Unbarmherzige, gefühllose Gesinnung fehlt
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Jurastudium und Referendariat.
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die 23-jährige T weist eine weit unterdurchschnittliche Intelligenz auf. Ihre Persönlichkeit ist durch auffallende Gemütsarmut und Willensschwäche gekennzeichnet. Überforderungsbedingt füttert sie ihren einjährigen Sohn S nicht mehr. S stirbt infolge akuten Verhungerns.
Einordnung des Falls
Unbarmherzige, gefühllose Gesinnung fehlt
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat den objektiven Tatbestand einer "grausamen" Tötung (§§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 2, 13 Abs. 1 StGB) verwirklicht.
Ja, in der Tat!
2. T hatte Vorsatz bezüglich der Grausamkeit der Tötung (§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 2 StGB).
Nein!
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Fabian
20.5.2020, 04:13:00
Die Minderbegabung sollte noch straferhöhend wirken, denn dadurch ist die Gesellschaft ja noch mehr gefährdet als wenn jemand Verstand hat.
![Christian Leupold-Wendling](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__lshtholsxkjgqbdyxepjf.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Christian Leupold-Wendling
20.5.2020, 12:05:02
Hi Fabian, Danke für Deinen Beitrag! Das ist ein nachvollziehbarer Gedanke angesichts der schwer zu ertragenden Tat. Gefährlichkeit des Täters für die Gesellschaft ist uE aber nicht das entscheidende Kriterium. Es geht bei den Mordmerkmalen der 2. Gruppe (Heimtücke, Grausamkeit, Gemeingefährliche Tatmittel) darum, besonders gefährliche und verwerfliche Ausführungsarten der Tötung zu erfassen. Speziell beim Mordmerkmal „Grausamkeit“ setzt die Rechtsprechung subjektiv voraus, dass die Tat von einer „gefühllosen und mitleidlosen Gesinnung getragen ist.“ Erhebliche psychische Störungen oder auch schwerer Rauschzustand stehen dem entgegen.
/qwas
22.1.2024, 21:44:07
Außerdem ist das ein bestimmter Fall, in dem man mit Fabian ggf. eine erhöhte Gefährlichkeit annehmen kann. Den auch durchschnittlich intelligente Leute können die Tat ja begehen (wie in anderen Fällen vor dem BGH). Diese sind auch insofern besonders gefährlich, dass sie Straftaten viel "effektiver" und damit auch tödlicher planen können. Man kann auch die Frage auf werfen, ob es wirklich gefährlicher ist, wenn Personen ein Unrecht nicht einsehen können oder wenn sie es nicht einsehen wollen.
![Tigerwitsch](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar_2840.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Tigerwitsch
14.2.2021, 13:54:09
Wieso kann man nicht über die Schuld (Schuldunfähigkeit oder verminderte Schuldfähigkeit) zu einer Straflosigkeit bzw Strafmilderung kommen? Oder ist im vorliegenden Fall das wesentliche Stichwort „Überforderung“ der T?
![Speetzchen](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar_38882.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Speetzchen
16.2.2021, 00:27:55
Dies kann ggf. der Fall sein, hier sollte wahrscheinlich nur das Mordmerkmal erklärt werden. Zu beachten sind aber die hohen Anforderungen an eine Schuldunfähigkeit. Die Feststellung setzt voraus, dass in der Person des T letztlich nicht nur Eigenschaften und Verhaltensweisen hervorgetreten sind, die sich im Rahmen dessen halten, was bei schuldfähigen Menschen anzutreffen und übliche Ursache für strafbares Verhalten ist Hierzu gehören etwa Eigenschaften wie Stimmungsschwankungen, geringe Frustrationstoleranz, Tendenz zu Streitereien und Impulsivität; diese sind nicht ohne weiteres dazu geeignet, eine Person in einen Zustand erhebl
![Speetzchen](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar_38882.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Speetzchen
16.2.2021, 00:29:43
erheblich verminderter Schuldfähigkeit zu versetzen.
![ena_magneto](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar_136051.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
ena_magneto
3.3.2021, 14:05:07
Wäre es aber hier nicht eher ein Fall der verminderten Schuldfähigkeit bzw. Schuldunfähigkeit?
![Vulpes](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__4u2kspk5ezkiztsp9res4vkwj.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Vulpes
3.3.2021, 15:02:17
Hi ✌️ Ich glaube, dass es hier keine entweder oder Frage ist. Einerseits wird festgestellt, dass T nicht den erforderlichen Vorsatz für einen grausamen Mord aufweist. Unabhängig davon würde ich dir Recht geben, dass T wohl aufgrund ihrer Minderbegabung nur eine gem. § 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafe wegen Totschlag (§ 212 StGB) zu erwarten hat.
Elisa
25.5.2023, 11:12:02
Wenn man die Grausamkeit so definiert, dass die Zufügung der Schmerzen “aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung” heraus erfolgt sein muss, fliegt man dann in diesem Fall nicht schon direkt bei der Grausamkeit raus? Denn diese Gesinnung hatte die T ja eigentlich nicht.
![Nora Mommsen](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__1g4ube287wphue6xpdn8yy675.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Nora Mommsen
26.5.2023, 12:36:18
Hallo Elisa, danke für deine Frage. Tatsächlich ist die übliche Definition hier ggfs. irreführend. Im objektiven Tatbestand sind die objektiven Merkmale zu prüfen. Bei der Grausamkeit also das Hinzufügen von Qualen und Schmerzen über das "übliche" Maß hinaus. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team