Referendariat

Die StA-Klausur im Assessorexamen

Das materielle Gutachten

Berufsgeheimnisträger, der von seiner Schweigepflicht entbunden war

Berufsgeheimnisträger, der von seiner Schweigepflicht entbunden war

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Arzt A des Beschuldigten B wird polizeilich vernommen. Zu dieser Zeit ist A von seiner Schweigepflicht befreit. Später widerruft B die Entbindung von der Schweigepflicht. A verweigert sodann in der Hauptverhandlung sein Zeugnis unter Hinweis auf seine Schweigepflicht.

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Einordnung des Falls

Berufsgeheimnisträger, der von seiner Schweigepflicht entbunden war

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A war während der polizeilichen Vernehmung zur Zeugnisverweigerung berechtigt (§ 53 Abs. 1 S. 1 StPO).

Nein!

Nach § 53 Abs.1 S.1 Nr.3 StPO sind Ärzte zur Verweigerung des Zeugnisses, über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Arzt anvertraut oder bekannt geworden ist, berechtigt. Sie dürfen jedoch das Zeugnis dann nicht verweigern, wenn sie von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden sind (§ 53 Abs. 2 S. 1 StPO). Da B den A vor der polizeilichen Vernehmung von der Schweigepflicht entbunden hat, war A nicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt.
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2. Nachdem B die Entbindung der Schweigepflicht widerrufen hat, war A berechtigt, in der Hauptverhandlung sein Zeugnis zu verweigern.

Genau, so ist das!

Nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr.3 StPO sind Ärzte zur Verweigerung des Zeugnisses, über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Arzt anvertraut oder bekannt geworden ist, berechtigt. Sie dürfen das Zeugnis nur dann nicht verweigern, wenn sie von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden sind (§ 53 Abs. 2 S. 1 StPO). Da B vor der Hauptverhandlung die Entbindung von der Pflicht zur Verschwiegenheit des A widerrufen hat, greift die Regelung des § 53 Abs.2 S.1 StPO nicht ein. A war somit berechtigt, sein Zeugnis in der Hauptverhandlung zu verweigern.

3. Sofern sich ein zeugnisverweigerungsberechtigter Arzt erst in der Hauptverhandlung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht, so sind seine früheren Angaben dennoch stets verwertbar (§ 252 StPO).

Nein, das trifft nicht zu!

§ 252 StPO schützt auch das Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgeheimnisträger nach § 53 StPO. Grundsätzlich sind daher die Aussagen eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Berufsgeheimnisträgers (z.B. Arztes) nicht verwertbar, wenn er in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht (§ 252 StPO).

4. Die früher gemachten Angaben des A unterliegen somit einem Beweisverwertungsverbot (§ 252 StPO).

Nein!

§ 252 StPO greift nur, wenn bereits bei der früheren Vernehmung ein Zeugnisverweigerungsrecht des Berufsgeheimnisträgers nach § 53 StPO bestand. Wenn der Berufsgeheimnisträger also zum Zeitpunkt seiner früheren Aussage von seiner Schweigepflicht entbunden war, bleiben die Angaben auch dann verwertbar, wenn die Entbindung von der Schweigepflicht danach widerrufen wurde und sich der Berufsgeheimnisträger im Folgenden auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft. A war zum Zeitpunkt seiner früheren Aussage von der Schweigepflicht entbunden, sodass seine Angaben trotz späterer Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts verwertbar bleiben. § 252 StPO greift nicht, weil durch § 53 StPO nicht B, sondern nur A vor einer Pflichtenkollision geschützt werden soll. Eine solche bestand wegen der Schweigepflichtsentbindung bei der früheren Aussage aber gerade nicht.

5. Die Aussagen des A aus seiner früheren Vernehmung können durch Zeugnis der Vernehmungsperson in die Hauptverhandlung eingeführt werden.

Genau, so ist das!

Durch den Widerruf der Schweigepflichtsentbindung und Ausüben des Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs.1 S.1 Nr.3 StPO steht A nicht mehr als Zeuge zur Verfügung. Um seine Aussagen aus der früheren Vernehmung in die Hauptverhandlung einzuführen, muss daher der Vernehmungsbeamte als Zeuge vernommen werden.Denk daran, gerade in solchen Fällen anzugeben, wie in der Hauptverhandlung der Beweis geführt werden kann. Der Arzt als unmittelbarer Zeuge scheidet ja aus, wenn ihm ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ALE

Aleks_is_Y

25.3.2024, 11:22:18

Im vorliegenden Fall greift §

252 StPO

nicht, da der Berufsgeheimnisträger nicht vor einer Pflichtenkollision geschützt werden muss. Daraus folgt, dass der Vernehmungsbeamte in der Hauptverhandlung vernommen werden darf und auf Grund des Prinzips der Unmittelbarkeit der Protokollverlesung vorzuziehen ist. Könnte vorliegend nicht aber auch das Vernehmungsprotokoll verlesen werden (zB wenn der Beamte verstirbt oä?), da die Verleseung nicht durch § 252 gesperrt ist?

TAT

Tat

26.3.2024, 18:06:00

Ich würde auch gerne wissen, ob konsequenterweise auch das Vernehmungsprotokoll verlesen werden kann, da §

252 StPO

ja vorliegend nicht greift? :)

Nora Mommsen

Nora Mommsen

28.3.2024, 09:54:47

Hallo ihr beiden, danke für eure Fragen! Auch hier findet der §

251 StPO

Anwendung. Die Protokollverlesung ist also in den nach §

251 StPO

vorgesehenen Fällen erlaubt. Sie gilt für den Fall, dass die Zeugen damals von ihrer Schweigepflicht entbunden waren. Dann kann die frühere Aussage durch Vernehmen der Verhörsperson oder durch Verlesen nach § 251 verwertet werden. (BGH StV 1997, 233). Nach BGH NStZ 2016, 428 ist dem aber eine Grenze bei Teilaussagen des Berufsgeheimnisträgers gemacht, soweit er sich in einer späteren Vernehmung auf sein Auskunftsverweigerungsrecht beruft. Dabei muss es sich bei der Verhörsperson nicht um einen Richter handeln. Auch die Vernehmung eines Polizeibeamten ist hier zulässig (BGH NStZ 2012, 281). Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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