Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Anfechtung der Willenserklärung
Eigenschaftsirrtum – Urheberschaft als verkehrswesentliche Eigenschaft
Eigenschaftsirrtum – Urheberschaft als verkehrswesentliche Eigenschaft
22. März 2025
45 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V verkauft K auf dem Flohmarkt handschriftlich erstellte Musiknoten für €5. Zwei Wochen später stellt sich heraus, dass die Notenblätter von Wolfgang Amadeus Mozart angefertigt wurden. V verlangt die Noten sofort nach Erkennen des Irrtums von K zurück.
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Einordnung des Falls
Eigenschaftsirrtum – Urheberschaft als verkehrswesentliche Eigenschaft
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K und V haben einen Kaufvertrag über die Musiknoten zu €5 geschlossen.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. V kann sein Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrags anfechten (§§ 142 Abs. 1, 119 Abs. 2 BGB), weil der Wert einer Sache eine verkehrswesentliche Eigenschaft ist.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Da V sich über den Urheber der Noten geirrt hat, liegt ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft vor (§§ 142 Abs. 1, 119 Abs. 2 BGB).
Ja, in der Tat!
4. V hat die Anfechtung seiner Willenserklärung gerichtet auf Abschluss des Kaufvertrags innerhalb der Anfechtungsfrist erklärt (§§ 143, 121 BGB).
Ja!
5. V kann Rückübergabe und -übereignung der Noten verlangen (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).
Genau, so ist das!
6. V kann auch seine Willenserklärung gerichtet auf Übereignung der Noten anfechten (§§ 142 Abs. 1, 119 Abs. 2 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
7. V steht vorliegend unstreitig ein Anfechtungsgrund zu, da er sich über eine verkehrswesentliche Eigenschaft geirrt hat (§ 119 Abs. 2 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Jurakatze1987
9.2.2020, 23:23:37
Die letzte Frage wird meines Erachtens nicht richtig beantwortet. Es besteht
Fehleridentität. Der Irrtum über den Urheber schlägt sich auf das Verfügungsgeschäft nieder

Marilena
2.3.2020, 16:16:35
Danke für Deinen Kommentar. Wie würdest Du denn das Durchschlagen hier begründen?
Tr(u)mpeltier
21.3.2020, 17:34:34
@jurakatze1987, ich würde sagen, dass die Antwort wie sie bisher gegeben wurde richtig ist. Denn die Frage des Urhebers hat mE nach keine unlittelbare Auswirkung auf das Verfügungsgeschäft. Denn der Verkäufer hätte bei entsprechender Kenntnis die Noten zwar sicher nicht für 5€ verkauft, hätte der Käufer 500.000€ geboten, hätte er sie aber sicher verkauft und auch übereignet. Die fehlende Kenntnis wirkt sich insoweit letztlich nur auf das
Verpflichtungsgeschäftund die hier vereinbarte Gegenleistung aus, nicht dagegen auf das Verfügungsgeschäft. In Klausuren würde ich grds dazu raten, sehr sparsam mit dem Instrument der Fehler Identität umzugehen, da man sich sonst schnell den Vorwurf einfängt, man habe das Trennungs- und Abstraktionprinzip nicht beachtet.

Jurakatze1987
21.3.2020, 17:50:37
Danke für den Tipp. In einem Fall, den wir im Examenskurs in der Uni besprochen haben, gab es verschiedene Varianten von dem Musiknotenfall. Da bestand aber, so viel ich noch weiß,
Fehleridentität

Jurakatze1987
21.3.2020, 18:22:29
Weil es sich um einen Eigebschaftsirrtum handelt. Es gibt einige Meinungen, die vertreten, dass eine Fehlvorstellung über Sacheigenschaften als Motiv für das
Verpflichtungsgeschäftund für das Verfügungsgeschäft von Bedeutung ist

Jurakatze1987
21.3.2020, 18:34:07
Das ist aber umstritten, von daher. Meine Ansicht geht anscheinend auf die Uno - acto Rechtsprechung zurück. Die wird von einer Mindermeinung vertreten. In dem Fall ist das umstritten sein aber gar nicht dargestellt.
Alex1.Sem
4.4.2020, 03:39:01
Als Lösungsvorschlag: durch die Anfechtung aufgrund der
Fehleridentitätgreift dies auch auf die
dingliche Einigungund die
Übereignungsofferte ist nichtig. Kein Eigentumsverlust und dadurch auch einen
Herausgabeanspruchaus Paragraph 985 BGB. Besitzer ist K und er hat kein
Recht zum Besitz, denn auch der Kaufvertrag wurde wirksam angeglichen und ex tunc nichtig. Gleichzeitig auch einen Anspruch nach Paragraph 812 I 1 Alt. 1 BGB

Daniel G
4.4.2020, 10:49:24
Auf der anderen Seite könnte man aber nach 133, 157 auslegen. Dabei ist zu beachten, dass die WE's auf dem Flohmarkt abgegeben werden, was für Risikogeschäfte spricht, aber man bringt dorthin auch nur Sachen, die man eh verkaufen will. Auf
schuldrechtlicher Ebene ist der Irrtum über die Eigenschaft beachtlich. Trotzdem hat er kein Interesse (wegen des Irrtums) , den Schrieb zu behalten, (zb erbstück und er hätte bei richtiger Kenntnis nie verkaufen wollen) der Preis wäre nur angepasst worden.
Übereignungsbereit ist er meines Erachtens trotz Irrtum, nur zum angemessenen Preis. Darin liegt meiner Ansicht nach aber nicht die enge Verknüpfung/Kausalität die bei der
Fehleridentitätgefordert wird.
Stefan Thomas Neuhöfer
4.4.2020, 14:23:37
Hi, vielen Dank für die Kommentare. Im Grundsatz gilt Folgendes: Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft setzen sich jeweils aus eigenständigen Willenserklärungen (jeweils Angebot und Annahme, §§ 145,
147 BGB) zusammen. Die Wirkungen beider Geschäfte treten unabhängig voneinander ein (
Abstraktionsprinzip). Inhalt der Willenserklärungen beim dinglichen (Verfüfungs-)Geschäft (§ 929 Abs. 1 BGB) ist grundsätzlich "Dies hier von mir zu dir". Die bloße Anfechtbarkeit des
Verpflichtungsgeschäfts hat aber nach (zumindest nach h.M.) weder die Nichtigkeit noch die Anfechtbarkeit des Verfügungsgeschäfts zur Folge. Eine
Fehleridentität, wenn also der gleiche Fehler die Willenserklärung beim Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft betrifft (mit der Folge der Nichtigkeit bzw. Anfechtbarkeit beide
Stefan Thomas Neuhöfer
4.4.2020, 14:24:12
bzw. Anfechtbarkeit beider Willenserklärungen) ist ein absoluter Ausnahmefall. Fälle der
Fehleridentitätsind bspw. die Geschäftsunfähigkeit (Rechtsfolge ist dann die Nichtigkeit beider Geschäfte) oder die Anfechtbarkeit wegen arglistiger
Drohung(Rechtsfolge dann die Anfechtbarkeit beider Geschäfte). Vorliegend besteht aber kein Grund, die Fehlvorstellung über die
verkehrswesentliche Eigenschaft(Komponist der Noten ist Mozart) auch auf das dingliche Geschäft zu beziehen. Für das "dies hier von mir zu dir" liegt ja gerade kein Irrtum vor, es ging um die körperlichen Noten, deren Eigentum übertragen werden soll.
Stefan Thomas Neuhöfer
4.4.2020, 14:24:28
Die Berücksichtigung der Umstände des Geschäftes (Abschluss auf dem Flohmarkt) kann nur beim
Verpflichtungsgeschäfteine Rolle spielen. Ich hoffe, damit die Frage beantwortet zu haben. viele Grüße Für das Jurafuchs-Team - Stefan
QuiGonTim
1.3.2022, 18:56:08
Ich bin hier schon beim bloßen Irrtum rausgeflogen. Es steckt zwar etwas Sachverhaltsinterpretation dahinter. Doch V bot offenbar einfach nur “handschriftlich erstellte Musiknoten” an. Die Urheberschaft war von seiner Erklärung also gar nicht umfasst. Der Irrtum muss bei Abgabe der Erklärung vorliegen. Die
Konkretisierungder Urheberschaft als
verkehrswesentliche Eigenschafttrat jedoch erst nach Angabe der Erklärung für V hinzu. Er wollte subjektiv Notenblätter, die von irgendeinem Menschen erstellt wurden, verkaufen. Genau dies erklärte er auch objektiv. Ein Irrtum lag mithin nicht vor.

Lukas_Mengestu
2.3.2022, 11:29:48
Hallo QuiGonTim, im Hinblick auf die Gesamtumstände des Verkaufes ist die Erklärung des V dahingehend zu verstehen, dass er hier die handschriftlichen Notenblätter eines "unbedeutenden/unbekannten" Menschen verkaufen wollte. Da sie von Mozart stammen, liegt insoweit ein relevanter
Eigenschaftsirrtumvor, der hier zur Anfechtung berechtigt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Trallaballahopsasa
15.1.2023, 19:50:12
Hallo, noch eine Frage dazu. Ich habe es so verstanden, dass der V hier nicht zur Anfechtung berechtig war, weil es sich um einen Flohmarktverkauf und somit um ein Risikogeschäft gehandelt hat. Jetzt heiß es, dass er doch berechtig war. Was ist nun vertretbar?
hannabuma
22.11.2024, 16:19:24
@[Trallaballahopsasa](154520) soweit ich die Erklärungstexte richtig verstehe sind beide Ansichten vertretbar :)

Daseinsvorsorger
4.11.2022, 01:10:58
Nach der uno-actu-Rechtsprechung könnte man aufgrund des zeitlichen Zusammenfallens von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft hier
Fehleridentitätannehmen und den V auch die WE auf
Übereignunganfechten lassen. Das verstößt zwar gegen das
Trennungsprinzipund ist deswegen abzulehnen, zumindest ein entsprechender Hinweiskasten würde (bspw. mit Blick auf die mündliche Prüfung) die Aufgabe mMn aufwerten.

Foxxy
31.8.2024, 10:32:33
Hallo Der Sozialstaat ist Aufgabe der Verwaltung, vielen Dank für Deinen Vorschlag! Wir haben ihn notiert und werden in einer der nächsten Redaktionssitzungen prüfen, inwiefern wir hierzu unsere Lerninhalte entsprechend anpassen bzw. noch weitere Aufgaben mit aufnehmen können. Beste Grüße, Foxxy, für das Jurafuchs-Team
sinaaaa
11.1.2023, 14:21:42
Warum liegt hier kein
Eigenschaftsirrtumvor? Da es sich um die Noten von Mozart handelt liegt doch eine
verkehrswesentliche Eigenschaftvor

Sambajamba10
25.1.2023, 10:04:45
Es gibt zwei Auffassungen, die beide von Jurafuchs dargestellt werden. Dass kein
Eigenschaftsirrtumvorliegt, hat niemand behauptet.
AdamFFM
10.4.2023, 11:43:47
Da beide Parteien (aus dem SV ergibt sich nichts gegenteiliges) einem
Eigenschaftsirrtumunterlagen, wäre es nicht möglich, den Fall über den
313 BGBzu lösen? Beide Parteien nahmen zur Grundlage des Geschäfts an, es handle sich um „wertlose“ Notenhefte. Hätte das V gewusst, hätte er den Vertrag nicht zu 5€ geschlossen. Es ist auch, meines Erachtens, für V unzumutbar, am KV festzuhalten. Folglich müsste dem V eine Vertragsanpassung oder ein
Rücktrittsrecht zustehen.
hannabuma
22.11.2024, 17:34:26
Guter Punkt, anscheinend ist
§ 313 BGBhier sogar vorrangig: „Im Verhältnis zum Anfechtungsrecht ergibt sich ein Konkurrenzproblem v.a. zwischen den §§ 313 und 119 Abs. 2 BGB. Liegt ein einseitiger Irrtum vor, so verdrängt § 119 Abs. 2 BGB als Spezialregelung
§ 313 BGB. Bei einem
Doppelirrtumspricht sich die h.M. demgegenüber für einen Vorrang des
§ 313 BGBmit der Begründung aus, dass die Anfechtungsregeln zu unbilligen Ergebnissen führen könnten, weil es auf Zufall beruhe, wer anfechte und sich damit gemäß §
122 BGBersatzpflichtig macht.“ (https://www.alpmann-schmidt.de/downloads/entscheidung_monat_202203.pdf)
Flohm
15.8.2023, 11:23:53
Wieso ist eine Anfechtung überhaupt noch möglich? Die Noten wurden doch schon übergeben. Ich dachte nach Übergabe ist keine Anfechtung mehr möglich ?
Matteo10
19.10.2023, 11:21:00
Die Übergabe hat mit der Anfechtbarkeit eines
Rechtsgeschäfts nichts zu tun. Die Übergabe ist das dingliche Geschäft, welches auf das
Verpflichtungsgeschäft(hier KV) folgt. (Trennungs und
Abstraktionsprinzip) Natürlich wird durch die Anfechtung die Übergabe nicht automatisch rückgängig gemacht; dafür existiert dann das
Bereicherungsrecht:)
Doris Eventualis
31.1.2024, 09:54:51
Ich glaube das stimmt so nicht Matteo10. Bei dem
Eigenschaftsirrtumnach §119 II wird bei Übergabe die Anfechtung gesperrt durch den Vorrang der Mängelwährleistung. Grund dafür ist der in den §§ 434 ff. BGB verankerte zentrale Gedanke des Rechts zur zweiten
Andienung. Dieses soll nicht durch Anfechtung umgangen werden. Bei Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bleibt hingegen die Anfechtung möglich weil der Vertragspartner nicht schutzwürdig ist. Bei den anderen Anfechtungsgründen bin ich mir nichts sicher…da glaube ich aber dass eine Anfechtung trotz Übergabe möglich ist. Da würde ich mich freuen, wenn jemand Licht ins Dunkel bringt :)
Doris Eventualis
31.1.2024, 10:09:32
Ich kann meinen Kommentar leider nicht löschen aber habe eben bemerkt nach eine weiteren Recherche dass andere doch am Vorliegen eines Sachmangels statt lediglich nur an der Übergabe anknüpfen wenn es um den Ausschluss der Anfechtung geht. In anderen Forumsbeiträgen hier würde aber auch von einer Sperrung der Anfechtung bei Übergabe gesprochen. Resultat ist nun, dass ich maximal verwirrt bin :D
Antonia
4.9.2024, 20:28:39
@[Doris Eventualis ](171185) Wenn das Gewährleistungsrecht anwendbar ist (d.h. Sachmangel liegt vor UND es ist zur Übergabe gekommen) ist die Anfechtung nach § 119 II Var.2 (
Eigenschaftsirrtum) ausgeschlossen. Alle anderen Irrtümer (§ 119 I, 119 II Var.1, 120, 123) sind neben dem Gewährleistungsrecht weiterhin anwendbar. Wenn also bereits gar kein Mangel vorliegt oder aber ein Mangel vorliegt, es aber noch nicht zur Übergabe gekommen ist, ist das Mängelgewährleistungsrecht NICHT anwendbar, mit der Folge, dass die Anfechtung wegen
Eigenschaftsirrtums zulässig ist. Ich hoffe ich konnte dir damit weiterhelfen😊

Sebastian Schmitt
6.9.2024, 17:11:59
Hallo @[Flohm](210957), @Antonia hat es hier im Kern schon sehr schön dargestellt, von mir daher nur noch einige Ergänzungen. Zum Verhältnis zwischen Anfechtungsrecht und Sachmängelgewährleistungsrecht muss man sich im Grundsatz eigtl nur merken, dass die ausdifferenzierten §§ 434 ff BGB nicht durch die im Vergleich eher "plumpen" Anfechtungsregeln umgangen werden sollen. Das droht vor allem im Fall des
Eigenschaftsirrtums nach § 119 II, 2. Var BGB, nicht dagegen zB im Fall einer arglistigen Täuschung. Denn wer täuscht ist 1. sowieso nicht schutzwürdig, 2. umgehen wir mit einer Anfechtung nicht die Sachmängelgewährleistungsvorschriften, weil sie den Fall einer Täuschung gerade nicht abdecken (sollen). Weil es um dieses Verhältnis §§ 119 ff BGB - §§ 434 ff BGB geht, entscheidet grds auch die Anwendbarkeit der §§ 434 ff BGB über den entscheidenden und abgrenzenden Zeitpunkt, nämlich die Übergabe. Lit und Rspr sind hier insgesamt sehr ausdifferenziert. Besonderheiten können sich beispielsweise daraus ergeben, dass der VERkäufer anfechten will oder dass wir zwar im Zeitpunkt VOR der Übergabe sind, aber die Parteien die Gewährleistungsrechte ausgeschlossen haben (dann muss nach Meinung vieler dennoch eine Anfechtbarkeit wegen
Eigenschaftsirrtums ausscheiden). Das aber nur der Vollständigkeit halber, das sind eher Detailfragen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

Artimes
18.4.2024, 16:53:16
Warum ist Sache i.S.d. § 119 II BGB nicht wie § 90 BGB zu verstehen, sondern erfasst alle Rechtsobjekte?

Gruttmann
19.4.2024, 00:10:54
Die meinen schon die Sache aus §90 BGB, jedoch geht es um die
verkehrswesentlichen Eigenschaften einer Sache. Und über diese Eigenschaften kann man sich dann irren.

Artimes
19.4.2024, 10:28:53
@[Gruttmann ](218432)Im AS-Skript steht dazu: „Sachen i.S.d. 119 Abs. 2 Var. 2 BGB sind aber auch nichtkörperliche Gegenstände.“ Deswegen hatte ich mir gemerkt, dass Sachen i.d.S alle Rechtsobjekte (= a. körperliche Gegenstände, also Sachen und b. nicht körperliche Gegenstände, also Rechte sind). Meine Frage war auf die Begründung gerichtet, wie man zu dieser Auslegung gelangt.

Gruttmann
19.4.2024, 10:53:35
@[Artimes](3106) Stimmt! Ich lag falsch, Du hast recht. Der Sachbegriff in 119 Abs.2 BGB ist tatsächlich weiter als der in 90 BGB. Wieso das so ist, konnte ich jetzt in der Kürze nicht herausfinden.

Nora Mommsen
19.4.2024, 11:32:41
Hallo ihr beiden, gut gesehen Artimes! Dies lässt sich begründen mit dem Telos der Anfechtung wegen
Eigenschaftsirrtums. Dies berechtigt den Erklärenden zur Loslösung vom Vertrag wegen eines Irrtums über den Vertragsgegenstand, der - wie euch bekannt ist - vielerlei Formen annehmen kann. Es wäre sozusagen eine nicht zu rechtfertigende Benachteiligung einiger Vertragstypen, wenn der
Eigenschaftsirrtumauf Sachen i.S.d. § 90 BGB beschränkt wäre. (Auch wenn dies zu Beginn seiner Existenz vom Reichsgericht noch so vertreten wurde. Diese Ansicht ist aber bereits zu Zeiten des RG aufgegeben worden.) Der Begriff der Sache erfasst daher nicht allein körperliche Gegenstände, sondern (ebenso wie beim Rechtskauf nach § 453) jeden Geschäftsgegenstand, also auch unkörperliche Gegenstände wie das Unternehmen, eine Erbschaft oder eine Forderung. Das Anfechtungsrecht des Abs. 2 besteht auch dann, wenn sich der Irrtum auf wesentliche Eigenschaften des Vertragsverhältnisses insgesamt bezieht. Zu den Eigenschaften einer Sache zählt nach der Formel der Rspr. nicht nur ihre natürliche
Beschaffenheit, sondern erfasst werden auch solche tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die infolge ihrer
Beschaffenheitund Dauer die Brauchbarkeit und den Wert beeinflussen. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Artimes
20.4.2024, 13:48:33
@[Nora Mommsen](178057) Merci!

Juraganter
22.7.2024, 00:08:43
"Später stellt sich heraus, dass die Notenblätter von Wolfgang Amadeus Mozart angefertigt wurden. V verlangt die Noten sofort nach Erkennen des Irrtums von K zurück." Wann ist "später"? Um die Frage, ob die Anfechtung fristgemäß erfolgte, wirklich korrekt beantworten zu können, müsste man das ja schon wissen. Sie ist ja dann ausgeschlossen, wenn bereits zehn Jahre seit Abgabe der Willenserklärung vergangen sind ...

Linne_Karlotta_
24.7.2024, 17:10:05
Hallo @[Juraganter](224241), da hast Du völlig Recht. Ich habe die Aufgabe jetzt präzisiert, damit keine Fragen mehr offen bleiben. :) Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team
Aioo
15.9.2024, 11:29:01
Nach der Definition sind doch
verkehrswesentliche Eigenschafteneiner Sache, die u.a. von der Verkehrsauffassung als
wertbildende Faktorengewertet werden. Demnach stellen Musiknoten von Mozart doch einen
verkehrswesentlichen Faktor dar, der den Wert der Sache -hier der Musiknoten- erhöhen. Warum stellt dies nun doch keinen
Eigenschaftsirrtumdar?

Tobias Krapp
17.9.2024, 22:49:04
Hallo @[Aioo](263409), deine Argumentation ist vollkommen richtig und daher folgt der Fall ihr auch genau so! V kann seine Willenserklärung, die er für den Abschluss des Kaufvertrags abgegeben hat, wegen
Eigenschaftsirrtumanfechten, vgl. hierzu Frage 3 und 4 in der Aufgabe. Falls dich die letzte Frage hier verwirrt hat: Bei dieser geht es nicht um die Frage, ob V seine Willenserklärung im Rahmen des Kaufvertrags anfechten kann, sondern ob er seine Einigungserklärung (im Rahmen der
Übereignung) anfechten kann. Diese
Rechtsgeschäfte sind zu trennen (
Trennungsprinzip), das
Verpflichtungsgeschäftund das Verfügungsgeschäft können unabhängig voneinander wirksam sein (
Abstraktionsprinzip). Es ist also zu fragen, ob V gerade bei der dinglichen Einigungserklärung einem
Eigenschaftsirrtumunterlag. Die wohl hM verneint dies mit dem Argument, dass die Einigungserklärung sich darin erschöpft, die Verpflichtung aus dem Kaufvertrag zu erfüllen. Die Einigung ist damit an sich wertneutral. Eine aA bejaht dagegen bei einer gemeinsamen Fehlerquelle die Anfechtbarkeit auch des dinglichen
Rechtsgeschäfts mit dem Argument, dass die Fehlvorstellung auch bei der Abgabe der dinglichen Eiinigungserklärung mitbestimmend (kausal) war. Dem setzt die wohl hM entgegen, dass Vorstellungen und Abreden aus dem zugrundeliegenden
Verpflichtungsgeschäftwegen des Trennungs- und
Abstraktionsprinzips nicht auf die Einigung übertragen werden dürfen. Es liege insoweit nur eine "mittelbare" Kausalität vor. Vergleiche hierzu, auch zu den Unterschieden zu §
123 BGB, auch hier: https://applink.jurafuchs.de/M2U59YyrYMb. Letzters habe ich jetzt auch noch als Vertiefungshinweis in den Fall aufgenommen. Ich hoffe, damit ist es klarer geworden! Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias
Stella2244
23.1.2025, 17:54:37
Warum ist die Anfechtung hier wegen
Eigenschaftsirrtumnicht wegen des kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht ausgeschlossen? Die Übergabe hat ja stattgefunden
Paul Hendewerk
4.2.2025, 13:11:29
@[Stella2244](227540) Das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht (§§ 434 ff. BGB) verdrängt in seinem Anwendungsbereich die Anfechtung wegen
Eigenschaftsirrtums nach § 119 II BGB. Das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht ist nach § 437 BGB anwendbar, wenn die Sache mangelhaft ist. Jedoch vermittelt das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht nur dem Käufer Rechte und Ansprüche, nicht dagegen dem Verkäufer. Daher sperrt das anwendbare kaufrechtliche Gewährleistungsrecht grundsätzlich auch nur die Anfechtung wegen
Eigenschaftsirrtums durch den Käufer. Etwas anderes gilt nach h. M. nur dann, wenn sich der Verkäufer durch die Anfechtung seiner Gewährleistungshaftung entziehen will. Hier ist die Sache weder mangelhaft noch handelt es sich bei V um den Käufer. Deswegen ist die Anfechtung nicht ausgeschlossen.