Zivilrecht
Schuldrecht Allgemeiner Teil
Erlöschen des Schuldverhältnisses
Richtiger Gläubiger kraft Ermächtigung: Genehmigung (§ 185 Abs. 2 BGB)
Richtiger Gläubiger kraft Ermächtigung: Genehmigung (§ 185 Abs. 2 BGB)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
E bestellt bei W einen Kaschmirmantel. Da sie bei der Lieferung nicht zuhause ist, wird er ihrer Nachbarin N übergeben. E freut sich, dass sie nun nicht zur Abholstation muss und nimmt den Mantel dankend entgegen.
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Einordnung des Falls
Richtiger Gläubiger kraft Ermächtigung: Genehmigung (§ 185 Abs. 2 BGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Hatte E einen Anspruch darauf, dass W ihr den Mantel übergibt und übereignet (§ 433 Abs. 1 BGB)?
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Kann Erfüllung bei jemand anderes als dem Gläubiger einer geschuldeten Leistung eintreten?
Ja, in der Tat!
3. Ist W weiterhin verpflichtet, E einen Mantel zu liefern?
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Elarp
3.2.2022, 01:25:29
Ich verstehe noch nicht ganz, warum hier eine Genehmigung ausreicht, wenn nach § 185 I BGB eindeutig eine vorherige Zustimmung (Einwilligung) nach (§ 183 Satz 1 BGB) erforderlich ist.
Victor
3.2.2022, 15:48:15
185 I BGB spricht fälschlicherweise vom Nichtberechtigten. Bei einer vorherigen Zustimmung handelt es sich um einen Berechtigten. Abs. 2 erfasst den eigentlichem Fall einer Verfügung eines Nichtberechtigten. Das bleibt auch so. Durch die nachträglicheGenehmigung wird die Verfügung dann wirksam. Vorher bestand ein Schwebezustand.
Elarp
3.2.2022, 15:57:52
Danke, jetzt habe ich es verstanden :)
QuiGonTim
18.7.2022, 13:57:43
Ich verstehe noch nicht ganz, warum
§ 185 BGBhier einschlägig ist. Ist das bloße entgegennehmen des Mantels schon eine Verfügung? Oder handelt es sich um eine analoge Anwendung des
§ 185 BGB?
Lukas_Mengestu
8.8.2022, 17:18:33
Sehr gute Frage, QuiGonTim! Hier verfügt in der Tat lediglich W als Berechtigter über den Kaschmirmantel. Die bloße Entgegennahme der Leistung stellt dagegen keine "Verfügung" iSv
§ 185 BGBdar. Wird aber zur Erfüllung an einen Dritten geleistet, so sind auf die Entgegennahme der Leistung die Vorschriften zur Verfügung eines Nichtberechtigten anzuwenden und die Entgegennahme ist damit im Ergebnis so zu behandeln wie eine Verfügung (vgl. § 362 Abs. 2 BGB). Wir haben dies in der Aufgabe noch einmal etwas präziser gefasst. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Steinfan
21.4.2024, 15:15:01
So wie ich es verstehe, liegt nicht bei jeder Übergabe an eine andere Person als den Gläubiger ein Fall der §§ 362 II,
185 BGBvor. Wenn der Schuldner z.B. die Kaufsache an einen Postboten übergibt und dieser die Sache bei Ablieferung an den Gläubiger weiterreicht, ist der Postbote kein „Dritter“ im Sinne der §§ 362 II,
185 BGB; vielmehr ist der Postbote hier bloß Erfüllungsgehilfe des Verkäufers und es greift ganz normal § 362 I BGB. Vgl. hierzu BeckOGK/Looschelders, 1.1.2024, BGB § 362 Rn. 99 f.: „Die Leistung muss auch in den Fällen des Abs. 1 nicht an den Gläubiger persönlich erfolgen. Der Gläubiger kann bei der Entgegennahme der Leistung vielmehr auch HILFSPERSONEN (zB
Empfangsvertreter,
Empfangsboten,
Besitzdiener,
Besitzmittler, sonstige
Geheißpersonen) einschalten; diese sind dann KEINE DRITTEN iSd Abs. 2. […]Die Leistung an eine HILFSPERSON führt nur dann nach Abs. 1 zum Erlöschen des Schuldverhältnisses, wenn dadurch der geschuldete Erfolg bewirkt wird. So ist der Verkäufer nach § 433 Abs. 1 S. 1 verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum zu verschaffen. Leistet der Verkäufer an eine HILFSPERSON des Käufers, so muss daher geprüft werden, ob DER KÄUFER hierdurch Eigentum und Besitz an der Sache erworben hat.“ Ein Bewirken der Leistung an einen Dritten im Sinne der §§ 362 II,
185 BGBbedeutet, dass Dritte im Falle eines Kaufvertrages die Sache übergeben und übereignet bekommt und der Käufer dem zustimmt. Das ist bei dem Empfang durch einen Nachbarn sehr zweifelhaft; es ist wohl eher gewollt, dass weiterhin der Käufer Besitz und Eigentum erlangen soll und der Nachbar hierbei nur helfen soll. Für mich liegt daher ein normaler Fall des § 362 I BGB vor. Ich freue mich über Anmerkungen. LG
Hausotter
9.8.2024, 16:01:50
Nach meiner Kenntnis ist bei der Prüfung der
Verfügungsbefugniseines Nichteigentümers entweder eine Ermächtigung iSd
§ 185 BGBoder die Vertretungsmacht ausschlaggebend. Ein Gesellschafter einer OHG hätte also grds. Vertretungsbefugnis gem. § 124 I HGB. Könnte man aber eine solche Ermächtigung zur
Verfügungsbefugnisfür Gesellschafter auch aus § 116 I, II 1 HGB lesen, weil die Verwaltung des Eigentums auch zur Geschäftsführung der Gesellschaft zählt? Vielen Dank!