Nutzungsersatz nach Nacherfüllung (§ 439 Abs. 6 BGB) Unternehmer
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Senior-Partnerin P bestellt für die Kanzleiküche einen Jura-Kaffeevollautomaten. Nach einem Jahr mahlt der Automat keine Kaffeebohnen mehr, was auf einem irreparablen Herstellungsfehler beruht. P verlangt vom Kaffeemaschinenprofi V Nachlieferung.
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Einordnung des Falls
Nutzungsersatz nach Nacherfüllung (§ 439 Abs. 6 BGB) Unternehmer
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. P kann Lieferung eines neuen Kaffeevollautomaten verlangen (§ 439 Abs. 1 Alt. 1 BGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Verlangt der Käufer die Lieferung einer neuen Sache, muss er die alte zurückgewähren.
Nein, das trifft nicht zu!
3. Der Verkäufer kann die alte Sache herausverlangen, ist aber nicht verpflichtet, sie zurückzunehmen.
Nein!
4. P muss zwar die Sache zurückgewähren, aber keinen Nutzungsersatz leisten.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
s.t.
4.9.2021, 17:28:48
Ich finde es verwirrend, dass man in der Frage von eine Pflicht des Verkäufers spricht, im Gesetz aber eindeutig kann (!) drinnen steht... ist das eine Interpretation eurerseits ?
Taylaw
30.9.2021, 22:51:40
Hi! :) Dem Wortlaut nach, da hast du recht, kann man nicht zwangsläufig eine Rücknahmepflicht des Verkäufers annehmen. Über den Wortlaut hinaus nimmt jedoch die herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung eine Rücknahmepflicht des Verkäufers an. Argumentiert wird dabei unter anderem mit der Wertung des
§ 439 II BGBund generellen Billigkeitserwägungen; so hat meist der Käufer ein berechtigtes und auch schutzwürdiges Interesse daran, dass ihm eine defekte Sache auch wieder abgenommen wird. Ausführlich kannst du das ganze Nachlesen im BeckOGK/Höpfner BGB § 439 Rn. 112 :)
Benji
21.4.2022, 18:02:03
Ich würde das "kann" hier so interpretieren, dass der Verkäufer keine Rücknahme'forderungs'pflicht hat, aber auf Anfrage eine Rücknahme'abnahme'pflicht.
Juramaus
25.4.2022, 17:21:19
BenBo das "Kann" ist mittlerweile sowieso veraltet, jetzt "hat" der Verkäufer die Sache zurückzunehmen!
Eichhörnchen I
9.5.2022, 13:35:16
Schuldet P deshalb
Nutzungsersatzweil diese nicht als Verbraucher, sondern als Unternehmerin handelt? Beim
Verbrauchsgüterkaufentfällt wegen Paragraf 475 Abs. 3 BGB ja die Pflicht zur Zahlung einer Nutzungsentschäfigung. Beste Grüße
Lukas_Mengestu
9.5.2022, 18:45:45
Hallo Eichhörnchen, in der Tat muss P hier für den Einsatz des Automaten den entsprechenden
Nutzungsersatzzahlen, wenn sie
Nachlieferungverlangt. Es liegt kein
Verbrauchsgüterkaufvor. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Ranii
11.11.2022, 14:04:52
Vielleicht könnte man noch ergänzen, dass die Rücknahmepflicht früher begründet wurde mit 433 II analog
Nora Mommsen
12.11.2022, 12:49:08
Hallo Leo Lee, danke für die Anmerkung. Den Hinweis haben wir ergänzt :) Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Punkt Komma
11.7.2023, 18:17:52
Hallo, ich hab einen vergleichbaren Fall gefunden, in welchem der BGH in einem Urteil vom 26. November 2008 (Aktenzeichen VIII ZR 200/05) erklärte, dass ein Käufer den Mangel einer Ware selbst nach deren Nutzung reklamieren kann und der Verkäufer in diesem Fall vom Käufer keinen Wertersatz für die bereits erfolgte Nutzung verlangen kann. Dass würde nicht vereinbar sein mit den Verbrauchsgüterrichtlinien der EU. Nun bin ich etwas verwirrt. Könnte mir hier jemand weiter helfen?
David.
13.7.2023, 20:01:38
Die Fälle sind nicht vergleichbar, bei dem Fall hier handelt es sich nicht um einen
Verbrauchsgüterkauf.
Fuller at H(e)art
14.8.2023, 22:10:16
M.E. ist die Frage nach der Rückgewährpflicht des Käufers unglücklich gestellt. Den Käufer trifft dem Grunde nach eine Rückgewährpflicht gemäß 439 VI 1, 346 I, damit muss er die mangelhafte Sache (grundsätzlich) zurückgewähren. Der Anspruch ist allenfalls nicht fällig mangels Verlangen des Verkäufers (der Wortlaut des 439 VI 1 legt nahe, dass es sich um einen verhaltenen Anspruch handelt).
Magie99Capona
29.5.2024, 11:37:44
Fand ich auch irritierend, so wie die Frage gestellt ist, klingt es als könnte der Käufer entscheiden, ob er die Sache zurückgewährt, weil er es laut Frage ja nicht machen muss
MK-
4.7.2024, 22:59:32
Da kann ich mich nur anschließen! Ich bin auch davon ausgegangen, dass es sich um die Pflicht zur Rückgabe handelt, die ja durchaus besteht, aber eben vom Willen des Verkäufers abhängt. Vielleicht könnte die Frage dahingehend angepasst werden, dass ein Halbsatz mit „[muss er die alte Sache zurückgew
ehren], sofern der Verkäufer ihn hierzu auffordert“ 🤷🏽♂️ So würden Missverständnisse vermieden werden…
Sambajamba10
4.11.2023, 10:00:29
Verstehe ich es richtig, dass die Wertersatzpflicht aber nur greift, wenn die Rückgewähr oder Herausgabe der alten Sache unmöglich geworden ist (§ 346 II)?
Falsus Prokuristor
4.11.2023, 14:36:18
Das stimmt zumindest in Bezug auf die mangelhafte Kaufsache selbst. Deren Rückgewähr schuldet der Käufer, falls der Verkäufer dies verlangt, nach den §§ 346ff. Das wird in der Aufgabe ja super erklärt. Die Herausgabe in Natur ist der Regelfall und der Wertersatz nur die Ausnahme, zum Beispiel bei Unmöglichkeit der Herausgabe. Die erlangten Gebrauchsvorteile des Käufers bis zur Geltendmachung seiner Mängelrechte stellen Nutzungen dar, die sich in Natur nicht herausgeben lassen. Insofern findet bei diesen tatsächlich immer die Wertersatzpflicht Anwendung. Ausnahmen gelten für Verbrauchsgüterkäufe, welcher im Fall aber nicht vorlag.
Sambajamba10
4.11.2023, 15:17:59
Ich verstehe es jetzt, danke!
suessmaus
12.2.2024, 11:29:44
ich verstehe nicht ganz wieso die
Gattungsschuldhier erwähnt wurde. Sie wäre ja hier ohnehin zur
Stückschuldkonkretisiert worden. Und bei gebrauchten Sachen (die keiner Konkretisierung bedürfen) kann der Käufer doch auch
Nachlieferungverlangen oder?
Timurso
12.2.2024, 11:46:37
Soweit ich weiß, ist die Konkretisierung lediglich für die
Leistungspflichtselbst (und deren Untergang) relevant. Bei der
Nachlieferungwird unterschieden: Bei einer (ursprünglichen)
Gattungsschuldist unproblematisch eine weitere Sache aus der Gattung geschuldet. Bei der
Stückschuldist es komplizierter. Hier würde es nahe liegen zu sagen, dass die
Nachlieferungvon vornherein unmöglich ist, da es genau diese Sache nicht noch einmal gibt. Allerdings wird vom BGH auch bei der
Stückschuldnach dem Parteiwillen ausgelegt und sich gefragt, welche Ersatzsache subjektiv gleichartig und gleichwertig ist und diese dann als taugliche
Nachlieferungssache angesehen. Insofern ist die Unterscheidung zwischen Gattungs- und
Stückschuldschon erwähnenswert :)
Lilyphant
16.5.2024, 16:06:39
Hallo, ich hatte angenommen, dass die Gewährleistungsrechte ausscheiden, weil sich der Mangel erst nach einem Jahr zeigt und eben KEIN
Verbrauchsgüterkaufvorliegt. Kann man, wenn im Sachverhalt steht, dass es bereits auf einem Herstellungsfehler beruht, einfach annehmen, dass der Mangel bei
Gefahrübergangvorlag? Liebe Grüße!
Leo Lee
17.5.2024, 15:27:11
Hallo Lilyphant, vielen Dank für die sehr gute Frage! Du hast völlig Recht: Wenn im Sachverhalt nichts zu einer bestimmten Frage steht, ist davon auszugehen, dass der Mangel auch bei
Gefahrübergangvorlag (also dann einfach einem Satz unter Erwähnung von 446 1 den
Gefahrübergangfeststellen). Beachte i.Ü., dass die. Verjährung nach einem Jahr nicht automatisch vorliegt, wenn kein VBK betroffen ist. Das ist nur dann der Fall, wenn die Verjährung wirksam verkürzt wurde. Wenn dies nicht passiert ist, gilt immer noch die Frist von zwei Jahren :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Auslegungssache
30.6.2024, 11:58:41
Müsste in der ersten Frage nicht nach §439 Abs. 1 Alt. 2 statt Alt. 1 gefragt werden, wenn die Antwort ja sein soll?