Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Tatbestand der Willenserklärung

Auktion – Halten eines Katalogs als Abgabe eines Gebots

Auktion – Halten eines Katalogs als Abgabe eines Gebots

23. November 2024

4,6(50.697 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Auktionator A präsentiert bei einer Versteigerung eine antike Vase zum Aufrufpreis von €2.000. A kennt den Bieter C schon lange und weiß, dass C solange mitbieten möchte, wie C den Versteigerungskatalog für A sichtbar senkrecht in der rechten Hand hält.

Diesen Fall lösen 94,3 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Auktion – Halten eines Katalogs als Abgabe eines Gebots

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Cs Verhalten lässt auf das Vorliegen eines Handlungswillens schließen.

Ja!

Ein Handlungswille im Rahmen des objektiven Tatbestands liegt vor, sofern das Verhalten aus Sicht eines Dritten als willensgesteuerte Handlung erscheint. Er fehlt, wenn der Erklärende erkennbar im Schlaf oder in Hypnose spricht oder bei bloßen Reflexbewegungen.Hier deutet nichts darauf hin, dass C nicht bewusst und willentlich den Katalog gehalten hat.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Cs Verhalten lässt auf das Vorliegen eines Erklärungsbewusstseins schließen. C hatte Rechtsbindungswillen.

Genau, so ist das!

Ein Rechtsbindungswille im Rahmen des objektiven Tatbestands liegt vor, wenn der Erklärende sich aus Sicht eines Dritten in irgendeiner Weise rechtlich erheblich erklären will. Der Dritte orientiert sich bei seiner Bewertung auch an den Besonderheiten des Einzelfalls (z.B. Absprachen der Beteiligten). Hier ist aufgrund der (stillschweigend) getroffenen Absprache zwischen A und C das Senkrechthalten des Katalogs als Abgabe eines Gebots und damit auch als Äußerung auf die Herbeiführung irgendeiner Rechtsfolge aufzufassen.

3. Cs Verhalten lässt auf das Vorliegen eines Geschäftswillens schließen.

Ja, in der Tat!

Ein Geschäftswille im Rahmen des objektiven Tatbestands liegt vor, wenn der Erklärende aus objektiver Sicht die Herbeiführung einer ganz bestimmten Rechtsfolge beabsichtigt. Aus Sicht eines objektiven Betrachters gibt C durch das Senkrechthalten des Katalogs ein Gebot über €2.000 ab.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

J

J

8.11.2019, 16:39:07

Gehört der Handlung Wille, Erklärungsbewusstsein und

Geschäftswille

nicht in den subj. Tatbestand einer WE

AME

amelie.be

11.11.2019, 18:54:31

Ja, gehört er

MANU1

Manu1511

12.11.2019, 14:25:33

Der Tatbestand einer Willenserklärung besteht aus subjektiven und objektiven Elementen. Jeweils gibt es einen Handlungs- und einen

Geschäftswille

n. Im subjektiven Tatbestand das sog. Erklärungsbewusstsein und im objektiven Tatbestand der Rechtsbindungswille. Sprich: Subjektiver Tatbestand besteht aus: subjektivem

Handlungswille

, Erklärungsbewusstsein und subjektivem

Geschäftswille

n. Objektiver Tatbestand besteht aus: Objektiven

Handlungswille

, Rechtsbindungswille und objektivem

Geschäftswille

n.

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

12.11.2019, 17:10:14

@J, @ amelie.be danke für die Anmerkungen. Die Differenzierung ist ganz entscheidend. Manu hat das ja gut ausgeführt. Wir haben versucht deutlich zu machen, dass es hier um den objektiven Tatbestand der Willenserklärung geht, indem wir so formuliert haben: "Ein

Handlungswille

(bzw. Erklärungswille bzw.

Geschäftswille

) im Rahmen des objektiven Tatbestands liegt vor, sofern das Verhalten aus Sicht eines Dritten als... erscheint."

SO

Sony

18.11.2019, 10:56:30

Nur zur Verständnisüberprüfung: Hier wird aber davon ausgegangen, dass der objektive Dritte die Absprache kennt. Würde er sie nicht kennen, läge noch nicht einmal

Handlungswille

vor, oder?

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

18.11.2019, 11:11:57

@Sony, ja, der imaginäre objektive Dritte, auf den es ankommt, kennt die Absprachen der Beteiligten. So steht es im zweiten Hinweis: "Ein Rechtsbindungswille im Rahmen des objektiven Tatbestands der Willenserklärung liegt vor, wenn der Erklärende sich aus Sicht eines Dritten in irgendeiner Weise rechtlich erheblich erklären will. Der Dritte orientiert sich bei seiner Bewertung auch an den Besonderheiten des Einzelfalls (z.B. Absprachen der Beteiligten)." Es geht hier nicht um tatsächliche Kenntnis einer Person, denn diesen "Dritten" gibt es ja nicht. Es ist ein rechtlicher Maßstab. Wäre der Maßstab anders (d.h. würde der Dritte sich bei seiner Bewertung nicht and den Besonderheiten des Einzelfalls orientieren, etwa Absprachen der Beteiligten), würden wir trotzdem einen

Handlungswille

n im Rahmen des objektiven Tatbestands der Willenserklärung annehmen. Das Halten des Versteigerungskatalogs wäre aus Sicht eines Dritten trotzdem eine willensgesteuerte Handlung. Aber dann würden wir im Rahmen des objektiven Erklärungstatbestands keine Erklärungsbewusstsein bzw. Rechtsbindungswillen annehmen.

MischaM

MischaM

21.2.2021, 22:38:09

Hallo! Wieso wird im vorliegenden Fall in der Handlung des C ein Geschäfts- und Erklärungswille angenommen? Aus Sicht eines OBJEKTIVEN BETRACHTERS wird bei einer Auktion ein Angebot gerade NICHT durch das permanente Hochhalten irgendeines Gegenstandes abgegeben. Nur aus der SUBJEKTIVEN Sicht des A gab C ein Angebot ab. Bitte klärt mich auf. Danke!

Vulpes

Vulpes

22.2.2021, 11:27:40

Spezialwissen über die Umstände des Einzelfalls werden dem objektiven Beobachter mE zugerechnet. Das was ein unbeteiligter Dritter versteht wird aber mMn erst relevant, wenn der Erklärungsempfänger die WE falsch verstanden hat. Hier haben aber beide die gleiche Sprache gesprochen.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

24.2.2021, 12:19:55

Hallo MischaM, Genau wie Adrian es gesagt hat, es kommt auf die Sicht eines Objektiven Empfängers an, dabei wird Spezialwissen zugerechnet. A wusste von dem Verhalten des C und dessen rechtlicher Bedeutung. Demnach nimmt ein objektiver Empfänger mit dem Spezialwissen des A Erklärungs- und

Geschäftswille

n des C an. LG für das Jurafuchs-Team Eigentum verpflichtet

Edward Hopper

Edward Hopper

4.7.2022, 14:17:51

Es wurde gesagt dass spezial Wissen zugerechnet wird allerdings geht es auch da um Branchentypische Spezialwissen das heißt was alle in diesen bestimmten Personenkreis haben. Beispielsweise Auto-Liebhaber oder Besucher von Auktionshäusern es wird doch aber auf keinen Fall was zugerechnet was bei Absprache von zwei Personen stattgefunden hat? Deswegen ist es doch gerade Objektive Maßstab. Oder sehe ich das falsch? Bzw ist das wirklich h. M.?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

19.7.2022, 15:28:31

Hallo Edward Hooper, bei der Auslegung von Willenserklärungen kommt es auf den

objektiven Empfängerhorizont

an (§§ 133, 157 BGB). Der objektive Erklärungsempfänger ist eine Person, die über das Wissen verfügt, dass man im Rechtsverkehr erwarten kann (sog. Horizont eines verständigen Dritten,

objektiver Empfängerhorizont

). Bei der Willenserforschung sind neben dem Wortlaut und dem Zweck auch die Begleitumstände zu berücksichtigen. (BGH, 16. November 2007 – V ZR 208/06, Tz. 7 und BGH, 16. 10. 2012 – X ZR 37/12). Bei den Begleitumstände sind auch außerhalb der Erklärung liegende Umstände mit zu berücksichtigen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (sog. Begleitumstände). Für die Auslegung sind nur solche Umstände heranzuziehen, die dem Empfänger der Erklärung bekannt oder erkennbar waren (BGH 05.10.2006 - III ZR 166/05). Umstände, die dem Erklärungsempfänger nicht bekannt und auch nicht erkennbar waren, dürfen nicht berücksichtigt werden, weil sie im Inhalt der abgegebenen Erklärung keinen Ausdruck gefunden haben (BGH, 08. Juli 2007 - II ZR 232/05, Tz. 10). Ist es damit etwas klarer geworden, wieso das Wissen des A hier relevant war für die Auslegung der Willenserklärung? Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

LEAH

Lea Hübner

1.9.2023, 22:10:11

Ich habe eine Frage zu diesem Fall: In den Definitionen heißt es, dass die Kriterien für eine Willenserklärung von einem “Dritten” objektiv erkenntlich sein müssen. In diesem Fall ist die Wahrnehmung des A doch trotzdem subjektiv, weil er C schon lange kennt, oder? Es könnte schließlich keine willkürliche Person dies objektiv beurteilen.

LELEE

Leo Lee

2.9.2023, 20:06:17

Hallo lea hübner, tatsächlich kann die Definition „aus dem

objektiven Empfängerhorizont

“ für Verwirrung sorgen in diesem Fall, zumal hier der A nicht „irgendein Dritter“ ist. Beachte jedoch, dass bei sog. Empfangsbedürftigen Willenserklärungen (wie hier) immer ein Verhältnis zwischen den Beteiligten vorliegt, weshalb sich eben der Horizont in der Tat variieren kann nach dem Empfänger. Wenn hingegen ein anderer Auktionator (der C nicht kennt) die Autkion moderiert, würde der Fall selbstverständlich andersrum ausgehen. Hierzu kann ich dir die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Busche § 133 Rn. 12 ff. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo.

LAW

Law_yal_life

22.9.2023, 21:16:53

Hier wird also Spezialwissen beim objektiven Beobachter dazu gedacht? Ich dachte das darf man nicht? Ich finde dieses Beispiel sehr verwirrend.. Bitte um Aufklärung!

LELEE

Leo Lee

23.9.2023, 14:55:43

Hallo PrädikatKandidat, in der Tat kann diese Aufgabe auf den ersten Blick etwas verwirrend rüberkommen. Beachte allerdings, dass es hier um den OBJEKTIVEN Tatbestand der WE geht. Also darum, wie der Auktionator aus dem obj.

Empfängerhorizont

(§§ 133, 157, 242 BGB) die Handlung verstehen musste. Da wir hier von der Warte des Auktionators aus das ganze Geschehen betrachten, ist auch das Umstandswissen und sämtliche Vorkenntnisse ebenfalls zu berücksichtigen. Da hier der Auktionator den C schon lange kennt und weiß, dass diese bestimmte Handlung ein Angebot bedeutet, musste/durfte er auch dieses Mal von einem Angebot ausgehen (aus seiner Perspektive). Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Busche § 133 Rn. 12 sehr empfehlen :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

BI

Billy123

25.10.2024, 22:56:09

Müsste es dann nicht eigentlich nach dem Vorrang des erkannten Willens gelöst werden, und eben gerade nicht über den

objektiven Empfängerhorizont

?


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen