Zwangsvollstreckung bei der GbR

20. Mai 2025

18 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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inkl. MoPeG

Die Schwestern S1 und S2 betreiben die Autoreparatur-GbR und kaufen bei V eine neue Hebebühne. Trotz mehrmaliger Aufforderungen zahlt weder die GbR noch zahlen die S1 und S2. V will seine Forderung durchsetzen.

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Einordnung des Falls

Zwangsvollstreckung bei der GbR

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Klage gegen die Autoreparatur-GbR ist zulässig und begründet.

Ja!

Die Zulässigkeit einer Klage gegen eine GbR setzt die Partei- und Prozessfähigkeit der GbR voraus. Aus der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR folgt, dass die GbR selbst unter ihrem Namen verklagt werden kann (Parteifähigkeit, § 50 ZPO). Eine GbR wird durch die Gesellschafter gerichtlich und außergerichtlich vertreten, denen die Geschäftsführungsbefugnis zusteht, soweit der Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Regelungen enthält (§ 714 BGB). Die GbR ist daher – vertreten durch ihre Gesellschafter – prozessfähig (§ 51 Abs. 1 ZPO iVm § 720 Abs. 1 BGB). Die Klage gegen die partei- und prozessfähige GbR ist zulässig. Da der Kaufpreisanspruch besteht und bisher nicht erfüllt wurde, ist sie auch begründet.
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2. Ein rechtskräftiges Urteil gegen die GbR stellt einen Titel dar, mit dem in das Gesellschaftsvermögen vollstreckt werden kann.

Genau, so ist das!

Die Zwangsvollstreckung findet statt aus Endurteilen, die rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind (§ 704 ZPO, Titel). Ein rechtskräftiges Urteil gegen eine GbR stellt einen solchen Titel dar, wie auch § 722 Abs. 1 BGB klarstellt. Einer Klage gegen die einzelnen Gesellschafter bedarf es nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR daher nicht mehr. Anders war es vor dem MoPeG. Vor dem 01.01.2024 war nach § 736 ZPO a.F. noch eine Klage gegen die einzelnen Gesellschafter erforderlich.

3. Mit dem Titel gegen die GbR kann auch in das Vermögen der nach § 721 S. 1 BGB persönlich haftenden Gesellschafter S1 und S2 vollstreckt werden.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Titel gegen die Gesellschaft eröffnet nur den Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen. Aus einem gegen die Gesellschaft gerichteten vollstreckbaren Titel kann hingegen nicht in das Vermögen der Gesellschafter vollstreckt werden (§ 722 Abs. 2 BGB). V kann mit dem Titel nicht in das Vermögen von S1 und S2 vollstrecken, sondern benötigt einen eigenen Titel gegen die Gesellschafter.MoPeG-Änderung (ab 1.1.2024): Der Ausschluss der Zwangsvollstreckung wurde durch das MoPeG für die GbR neu geregelt (§ 722 Abs. 2 BGB). Bislang wurde § 129 Abs. 4 HGB a.F. (nunmehr § 129 Abs. 2 HGB n.F.) analog angewandt.

4. V kann im selben Prozess auch gegen S1 und S2 klagen.

Ja!

Mehrere Personen können bzw. müssen in einem Prozess zusammen verklagt werden, wenn sie einfache oder notwendige Streitgenossen sind (§§ 59ff. ZPO, auch subjektive Klagehäufung genannt). Gesellschaft und Gesellschafter sind einfache Streitgenossen, weil sie in Rechtsgemeinschaft stehen (§ 59 Fall 1 ZPO). Einfache Streitgenossenschaft bedeutet im Unterschied zur notwendigen Streitgenossenschaft (§ 62 ZPO), dass die Parteien zusammen verklagt werden können, aber nicht müssen. Nach dem BGH stellt zudem jede subjektive Klagehäufung auch eine objektive Klagehäufung dar (§ 260 ZPO). V kann gegen die GbR und S1 sowie S2 zusammen als Streitgenossen klagen und so sowohl Titel gegen die GbR als auch gegen ihre Gesellschafter erwirken. Damit kann V dann in das Gesellschaftsvermögen und das Privatvermögen der Gesellschafter vollstrecken.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JAEL

Jael

12.7.2022, 18:51:08

Wow, genial was für eine Breite an Zivilrecht hier zeitgleich abgefragt wird. Mega gut fürs Vernetzen im Kopf! Fun Fact zum "Fall" - die Queen ist ausgebildete Automechanikerin :)

Denislav Tersiski

Denislav Tersiski

3.3.2024, 08:35:52

Ich dachte, dass Personengesellschaften gerade nicht prozessfähig sind (nicht in der Lage, in eigener Person Prozesshandlungen vorzunehmen) und deswegen auf eine Vertretung durch ihre gesetzlichen Vertreter angewiesen sind.

LELEE

Leo Lee

4.3.2024, 07:29:37

Hallo Denislav Tersiski, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat könnte man meinen, Personengesellschaften seien nicht prozessfähig aufgrund des „Personenbezugs“. Beachte allerdings, dass die Prozessfähigkeit sich gem. 50 I ZPO nach der Rechtsfähigkeit (mat. Recht) richtet. Und allgemein ist anerkannt, dass Personengesellschaften (und bis zum MoPeG die Außen-GbR) rechtsfähig sind! OHG/KG aufgrund 124 I, 161 II und GbR (vor MoPeG) aufgrund BGH-Rechtsprechung (und gesetzgeberischen Willens aus den Motiven zum BGB)! Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-ZPO 6. Auflage, Lindacher/Hau § 50 Rn. 25 f. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Dua

Dua

26.8.2024, 02:21:43

@[Leo Lee](213375) Das passt glaube ich nicht so ganz. Par. 50 ZPO regelt die Partei-, nicht die Prozessfähigkeit. Die Parteifähigkeit richtet sich tatsächlich nach der Rechtsfähigkeit, ist also bei der GbR gegeben. Anders die Prozessfähigkeit, die in Par. 51 I ZPO geregelt ist (und sinngemäß an die Geschäftsfähigleit anknüpft). Die GbR kann selbst nicht vor Gericht stehen und muss sich vertreten lassen. Die Prozessfähigkeit richtet sich hier nach Par. 51 I ZPO iVm Par. 720 BGB. Damit liegt sie bei den Gesellschaftern, nicht bei der GbR.

WY

Wysiati

18.9.2024, 10:30:02

@[Leo Lee](213375) Ich stimme zu, dass die Prozessfähigkeit nicht aus der Rechtsfähigkeit hervorgeht. Es sollte wohl eher an die Geschäftsfähigkeit angeknüpft werden, § 52 ZPO. Nach Bendtsen Saenger, Zivilprozessordnung 10. Auflage 2023 Rn. 1-7 ist die juristische Person auch nicht prozessfähig. Ich hatte zwar zuerst den Gedanken, dass die GbR ja eine eigenständige Rechtspersönlichkeit ist und zwar vertreten werden muss, aber dennoch prozessfähig ist. Im Sinne von „fähig an einem Prozess teilzunehmen“. Benutzt man aber die Definition, dass Prozessfähigkeit die Fähigkeit ist, Prozesshandlungen vorzunehmen und so einen Prozess zu führen, dann fällt die GbR nicht darunter. Schließlich muss sie nach ihrer Natur wie jede jur. Person vertreten werden. Damit ist die GbR nicht prozessfähig, kann aber, was wohl die treffendere Formulierung wäre, korrekt vertreten an einem Prozess teilnehmen. Gerne Anmerkungen falls ich etwas falsch verstanden habe.

JULE

Jule

6.5.2025, 14:09:14

wie würden die Anträge lauten? Da die Gesellschaft einerseits und die Gesellschafter andererseits ja keine Gesamt

schuld

ner sind, kann ich doch auch nicht beantragen, sie als Gesamt

schuld

ner zu verurteilen. Andererseits muss ja zum Ausdruck gebracht werden, dass die Leistung nur einmal gefordert werden kann.

PK

P K

6.5.2025, 23:50:04

Man könnte wahrscheinlich trotzdem "als Gesamt

schuld

ner" schreiben. Damit wird zum einen zum Ausdruck gebracht, dass die Leistung insgesamt nur einmal begehrt wird und man hätte wahrscheinlich auch keine (Teil-)Klageabweisung, weil die Verneinung einer Gesamt

schuld

zwischen Gesellschaft und Gesellschafter ja nur auf der fehlenden Gleichstufigkeit beruht, die aber im Außenverhältnis irrelevant ist. Wenn man ganz genau ist, könnte man vielleicht bzgl. der Gesellschaft schreiben, dass diese "wie eine Gesamt

schuld

nerin" verurteilt wird, ... an ... zu zahlen.


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