Zivilrecht

Kaufrecht

Nacherfüllung

Nutzungsersatz nach Nacherfüllung (§ 439 Abs. 6 BGB) Unternehmer

Nutzungsersatz nach Nacherfüllung (§ 439 Abs. 6 BGB) Unternehmer

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem
Neues Kaufrecht 2022

Senior-Partnerin P bestellt für die Kanzleiküche einen Jura-Kaffeevollautomaten. Nach einem Jahr mahlt der Automat keine Kaffeebohnen mehr, was auf einem irreparablen Herstellungsfehler beruht. P verlangt vom Kaffeemaschinenprofi V Nachlieferung.

Diesen Fall lösen 56,1 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Nutzungsersatz nach Nacherfüllung (§ 439 Abs. 6 BGB) Unternehmer

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. P kann Lieferung eines neuen Kaffeevollautomaten verlangen (§ 439 Abs. 1 Alt. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer die Lieferung einer anderen gleichartigen und gleichwertigen mangelfreien Sache (Nachlieferung) verlangen (§ 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB). Beim Gattungskauf muss dann ein anderes Exemplar aus der vereinbarten Gattung geleistet werden. P kann verlangen, dass ihr anderer, neuer Jura-Kaffeevollautomat übergeben wird.
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2. Verlangt der Käufer die Lieferung einer neuen Sache, muss er die alte zurückgewähren.

Nein, das trifft nicht zu!

Liefert der Verkäufer zum Zwecke der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache, so kann er vom Käufer Rückgewähr der mangelhaften Sache nach Maßgabe der §§ 346-348 BGB verlangen (§ 439 Abs. 6 S. 1 BGB). Es handelt sich hierbei um eine Rechtsfolgenverweisung. Der Rückgewähranspruch des Verkäufers ergibt sich dann aus § 439 Abs. 6 S. 1 iVm § 346 Abs. 1 BGB. § 439 Abs. 6 BGB n.F. entspricht dem bis zum 31.12.2021 geltenden § 439 Abs. 5 BGB a.F.Der Rückgewähranspruch muss vom Verkäufer nicht geltend gemacht werden, er kann auch auf eine Rückgabe der mangelhaften Sache verzichten.

3. Der Verkäufer kann die alte Sache herausverlangen, ist aber nicht verpflichtet, sie zurückzunehmen.

Nein!

Der Verkäufer hat nicht nur einen Rückgewähranspruch, sondern damit korrespondierend auch eine Rücknahmepflicht (§ 439 Abs. 6 S. 2 BGB n.F.). Die Rücknahmepflicht des Verkäufers dient der Herstellung des ursprünglich vertragsgemäßen Zustands und damit dem Erfüllungsinteresse. Sie ist die Kehrseite der ursprünglichen Abnahmepflicht des Käufers (§ 433 Abs. 2 BGB).V ist verpflichtet, den alten Vollautomaten zurückzunehmen. Dies war bereits bisher in der Rspr. anerkannt. Seit dem 1.1.2022 ist in § 439 Abs. 6 S. 2 BGB n.F. ausdrücklich geregelt, dass der Verkäufer die ersetzte Sache auf seine Kosten zurückzunehmen hat. Bis zur Gesetzesänderung wurde die Rücknahmepflicht auf § 433 Abs. 2 BGB analog gestützt.

4. P muss zwar die Sache zurückgewähren, aber keinen Nutzungsersatz leisten.

Nein, das ist nicht der Fall!

Aus der Rechtsfolgenverweisung auf die §§ 346ff. BGB folgt auch, dass der Verkäufer vom Käufer Wertersatz für die Nutzung der mangelhaften Sache für die Zeit zwischen Lieferung der mangelhaften Sache und Ersatzlieferung verlangen kann (§§ 439 Abs. 6 S. 1 iVm § 346 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB).Das ergibt sich aus dem uneingeschränkten Verweis des § 439 Abs. 6 S. 1 BGB. Außerdem erhält der Käufer mit der Ersatzlieferung eine neue Sache und gibt dafür eine gebrauchte Sache zurück (neu für alt), sodass es angemessen ist, dem Verkäufer die gezogenen Gebrauchsvorteile zu vergüten.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

S.

s.t.

4.9.2021, 17:28:48

Ich finde es verwirrend, dass man in der Frage von eine Pflicht des Verkäufers spricht, im Gesetz aber eindeutig kann (!) drinnen steht... ist das eine Interpretation eurerseits ?

TAY

Taylaw

30.9.2021, 22:51:40

Hi! :) Dem Wortlaut nach, da hast du recht, kann man nicht zwangsläufig eine Rücknahmepflicht des Verkäufers annehmen. Über den Wortlaut hinaus nimmt jedoch die herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung eine Rücknahmepflicht des Verkäufers an. Argumentiert wird dabei unter anderem mit der Wertung des

§ 439 II BGB

und generellen Billigkeitserwägungen; so hat meist der Käufer ein berechtigtes und auch schutzwürdiges Interesse daran, dass ihm eine defekte Sache auch wieder abgenommen wird. Ausführlich kannst du das ganze Nachlesen im BeckOGK/Höpfner BGB § 439 Rn. 112 :)

BEN

Benji

21.4.2022, 18:02:03

Ich würde das "kann" hier so interpretieren, dass der Verkäufer keine Rücknahme'forderungs'pflicht hat, aber auf Anfrage eine Rücknahme'abnahme'pflicht.

Juramaus

Juramaus

25.4.2022, 17:21:19

BenBo das "Kann" ist mittlerweile sowieso veraltet, jetzt "hat" der Verkäufer die Sache zurückzunehmen!

Eichhörnchen I

Eichhörnchen I

9.5.2022, 13:35:16

Schuldet P deshalb

Nutzungsersatz

weil diese nicht als Verbraucher, sondern als Unternehmerin handelt? Beim

Verbrauchsgüterkauf

entfällt wegen Paragraf 475 Abs. 3 BGB ja die Pflicht zur Zahlung einer Nutzungsentschäfigung. Beste Grüße

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

9.5.2022, 18:45:45

Hallo Eichhörnchen, in der Tat muss P hier für den Einsatz des Automaten den entsprechenden

Nutzungsersatz

zahlen, wenn sie

Nachlieferung

verlangt. Es liegt kein

Verbrauchsgüterkauf

vor. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Ranii

Ranii

11.11.2022, 14:04:52

Vielleicht könnte man noch ergänzen, dass die Rücknahmepflicht früher begründet wurde mit 433 II analog

Nora Mommsen

Nora Mommsen

12.11.2022, 12:49:08

Hallo Leo Lee, danke für die Anmerkung. Den Hinweis haben wir ergänzt :) Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

PUK

Punkt Komma

11.7.2023, 18:17:52

Hallo, ich hab einen vergleichbaren Fall gefunden, in welchem der BGH in einem Urteil vom 26. November 2008 (Aktenzeichen VIII ZR 200/05) erklärte, dass ein Käufer den Mangel einer Ware selbst nach deren Nutzung reklamieren kann und der Verkäufer in diesem Fall vom Käufer keinen Wertersatz für die bereits erfolgte Nutzung verlangen kann. Dass würde nicht vereinbar sein mit den Verbrauchsgüterrichtlinien der EU. Nun bin ich etwas verwirrt. Könnte mir hier jemand weiter helfen?

DAV

David.

13.7.2023, 20:01:38

Die Fälle sind nicht vergleichbar, bei dem Fall hier handelt es sich nicht um einen

Verbrauchsgüterkauf

.

Fuller at H(e)art

Fuller at H(e)art

14.8.2023, 22:10:16

M.E. ist die Frage nach der Rückgewährpflicht des Käufers unglücklich gestellt. Den Käufer trifft dem Grunde nach eine Rückgewährpflicht gemäß 439 VI 1, 346 I, damit muss er die mangelhafte Sache (grundsätzlich) zurückgewähren. Der Anspruch ist allenfalls nicht fällig mangels Verlangen des Verkäufers (der Wortlaut des 439 VI 1 legt nahe, dass es sich um einen verhaltenen Anspruch handelt).

MAG

Magie99Capona

29.5.2024, 11:37:44

Fand ich auch irritierend, so wie die Frage gestellt ist, klingt es als könnte der Käufer entscheiden, ob er die Sache zurückgewährt, weil er es laut Frage ja nicht machen muss

MK-

MK-

4.7.2024, 22:59:32

Da kann ich mich nur anschließen! Ich bin auch davon ausgegangen, dass es sich um die Pflicht zur Rückgabe handelt, die ja durchaus besteht, aber eben vom Willen des Verkäufers abhängt. Vielleicht könnte die Frage dahingehend angepasst werden, dass ein Halbsatz mit „[muss er die alte Sache zurückgew

ehre

n], sofern der Verkäufer ihn hierzu auffordert“ 🤷🏽‍♂️ So würden Missverständnisse vermieden werden…

Sambajamba10

Sambajamba10

4.11.2023, 10:00:29

Verstehe ich es richtig, dass die Wertersatzpflicht aber nur greift, wenn die Rückgewähr oder Herausgabe der alten Sache unmöglich geworden ist (§ 346 II)?

Falsus Prokuristor

Falsus Prokuristor

4.11.2023, 14:36:18

Das stimmt zumindest in Bezug auf die mangelhafte Kaufsache selbst. Deren Rückgewähr schuldet der Käufer, falls der Verkäufer dies verlangt, nach den §§ 346ff. Das wird in der Aufgabe ja super erklärt. Die Herausgabe in Natur ist der Regelfall und der Wertersatz nur die Ausnahme, zum Beispiel bei Unmöglichkeit der Herausgabe. Die erlangten Gebrauchsvorteile des Käufers bis zur Geltendmachung seiner Mängelrechte stellen Nutzungen dar, die sich in Natur nicht herausgeben lassen. Insofern findet bei diesen tatsächlich immer die Wertersatzpflicht Anwendung. Ausnahmen gelten für Verbrauchsgüterkäufe, welcher im Fall aber nicht vorlag.

Sambajamba10

Sambajamba10

4.11.2023, 15:17:59

Ich verstehe es jetzt, danke!

suessmaus

suessmaus

12.2.2024, 11:29:44

ich verstehe nicht ganz wieso die

Gattungsschuld

hier erwähnt wurde. Sie wäre ja hier ohnehin zur

Stückschuld

konkretisiert worden. Und bei gebrauchten Sachen (die keiner Konkretisierung bedürfen) kann der Käufer doch auch

Nachlieferung

verlangen oder?

TI

Timurso

12.2.2024, 11:46:37

Soweit ich weiß, ist die Konkretisierung lediglich für die

Leistungspflicht

selbst (und deren Untergang) relevant. Bei der

Nachlieferung

wird unterschieden: Bei einer (ursprünglichen)

Gattungsschuld

ist unproblematisch eine weitere Sache aus der Gattung geschuldet. Bei der

Stückschuld

ist es komplizierter. Hier würde es nahe liegen zu sagen, dass die

Nachlieferung

von vornherein unmöglich ist, da es genau diese Sache nicht noch einmal gibt. Allerdings wird vom BGH auch bei der

Stückschuld

nach dem Parteiwillen ausgelegt und sich gefragt, welche Ersatzsache subjektiv gleichartig und gleichwertig ist und diese dann als taugliche

Nachlieferung

ssache angesehen. Insofern ist die Unterscheidung zwischen Gattungs- und

Stückschuld

schon erwähnenswert :)

LI

Lilyphant

16.5.2024, 16:06:39

Hallo, ich hatte angenommen, dass die Gewährleistungsrechte ausscheiden, weil sich der Mangel erst nach einem Jahr zeigt und eben KEIN

Verbrauchsgüterkauf

vorliegt. Kann man, wenn im Sachverhalt steht, dass es bereits auf einem Herstellungsfehler beruht, einfach annehmen, dass der Mangel bei

Gefahrübergang

vorlag? Liebe Grüße!

LELEE

Leo Lee

17.5.2024, 15:27:11

Hallo Lilyphant, vielen Dank für die sehr gute Frage! Du hast völlig Recht: Wenn im Sachverhalt nichts zu einer bestimmten Frage steht, ist davon auszugehen, dass der Mangel auch bei

Gefahrübergang

vorlag (also dann einfach einem Satz unter Erwähnung von 446 1 den

Gefahrübergang

feststellen). Beachte i.Ü., dass die. Verjährung nach einem Jahr nicht automatisch vorliegt, wenn kein VBK betroffen ist. Das ist nur dann der Fall, wenn die Verjährung wirksam verkürzt wurde. Wenn dies nicht passiert ist, gilt immer noch die Frist von zwei Jahren :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Auslegungssache

Auslegungssache

30.6.2024, 11:58:41

Müsste in der ersten Frage nicht nach §439 Abs. 1 Alt. 2 statt Alt. 1 gefragt werden, wenn die Antwort ja sein soll?


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