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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Berufsverbrecher B ist dringend verdächtig, ein Casino überfallen zu haben. Staatsanwältin S lädt ihn zu einer Beschuldigtenvernehmung und fragt ihn aus. Sie belehrt ihn jedoch nicht vorher nach § 136 Abs. 1 S. 2 StPO. B wundert sich über die fehlende Belehrung, denn er kennt das ganze Spiel ja eigentlich schon, gesteht aber trotzdem umfassend den Tatvorwurf ein. B schweigt in der Hauptverhandlung. Als S als Zeugin über die Vernehmung befragt wird, schweigt auch Bs Verteidiger V.

Einordnung des Falls

Ausnahmen vom Verwertungsverbot

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Grundsätzlich führt die unterlassene Belehrung zu einem Beweisverwertungsverbot.

Ja, in der Tat!

Weil dem Beschuldigten durch eine fehlende Belehrung faktisch sein Schweigerecht genommen wird, führt ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht (§ 136 Abs. 1 S. 2 StPO) grundsätzlich zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der erlangten Aussage. Sofern bzgl. eines Beweismittels ein Beweisverwertungsverbot eingreift, ist dieses umfassend und darf auch nicht durch Rückgriff auf ein anderes Beweismittel umgangen werden. Da es sich um eine Beschuldigtenvernehmung handelte ist, war eine Belehrung erforderlich (§§ 136 Abs. 1 S. 2 iVm 163a Abs. 3 S. 2 StPO). Eine solche ist nicht erfolgt. Weil hinsichtlich dieser Aussage des B vor der S ein Beweisverwertungsverbot besteht, wäre es auch unzulässig, S darüber als Zeugin zu vernehmen, was der B seinerzeit gesagt habe.

2. Ein Verwertungsverbot besteht auch dann, wenn der Beschuldigte sein Schweigerecht kannte.

Nein!

Das Verwertungsverbot besteht ausnahmsweise nicht, wenn sicher feststeht, dass der Beschuldigte sein Schweigerecht ohne Belehrung gekannt hat (fehlende Kausalität). Denn wenn der Beschuldigte seine Rechte auch ohne Belehrung kennt, dann wiegt der Verfahrensverstoß nicht so schwer, dass er das öffentliche Interesse an der Aufklärung des Sachverhalts überwiegen könnte. Davon kann in der Regel bei zeitnah vorangegangenen anderweitigen Beschuldigtenbelehrungen und bei Aussagen vor der Polizei in Gegenwart des Verteidigers ausgegangen werden. Diese Kenntnis muss aber zweifelsfrei feststehen. Das gleiche gilt auch, wenn erst verspätet, aber nur einfach (nicht qualifiziert) belehrt worden ist, dem Beschuldigten jedoch bewusst war, dass er von seiner früheren Aussage noch abrücken konnte. B kannte seine Rechte.

3. Das Verwertungsverbot entfällt hier außerdem deshalb, weil V der Verwertung nicht widersprochen hat.

Genau, so ist das!

Das Verwertungsverbot entfällt auch dann, wenn der der Beschuldigten bzw. sein Verteidiger der Verwertung zustimmt oder ihr bis zum Abschluss der Befragung des Angeklagten (§ 257 StPO) nicht ausdrücklich widerspricht (hM, Widerspruchslösung). Der unverteidigte Beschuldigte muss aber vorher vom Gericht auf das Widerspruchserfordernis hingewiesen worden sein. Diese Widerspruchslösung gilt in der Regel auch bei der Verletzung von anderen Beschuldigtenrechten mit Ausnahme von § 136a StPO. Bei der Verletzung von Rechten anderer Verfahrensbeteiligter (insb. § 52 Abs. 3 StPO) ist die Widerspruchslösung nicht anwendbar.

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AM

Amtsanwaltsanwärter

18.1.2021, 19:15:04

Wäre ein Widerspruch seitens des Anwalts nicht auch noch bis zum Ende der Vernehmung der S als Zeugin möglich?

Speetzchen

Speetzchen

18.1.2021, 21:46:48

Ja, der Widerspruch muss bis zu dem in § 257 StPO genannten Zeitpunkt erfolgen, also bis spätestens nach dem Ende der Beweisaufnahme. Erfolgt der Widerspruch nicht oder verspätet, so ist eine Rüge des Verfahrensverstoßes in der 2. Instanz präkludiert. Lg

FABY

Faby

29.5.2023, 18:21:50

Wenn die Antwort hier stimmt, sollte das in der Lösung auch so dargestellt werden, finde ich :D @[Lukas Mengestu](136780)

L.G

L.Goldstyn

17.7.2024, 17:46:40

Mir ist noch nicht klar, welche Rechtsfolge ein fehlender Widerspruch nach der Widerspruchslösung des BGH hat. Ist es korrekt, davon zu sprechen, dass bei fehlendem Widerspruch kein Beweisverwertungsverbot besteht? So, wie ich die Widerspruchslösung lese, führt ein fehlender Widerspruch nur dazu führt, dass eine auf die fehlende Belehrung gestützte Revision unbegründet wäre. Ein Beweisverwertungsverbot besteht also weiterhin, es kann aber nicht mehr relevant werden. Dann wäre die Frage missverständlich gestellt. Oder ist eine derartige Unterscheidung „Haarspalterei“?


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