Zwangsvollstreckung bei der GbR

3. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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inkl. MoPeG

Die Schwestern S1 und S2 betreiben die Autoreparatur-GbR und kaufen bei V eine neue Hebebühne. Trotz mehrmaligen Aufforderungen zahlt weder die GbR noch zahlen die S1 und S2. V will seine Forderung durchsetzen.

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Einordnung des Falls

Zwangsvollstreckung bei der GbR

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Klage gegen die Autoreparatur-GbR ist zulässig und begründet.

Ja!

Die Zulässigkeit einer Klage gegen eine GbR setzt die partei- und prozessfähigkeit der GbR voraus. Aus der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR folgt, dass die GbR selbst unter ihrem Namen verklagt werden kann (Parteifähigkeit, § 50 ZPO). Eine GbR wird durch die Gesellschafter gerichtlich und außergerichtlich vertreten, denen die Geschäftsführungsbefugnis zusteht, soweit der Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Regelungen enthält (§ 714 BGB). Die GbR ist daher – vertreten durch ihre Gesellschafter – prozessfähig (§ 51 Abs. 1 ZPO iVm § 720 Abs. 1 BGB). Die Klage gegen die partei- und prozessfähige GbR ist zulässig. Da der Kaufpreisanspruch besteht und bisher nicht erfüllt wurde, ist sie auch begründet.
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2. Ein rechtskräftiges Urteil gegen die GbR stellt einen Titel dar, mit dem in das Gesellschaftsvermögen vollstreckt werden kann.

Genau, so ist das!

Die Zwangsvollstreckung findet statt aus Endurteilen, die rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind (§ 704 ZPO, Titel). Ein rechtskräftiges Urteil gegen eine GbR stellt einen solchen Titel dar. Einer Klage gegen die einzelnen Gesellschafter bedarf es nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR daher entgegen dem Wortlaut des § 736 ZPO nicht mehr notwendig.

3. Mit dem Titel gegen die GbR kann auch in das Vermögen der nach § 721 S. 1 BGB persönlich haftenden Gesellschafter S1 und S2 vollstreckt werden.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Titel gegen die Gesellschaft eröffnet nur den Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen. Aus einem gegen die Gesellschaft gerichteten vollstreckbaren Titel kann hingegen nicht in das Vermögen der Gesellschafter vollstreckt werden (§ 722 Abs. 2 BGB). Umgekehrt kann mit einem Titel gegen sämtliche Gesellschafter aber in das Gesellschaftsvermögen vollstreckt werden (§ 736 ZPO). V kann mit dem Titel nicht in das Vermögen von S1 und S2 vollstrecken, sondern benötigt einen eigenen Titel gegen die Gesellschafter.MoPeG-Änderung (ab 1.1.2024): Der Ausschluss der Zwangsvollstreckung wurde durch das MoPeG für die GbR neu geregelt (§ 722 Abs. 2 BGB). Bislang wurde § 129 Abs. 4 HGB a.F. (nunmehr § 129 Abs. 2 HGB n.F.) analog angewandt.

4. V kann im selben Prozess auch gegen S1 und S2 klagen.

Ja!

Mehrere Personen können bzw. müssen in einem Prozess zusammen verklagt werden, wenn sie einfache oder notwendige Streitgenossen sind (§§ 59ff. ZPO, auch subjektive Klagehäufung genannt). Gesellschaft und Gesellschafter sind einfache Streitgenossen, weil sie in Rechtsgemeinschaft stehen (§ 59 Fall 1 ZPO). Einfache Streitgenossenschaft bedeutet im Unterschied zur notwendigen Streitgenossenschaft (§ 62 ZPO), dass die Parteien zusammen verklagt werden können, aber nicht müssen. Nach dem BGH stellt zudem jede subjektive Klagehäufung auch eine objektive Klagehäufung dar (§ 260 ZPO). V kann gegen die GbR und S1 sowie S2 zusammen als Streitgenossen klagen und so sowohl Titel gegen die GbR als auch gegen ihre Gesellschafter erwirken. Damit kann V dann in das Gesellschaftsvermögen und das Privatvermögen der Gesellschafter vollstrecken.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JAEL

Jael

12.7.2022, 18:51:08

Wow, genial was für eine Breite an Zivilrecht hier zeitgleich abgefragt wird. Mega gut fürs Vernetzen im Kopf! Fun Fact zum "Fall" - die Queen ist ausgebildete Automechanikerin :)

Denislav Tersiski

Denislav Tersiski

3.3.2024, 08:35:52

Ich dachte, dass Personengesellschaften gerade nicht

prozessfähig

sind (nicht in der Lage, in eigener Person Prozesshandlungen vorzunehmen) und deswegen auf eine Vertretung durch ihre gesetzlichen Vertreter angewiesen sind.

LELEE

Leo Lee

4.3.2024, 07:29:37

Hallo Denislav Tersiski, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat könnte man meinen, Personengesellschaften seien nicht

prozessfähig

aufgrund des „Personenbezugs“. Beachte allerdings, dass die

Prozessfähigkeit

sich gem. 50 I ZPO nach der Rechtsfähigkeit (mat. Recht) richtet. Und allgemein ist anerkannt, dass Personengesellschaften (und bis zum MoPeG die Außen-GbR) rechtsfähig sind! OHG/KG aufgrund 124 I, 161 II und GbR (vor MoPeG) aufgrund BGH-Rechtsprechung (und gesetzgeberischen Willens aus den Motiven zum BGB)! Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-ZPO 6. Auflage, Lindacher/Hau § 50 Rn. 25 f. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Dua

Dua

26.8.2024, 02:21:43

@[Leo Lee](213375) Das passt glaube ich nicht so ganz. Par. 50 ZPO regelt die Partei-, nicht die

Prozessfähigkeit

. Die

Parteifähigkeit

richtet sich tatsächlich nach der Rechtsfähigkeit, ist also bei der GbR gegeben. Anders die

Prozessfähigkeit

, die in Par. 51 I ZPO geregelt ist (und sinngemäß an die Geschäftsfähigleit anknüpft). Die GbR kann selbst nicht vor Gericht stehen und muss sich vertreten lassen. Die

Prozessfähigkeit

richtet sich hier nach Par. 51 I ZPO iVm Par. 720 BGB. Damit liegt sie bei den Gesellschaftern, nicht bei der GbR.

WY

Wysiati

18.9.2024, 10:30:02

@[Leo Lee](213375) Ich stimme zu, dass die

Prozessfähigkeit

nicht aus der Rechtsfähigkeit hervorgeht. Es sollte wohl eher an die Geschäftsfähigkeit angeknüpft werden, § 52 ZPO. Nach Bendtsen Saenger, Zivilprozessordnung 10. Auflage 2023 Rn. 1-7 ist die juristische Person auch nicht

prozessfähig

. Ich hatte zwar zuerst den Gedanken, dass die GbR ja eine eigenständige Rechtspersönlichkeit ist und zwar vertreten werden muss, aber dennoch

prozessfähig

ist. Im Sinne von „fähig an einem Prozess teilzunehmen“. Benutzt man aber die Definition, dass

Prozessfähigkeit

die Fähigkeit ist, Prozesshandlungen vorzunehmen und so einen Prozess zu führen, dann fällt die GbR nicht darunter. Schließlich muss sie nach ihrer Natur wie jede jur. Person vertreten werden. Damit ist die GbR nicht

prozessfähig

, kann aber, was wohl die treffendere Formulierung wäre, korrekt vertreten an einem Prozess teilnehmen. Gerne Anmerkungen falls ich etwas falsch verstanden habe.

Steinfan

Steinfan

25.3.2024, 21:52:08

§ 736 ZPO aF müsste hier inhaltlich noch an § 736 ZPO nF angepasst werden. LG

LELEE

Leo Lee

29.3.2024, 01:26:51

Hallo Steinfan, vielen Dank für dein Feedback! In der Tat ist die Redaktion gerade dabei, die Änderungen durch das MoPeG entsprechend bei den Aufgaben zu reflektieren. Wir würden dich jedoch insofern um Verständnis bitten, als es etwas Zeit beansprucht, die entsprechenden Aufgaben alle anzupassen. Wir versprechen aber, dass wir mit Hochdruck dabei sind! Wir möchten uns bei dir bedanken dafür, dass du uns dabei hilfst, die App zu perfektionieren und freuen uns auf weitere Feedbacks von dir :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Johannes Nebe

Johannes Nebe

22.8.2024, 15:36:49

Ich muss mal auf den alten Beitrag von @[Steinfan](235363) zurückkommen. Was früher in § 736 ZPO geregelt war (Maßstab zu Frage 3), findet sich nun in § 722 BGB. Dabei ändert sich auch inhaltlich etwas: Ein Gesellschaftsgläubiger, der wegen der persönlichen Haftung der Gesellschafter einen Vollstreckungstitel gegen alle Gesellschafter erwirkt hat, hat nun ohne Titel gegen die Gesellschaft keine Vollstreckungsmöglichkeit in das Gesellschaftsvermögen mehr. -- Wo wir gerade beim Optimieren sind: (1) Im Maßstab zu Frage 1 müsste man Partei- und

Prozessfähigkeit

großschreiben. (2) Ihr schreibt in der Erklärung zu Frage 2: "Einer Klage gegen die einzelnen Gesellschafter bedarf es nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR daher entgegen dem Wortlaut des § 736 ZPO nicht mehr notwendig." Das Wort "notwendig" ist zuviel; und der Bezug auf § 736 ZPO stimmt hier doch auch nicht mehr, oder? Danke!


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