Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Erlöschen des Schuldverhältnisses

Richtiger Gläubiger kraft Ermächtigung: Genehmigung (§ 185 Abs. 2 BGB)

Richtiger Gläubiger kraft Ermächtigung: Genehmigung (§ 185 Abs. 2 BGB)

19. Mai 2025

14 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

E bestellt bei W einen Kaschmirmantel. Da sie bei der Lieferung nicht zuhause ist, wird er ihrer Nachbarin N übergeben. E freut sich, dass sie nun nicht zur Abholstation muss und nimmt den Mantel dankend entgegen.

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Einordnung des Falls

Richtiger Gläubiger kraft Ermächtigung: Genehmigung (§ 185 Abs. 2 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hatte E einen Anspruch darauf, dass W ihr den Mantel übergibt und übereignet (§ 433 Abs. 1 BGB)?

Genau, so ist das!

Bei Abschluss eines Kaufvertrages ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 BGB). E und W haben einen Kaufvertrag über den Mantels geschlossen. W war somit verpflichtet, den Mantel an E zu übergeben und zu übereignen.
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2. Kann Erfüllung bei jemand anderes als dem Gläubiger einer geschuldeten Leistung eintreten?

Ja, in der Tat!

Die Leistung muss zwar grundsätzlich gegenüber dem empfangszuständigen Gläubiger bewirkt werden. Abweichend davon erlischt die Leistungspflicht aber auch bei Leistung an einen Nichtgläubiger, wenn der Gläubiger zustimmt (§§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1, 2 BGB) oder bei entsprechender gesetzlicher Anordnung (zB §§ 1074, 1282 BGB).

3. Ist W weiterhin verpflichtet, E einen Mantel zu liefern?

Nein!

Durch die Entgegennahme des Mantels von N hat E die Lieferung an die unzuständige N genehmigt (§§ 362 Abs.2, 185 Abs. 2 BGB). Ws Leistungspflicht ist somit rückwirkend durch Erfüllung erloschen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ELA

Elarp

3.2.2022, 01:25:29

Ich verstehe noch nicht ganz, warum hier eine Genehmigung ausreicht, wenn nach § 185 I BGB eindeutig eine vorherige Zustimmung (Einwilligung) nach (§ 183 Satz 1 BGB)

erforderlich

ist.

VIC

Victor

3.2.2022, 15:48:15

185 I BGB spricht fälschlicherweise vom Nichtberechtigten. Bei einer vorherigen Zustimmung handelt es sich um einen Berechtigten. Abs. 2 erfasst den eigentlichem Fall einer Verfügung eines Nichtberechtigten. Das bleibt auch so. Durch die nachträglicheGenehmigung wird die Verfügung dann wirksam. Vorher bestand ein Schwebezustand.

ELA

Elarp

3.2.2022, 15:57:52

Danke, jetzt habe ich es verstanden :)

QUIG

QuiGonTim

18.7.2022, 13:57:43

Ich verstehe noch nicht ganz, warum §

185 BGB

hier einschlägig ist. Ist das bloße entgegennehmen des Mantels schon eine Verfügung? Oder handelt es sich um eine analoge Anwendung des §

185 BGB

?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.8.2022, 17:18:33

Sehr gute Frage, QuiGonTim! Hier verfügt in der Tat lediglich W als Berechtigter über den Kaschmirmantel. Die bloße Entgegennahme der Leistung stellt dagegen keine "Verfügung" iSv §

185 BGB

dar. Wird aber zur

Erfüllung

an einen Dritten geleistet, so sind auf die Entgegennahme der Leistung die Vorschriften zur Verfügung eines Nichtberechtigten anzuwenden und die Entgegennahme ist damit im Ergebnis so zu behandeln wie eine Verfügung (vgl. § 362 Abs. 2 BGB). Wir haben dies in der Aufgabe noch einmal etwas präziser gefasst. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Steinfan

Steinfan

21.4.2024, 15:15:01

So wie ich es verstehe, liegt nicht bei jeder Übergabe an eine andere Person als den Gläubiger ein Fall der §§ 362 II,

185 BGB

vor. Wenn der

Schuld

ner z.B. die Kaufsache an einen Postboten übergibt und dieser die Sache bei Ablieferung an den Gläubiger weiterreicht, ist der Postbote kein „

Dritter

“ im Sinne der §§ 362 II,

185 BGB

; vielmehr ist der Postbote hier bloß

Erfüllungsgehilfe

des Verkäufers und es greift ganz normal § 362 I BGB. Vgl. hierzu BeckOGK/Looschelders, 1.1.2024, BGB § 362 Rn. 99 f.: „Die Leistung muss auch in den Fällen des Abs. 1 nicht an den Gläubiger persönlich erfolgen. Der Gläubiger kann bei der Entgegennahme der Leistung vielmehr auch HILFSPERSONEN (zB

Empfangsvertreter

,

Empfangsbote

n,

Besitzdiener

,

Besitzmittler

, sonstige

Geheißperson

en) einschalten; diese sind dann KEINE DRITTEN iSd Abs. 2. […]Die Leistung an eine HILFSPERSON führt nur dann nach Abs. 1 zum Erlöschen des

Schuld

verhältnisses, wenn dadurch der ge

schuld

ete Erfolg bewirkt wird. So ist der Verkäufer nach § 433 Abs. 1 S. 1 verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum zu verschaffen. Leistet der Verkäufer an eine HILFSPERSON des Käufers, so muss daher geprüft werden, ob DER KÄUFER hierdurch Eigentum und Besitz an der Sache erworben hat.“ Ein Bewirken der Leistung an einen Dritten im Sinne der §§ 362 II,

185 BGB

bedeutet, dass Dritte im Falle eines Kaufvertrages die Sache übergeben und übereignet bekommt und der Käufer dem zustimmt. Das ist bei dem Empfang durch einen Nachbarn sehr zweifelhaft; es ist wohl eher gewollt, dass weiterhin der Käufer Besitz und Eigentum erlangen soll und der Nachbar hierbei nur helfen soll. Für mich liegt daher ein normaler Fall des § 362 I BGB vor. Ich freue mich über Anmerkungen. LG

Wesensgleiches Minus

Wesensgleiches Minus

21.11.2024, 12:12:35

Interessanter Gedanke. Aber setzt deine Lösung nicht voraus, dass der Käufer den Nachbarn zur Entgegennahme bestellt hat oder der Nachbar zumindest nach der verkehrsanschauung als bestellt anzusehen ist (wozu es im SV keinerlei Anhaltspunkte gibt)?

Steinfan

Steinfan

13.12.2024, 16:51:53

Hi, so würde ich es auch sehen. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist der Nachbar so wie andere Leistungsüberbringer schlicht Gehilfe des

Schuld

ner und nicht

Dritter

iSd 362 II oder Empfangspersondes Gläubigers.

HAUS

Hausotter

9.8.2024, 16:01:50

Nach meiner Kenntnis ist bei der Prüfung der

Verfügungsbefugnis

eines Nichteigentümers entweder eine Ermächtigung iSd §

185 BGB

oder die Vertretungsmacht ausschlaggebend. Ein Gesellschafter einer OHG hätte also grds. Vertretungsbefugnis gem. § 124 I HGB. Könnte man aber eine solche Ermächtigung zur

Verfügungsbefugnis

für Gesellschafter auch aus § 116 I, II 1 HGB lesen, weil die Verwaltung des Eigentums auch zur Geschäftsführung der Gesellschaft zählt? Vielen Dank!

TI

Timurso

15.5.2025, 00:08:37

Die Geschäftsführung regelt bei der OHG nur das Innenverhältnis, sodass diese keine Auswirkung auf Befugnisse im Außenverhältnis hat. Daher würde ich sagen: Nein.

Marco

Marco

4.4.2025, 09:24:45

Würde man dies auf dinglicher Ebene über einen

Geheißerwerb

auf Seiten des Empfängers lösen?

TI

Timurso

15.5.2025, 00:12:15

Müsste die Genehmigung hier nicht bei W zugehen, um rechtliche Wirkungen zu entfalten? Oder wendet man hier § 182 I BGB an? Meines Erachtens passt der nicht wirklich, da es weder um einen Vertrag noch ein einseitiges

Rechtsgeschäft

geht, sondern um die

Empfangszuständigkeit

/

Erfüllung

swirkung und die Nachbarin an dem

Rechtsverhältnis

, in dem die

Erfüllung

relevant wird, gar nicht beteiligt ist.


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