Käuferanfechtung (§ 119 II) / potentieller Mangel
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Jurastudium und Referendariat.
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Autofan A kauft bei Händler H eine gebrauchte Mercedes-Benz S-Klasse. Bei Vertragsschluss geht A davon aus, dass sie 2009 erstmals zugelassen worden ist, vereinbart wird dies aber nicht. A hat sich aber in der Erstzulassung verlesen: In Wahrheit steht dort nicht 2009, sondern 2003.
Einordnung des Falls
Käuferanfechtung (§ 119 II) / potentieller Mangel
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Weil A dachte, das Auto sei 2009 gebaut worden, irrte er über eine verkehrswesentliche Eigenschaft (§ 119 Abs. 2 BGB).
Ja, in der Tat!
2. Das Auto ist sachmangelhaft, weil es nicht 2009, sondern 2003 gebaut wurde (§ 434 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB).
Nein!
3. A könnte seine Willenserklärung, mit der der Kaufvertrag zustande gekommen ist, wegen Eigenschaftsirrtums anfechten (§ 119 Abs. 2 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
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Bienenschwarmverfolger
26.11.2022, 10:55:40
Die Anfechtung wegen Inhaltsirrtums dürfte hier aber durchgehen, oder?
Bienenschwarmverfolger
26.11.2022, 10:58:24
Oder wohl eher wegen Erklärungsirrtums 😅
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Nora Mommsen
26.11.2022, 18:35:08
Hallo Bienenschwarmverfolger, danke für deine Fragen. Hier liegen weder ein Inhalts- noch ein Erklärungsirrtum vor. A irrt weder über den Bedeutungsgehalt des Jahres (sagt 2003 und meint 2009, weil er denkt 2003 bedeutet 2009) oder verspricht sich versehentlich. Somit gehen die schon mangels Vorliegend des Anfechtungsgrundes nicht durch. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Bienenschwarmverfolger
26.11.2022, 18:46:46
Ich würde schon sagen, dass das Jahr der Erstzulassung, wenn der Verkäufer den Käufer vor Vertragsschluss darüber informiert (so verstehe ich den SV), auch (konkludent) Bestandteil des Kaufvertrages bzw. der Willenserklärungen wird. Wenn dann der Käufer sich verliest und objektiv „2003“ erklärt, aber subjektiv davon ausgeht, „2009“ erklärt zu haben, dürfte das ein Erklärungs- oder Inhaltsirrtum sein (Abgrenzung finde ich da sehr schwierig). Oder missinterpretiere ich den Sachverhalt?
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Sophix58
18.7.2023, 08:50:43
Bleibt in einem solchen Fall der Käufer dann gänzlich ohne Rechte? Wenn die Anfechtung ausgeschlossen ist aber ja auch das Mängelgewährleistungsrecht, weil ja tatsächlich kein Mangel vorliegt, dann ist das Ergebnis doch irgendwie seltsam...
Max S
24.7.2023, 00:05:34
Ich habe noch nicht genauer recherchiert, aber bspw. Hemmer vertritt (bzw. vertrat nach alten KaufR) das anders. Zumindest 119 II BGB soll anwendbar sein, wenn mangels Mangel 437 BGB nicht greift. (Keine Verdrängung der Anfechtung weil keine Anwendbarkeit des Gewährleistungsrechts)
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CR7
19.10.2023, 11:34:17
Ich kann die Begründung in der Aufgabe leider beim MüKo, § 119 II, Rn. 32 nicht finden, da hat sich aber seit 2018 bestimmt was geändert, so dass es vielleicht an anderer Stelle steht. Man muss sich eben auch fragen, warum die Gewährleistungsrechte nicht anwendbar sind. Wenn kein Mangel vorliegt, greifen auch keine Gewährleistungsrechte, so dass ich aber trotzdem die Anfechtungsmöglichkeit haben muss, wenn das objektiv Erklärte und das subjektiv Gewollte auseinanderfallen.
Schwanzanwaltschaft
16.5.2024, 18:39:50
Gilt das erst ab Gefahrübergang b.z.w. Übergabe der Sache oder ist die Anfechtung auch schon vor Übergabe ausgeschlossen.
Leo Lee
17.5.2024, 15:52:01
Hallo Schwanzanwaltschaft, vielen Dank für die sehr gute Frage! Das ist eine sehr gute Frage und dein Gefühl ist völlig richtig, dass es nicht so „klar“ sein kann; denn das ist in der Tat umstritten! Allerdings liegt es nach der Ratio von Mängelrechten (Recht zur zweiten Andienung) näher, bereits vor Gefahrübergang aber nach Vertragsschluss die Anfechtung auszuschließen, da der Mangel ebenfalls als eine Art
Eigenschaftsirrtumdarstellt und durch die Anfechtung eben das Recht zur zweiten Andienung nicht untergraben werden soll. Ansonsten würde es rein vom zeitlichen Zufall (i.Ü. ein sehr häufiges Argument im Zivilrecht) abhängen, ob jemand anfechten kann oder nicht! Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Westermann § 437 Rn. 54 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Schwanzanwaltschaft
17.5.2024, 16:00:30
Vielen Dank, für die sehr gute Antwort. LG