kundenstamm. Es ist subsidiär zu sonstigen Rechtsgutsverletzungen, insbesondere der Eigentumsverletzung, § 823 Abs. 2 BGB, Kreditgefährdung (§ 824 BGB) und wettbewerbsrechtlichen Sondervorschriften (u.a. UWG, GWB, MarkenG). B hat in Bezug auf die Maschinen bereits eine Verletzung eines vom Betrieb ablösbaren Rechts (berechtigter Besitz) erlitten.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

GEL

gelöscht

30.4.2020, 06:56:46

Hi - ich finde die erste Frage und Antwort etwas schwierig. Es ist zwar ersichtlich, dass ihr nur auf die Baumaschinen abstellen wollt. Genau genommen werden ja aber nicht nur die Baumaschinen, sondern auch die Baustelle als Eigentum beeinträchtigt. Insofern lautet für mich die Antwort "ja".

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.7.2021, 14:10:51

Hallo Marcus, vielen Dank für Deinen Hinweis. Wir haben die Frage nun etwas präzisiert, um Missverständnisse zu vermeiden. Im Hinblick auf die Frage, ob die Demonstration hier eine Verletzung des Eigentums am Grundstück darstellt, gibt der Sachverhalt nicht genügend her. Denn der Bauunternehmer wird regelmäßig nicht Eigentümer des Grundstückes sein. Auch wird durch die Demonstration das Grundstück nicht physisch beschädigt, sodass man allein auf die vollständige Aufhebung der Nutzungsmöglichkeit abstellen könnte. Ob diese vorliegt, ist durchaus fraglich im Hinblick auf das Erreichen der hierfür erforderlichen

Erheblichkeitsschwelle

. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

GEL

gelöscht

3.6.2020, 00:06:51

Bei der zweiten Frage stimmt meiner Meinung nach die Argumentation nicht ganz. Die 858 ff. bgb unterscheiden ja gerade nicht zwischen berechtigten und unberechtigten Besitzer, im Unterschied zu

1007 BGB

. Ausschlussfunktion hat damit auch der unberechtigte Besitz. Es geht eher darum, dass der unberechtigte Besitzer kein Nutzungsrecht für die Sache hat und ihm deshalb auch kein

Schaden

für eine Nichtnutzung entstehen kann.

🦊LEXD

🦊LEXDEROGANS

10.7.2020, 19:35:21

@18 Punkte Kandidat, die Argumentation ist m. E. durchaus schlüssig: Die §§ 858 ff. zeigen, dass unberechtigter Besitz (im

Besitzrecht

) nicht von der Rechtsordnung geschützt wird; warum also soll unberechtigter Besitz im Deliktsrecht über § 823 geschützt sein? Rspr. und h. L. akzeptieren nur rechtmäßigen Besitz als „sonstiges Recht“ in § 823 (Kropholler, Studienkommentar BGB, 11. Aufl. 2008, § 823 Rn. 8). Allerdings gibt es wohl auch Gegenstimmen: Medicus, Bürgerliches Recht, 2007 Rn. 607...

TAY

Taylaw

8.10.2021, 15:05:30

Verständisfrage: Wäre B Eigentümer, läge hier ja ein Fall der Nutzungsbeeinträchtigung vor, da er zwar nach wie vor Zugriff auf die Maschinen hat, diese aufgrund der Demonstranten aber nicht so nutzen kann wie üblich. Im Fall der Nutzungsbeeinträchtigung wird ja erst dann eine

Eigentumsverletzung

iSd §

823 BGB

angenommen, wenn eine gewisse Dauer der Beeinträchtigung vorliegt. Freilich können wir anhand des Sachverhalts nichts über die Dauer sagen. Meine Frage ist jetzt, ob sich diese Wertung auch auf den Besitzer übertragen lässt und auch hier das Erfordernis einer gewissen Dauer besteht, wenn quasi allein die Nutzungsmöglichkeit beeinträchtigt ist. Sonst würde man mEn zu dem wertungswidrigen Ergebnis kommen, dass der Besitzer stärker geschützt ist als der tatsächliche Eigentümer. Über eine Antwort würde ich mich freuen! :)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.10.2021, 15:55:32

Hallo Taylaw, in der Tat verlangt der BGH zur Bejahung der

Eigentumsverletzung

eine gewisse Intensität (vollkommene Aufhebung der Nutzungsmöglichkeit) sowie eine gewisse Dauer, wobei sich so richtig feste Grenzwerte noch nicht herausgebildet haben (eine Auflistung verschiedener Fälle findest Du u.a. bei MüKo/Wagner, BGB, 8.A. 2020, § 823 RdNr. 271). Im vorliegenden Fall zog sich die Demonstration aber über zwei Tage, sodass dieser Zeitraum ihm jedenfalls genügte. Dieser Zeitraum dürfte auch ausreichen, wenn B hier Eigentümer der Maschinen gewesen wäre. Wir haben die Demodauer nun noch im Sachverhalt ergänzt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

TAY

Taylaw

8.10.2021, 16:49:46

Hallo Lukas, vielen Dank für deine schnelle Antwort und die Sachverhaltsergänzung! :)) Meine Frage ist aber noch nicht ganz beantwortet, vielleicht habe ich die auch ein bisschen missverständlich eingeleitet. Ich habe mich eher gefragt, ob es bei jemandem, der nur Besitzer ist (also genau wie im vorliegenden Fall) auch dieses Erfordernis der gewissen Dauer und Intensität gibt, um eine Besitzbeeinträchtigung anzunehmen. Ich kenne die Konstellation nämlich bislang nur in den von dir beschriebenen Eigentümerfällen, aber nicht in Fällen, in denen der Beeinträchtigte nur Besitzer ist. Aber ich dachte mir, dass es ja unlogisch wäre, diese Anforderung nur an

Eigentumsverletzung

en zu stellen und nicht an Besitzverletzungen und es deswegen vermutlich einen Gleichlauf gibt…? Kann sein, dass ich den Wald gerade vor lauter Bäumen nicht sehe

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.10.2021, 20:42:20

Sorry Taylaw und danke für die Rückfrage! Die zum Eigentum entwickelten Grundsätze sind auch auf den Besitz anzuwenden (so BGH NJW-RR 2017, 219 RdNr. 20 -

Fleetfall

; in diesem hat sich der BGH auch von einer mindestens erforderlichen zeitlichen Dauer distanziert). Beste Grüße und noch einen schönen Abend, Lukas

TAY

Taylaw

8.10.2021, 21:32:31

Perfekt, vielen Dank! Auch dir noch einen schönen Abend :)

DO

Dominic

15.7.2023, 15:53:48

Vielleicht sollte man hier deutlich machen, dass sich die Baumaschinen auf dem Gelände befinden und deshalb nicht mehr zugänglich sind. Andernfalls könnte man denken, dass die Baumaschinen ja auf anderen Baustellen eingesetzt werden könnten und damit keine Nutzungsbeeinträchtigung vorliege.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

16.7.2023, 15:01:17

Hallo Dominic, willkommen im Jurafuchs-Forum! Danke dir für den Hinweis. Wir haben die Info ergänzt. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Bubbles

Bubbles

2.11.2023, 12:51:08

Mir wurde im Rep beigebracht, dass die sonstigen Recht des § 823 I BGB gleichrangig sind, das ReaG mithin nicht subisidiär zum Besitz ist.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

2.11.2023, 18:01:12

Hallo räuberischer Aktionär, die wohl herrschende Meinung vertritt die Auffassung, dass die sonstigen Rechte Auffangrechte sind, auch weil sie oft nicht absolut d.h. gegenüber jedermann wirken. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

ahimes

ahimes

11.1.2024, 13:22:57

Hallo liebes jura Fuchs Team, Ich habe hinsichtlich der Prüfung dieser Themen in einer Klausur eine Frage. Nachdem ich in einer Klausur § 823 I (berechtigter Besitz = als sonstiges Recht) bejaht hätte, würde ich dann den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nochmal separat ansprechen oder nur kurz ein Satz, dass dieser Anspruch susbsidär ist und anschließend meine Prüfung mit anderen AGL fortsetzen. Was wäre da die eleganteste Lösung?

Amelie

Amelie

19.10.2024, 17:46:47

Das würde mich auch interessieren :)

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

19.3.2024, 05:56:54

Sind

mittelbarer Besitz

&

Mitbesitz

auch von § 823 I BGB als sonstiges Recht geschützt?

PK

P K

19.3.2024, 19:15:21

Laut BGH ja, der mittelbare Besitz jedoch nicht gegenüber dem unmittelbaren Besitzer.

Sege

Sege

6.3.2025, 09:49:54

Ich habe mit der Subsidiarität vom eingerichteten und ausgeübtem Gewerbebetrieb ein problem hinsichtlich anderer Ansprüche außerhalb von 823 I. Muss man in der Klausur dann innerhalb vom 823 I ggf. nicht eine riesige Inzidenzprüfung aller anderer in Betracht kommender Ansprüche machen? Oder muss man den 823 I dann als Auffangtatbestand verstehen und erst ganz am Schluss prüfen? Das wäre aber mMn ungewöhnlich. Wie kann man hier am besten in der Klausur vorgehen?

LMA

Lt. Maverick

12.5.2025, 13:09:40

Ich würde immer mit den Rechten, Rechtsgütern und absolut wirkenden sonstigen Rechten beginnen. Das Problem an

Rahmenrechte

n ist ja, dass sie nicht zwingend absolut wirken. Der Anspruch folgt in den o.g. Fällen aber immer aus § 823 I BGB. Den Obersatz kann man in problematischen Fällen dann offen halten, indem man kein konkretes Rechtsgut benennt, sondern schreibt: „A könnte gegen B einen

Schaden

sersatzanspruch aus § 823 I BGB haben, wenn dieser durch eine Handlung

rechtswidrig

und

schuld

haft ein absolut geschütztes Rechtsgut des A verletzt hat.“ Dann könnte man im Rahmen der Rechtsgutverletzungen differenzieren. 1. Rechtsgutverletzung am Eigentum -(-), wenn Geschädigter nicht Eigentümer ist 2. Rechtsgutverletzung am Besitz - (-), wenn Geschädigter z.B. nicht (mehr) berechtigter Besitzer ist 3. Rechtsgutverletzung am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb Sollten sich Ansprüche aus speziellen Normen ergeben, so sind diese dem § 823 I BGB gegenüber ohnehin vorrangig zu prüfen. Es handelt sich bei §

823 BGB

um eine der deliktischen „

Generalklausel

n“. Erst wenn keine spezielle Anspruchsgrundlage einschlägig ist und auch kein vorrangiges Recht aus § 823 I BGB, kommt das

Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb

in der Prüfung zum Tragen.

Sege

Sege

12.5.2025, 14:17:52

Alles klar vielen Dank!

Lissie

Lissie

6.5.2025, 18:11:07

Der Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs ist zwar grundsätzlich subsidiär. Dies gilt allerdings nicht bei einem vorsätzlichen Eingriff in den Gewerbebetrieb, da in diesem Fall keine Schutzwürdigkeit des Schädigers besteht. M.E. liegt hier gerade ein solcher Fall vor, da das Bauvorhaben durch die Schädiger verhindert und die Baumaßnahmen absichtlich blockiert werden sollen.

FL

Florian

10.6.2025, 13:11:59

liebes Team, könnt ihr erklären, warum das Recht am Betrieb subsidiär ist? ich finde keine zufriedenstellende antwort für mich. danke!


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