Vermögensschaden bei gutgläubigem Erwerb

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

K möchte das gute Wetter nutzen, um mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren. Er kauft daher auf Ebay Kleinanzeigen von D gutgläubig ein neuwertiges E-Bike für nur €150. D hat das E-Bike jedoch von seinem Freund F nur vorübergehend geliehen.

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Einordnung des Falls

Vermögensschaden bei gutgläubigem Erwerb

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat K Eigentum an dem E-Bike erworben, obwohl D kein Eigentümer ist?

Ja!

Der gutgläubiger Eigentumserwerb nach §§ 929 S. 1, 932 BGB setzt voraus: (1) Übereignung nach § 929 S. 1 BGB durch Übergabe vom Veräußerer, (2) Verkehrsgeschäft, (3) Fehlende Berechtigung des Veräußerers, (4) Gutgläubigkeit des Erwerbers bzgl. der Eigentümerstellung des Veräußerers (§ 932 Abs. 2 BGB), (5) Kein Abhandenkommen der Sache (§ 935 BGB).K und D haben sich über den Eigentumsübergang geeinigt. D hat K das Fahrrad übergeben. Es handelte sich um ein Verkehrsgeschäft. K und G waren zum Zeitpunkt der Übergabe einig, dass das Eigentum an G übergehen soll. D war zwar nicht verfügungsbefugt. K hatte hiervon indes keine Kenntnis und war gutgläubig (§ 932 Abs. 2 BGB). F hat D das E-Bike geliehen und hat den Besitz daran nicht unfreiwillig verloren (§ 935 BGB).
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2. Hat K einen Vermögensschaden erlitten?

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Vermögensschaden ist ein negativer Saldo, welches im Wege einer Gesamtbetrachtung aller Zu- und Abflüsse im Zusammenhang mit der Vermögensverfügung ermittelt wird.. Im Falle eines gutgläubigen Erwerbs hängt ein Schaden von den konkreten Umständen ab. Maßgeblich ist, ob für den Erwerber eine konkrete Gefahr besteht die Sache herausgeben zu müssen. Liegt eine derartige Gefahr vor, so kann ein Gefährungsschaden angenommen werden. D hat dem K wirksam Eigentum übertragen (§§ 929 S.1, 932 BGB). Es sind keine Umstände ersichtlich, die dazu führen würde, dass K die Sache an F herausgeben müsste. Somit hat er für den Kaufpreis eine entsprechende Gegenleistung erhalten. Nach der sog. Makeltheorie liegt beim gutgläubigen Erwerb ein Vermögensschaden vor. Es seien im Rahmen des normativ-ökonomischen Vermögensbegriffs ausnahmsweise Risikofaktoren außerhalb des juristischen zu berücksichtigen. Abgestellt wird auf den sittlichen Makel des gutgläubig erworbenen Eigentums. Eine moralische Pflicht zur Rückerstattung an den Altberechtigten ist aber weder anzuerkennen noch im Wirtschaftsverkehr als solche anerkannt. Die Makeltheorie ist daher abzulehnen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BEBE

Benni Bertelmann

30.11.2022, 18:08:40

Vielleicht könnte hier noch ergänzt werden, dass die Gegenansicht (Mindermeinung) einen Vermögensschaden aufgrund der sog. Makeltheorie annimmt?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

1.12.2022, 12:03:21

Hallo Benni Bertelmann, danke für den Hinweis. Wir haben einen Hinweis auf die Makeltheorie ergänzt. :) Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

FABY

Faby

18.4.2023, 16:58:07

Was ist mit konkreten Nachteilen (insbesondere einem erhöhten Prozessrisiko oder der Gefahr nur kurzfristigen Besitzes wegen drohender zeitnaher Beschlagnahme der Sache)? Ich habe gelesen, dass dann ein

Gefährdungsschaden

angenommen werden könnte.

Antonia

Antonia

9.8.2023, 11:26:32

Das ist mWn eine Mindermeinung. Bei besonderen Anhaltspunkten in der Klausur, dass es Probleme im späteren Prozess gibt, kannst du es auf jeden Fall vertreten

MER

Merida

6.7.2023, 13:41:45

Gutgläubigkeit würde ich hier eindeutig ablehnen da ein e-bike für 150€ wesentlich unter wert verkauft wird und der Käufer stutzig werden würde/müsste.

JO

JohnnySpecter69

1.7.2024, 12:36:27

Wenn dazu nichts explizit in der Angabe steht wäre das meines Empfindens nach eine Überdehnung des Sachverhalts. Man weis ja nicht was für ein E-bike es ist (ob gebraucht/Neu; was für ein Zustand; Alter; Marke etc.) daher erscheint es zumindest nicht völlig abwegig, dass der objektive Verkehrswert (oder der Wert für den eine Person das Fahrrad verkaufen will) bei 150€ liegen kann.

Lord Denning

Lord Denning

17.9.2024, 14:53:19

Ich glaube, in der Frage zum gutgläubigen Erwerb wurde geschrieben, dass der Eigentümer den Besitz nicht „unfreiwillig“ verloren hätte. Das impliziert finde ich, dass Voraussetzung für das Abhandenkommen ist, dass der Eigentümer als unmittelbarer Besitzer die Sache „gegen“ seinen Willen verloren hat. Es reicht doch aber bereits aus, dass er diese „ohne“ seinen Willen verliert. Daher würde ich vielleicht die Antwort dahingehend etwas präzisieren. Bitte um Korrektur, sofern ich etwas übersehen/falsch verstanden habe :).


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